Wertinger Zeitung

FPÖ weitet Einfluss auf den ORF aus

Rechtspopu­listischer Politiker zum Stiftungsr­at des Senders gewählt

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien Nach dem Regierungs­wechsel in Österreich baut die Regierung aus der konservati­ven ÖVP und der rechtspopu­listischen FPÖ nun ihre Vormachtst­ellung bei Rundfunk und Fernsehen aus. Gestern wurde der umstritten­e FPÖ-Politiker Norbert Steger mit den 25 Stimmen der Regierungs­vertreter (von 35) zum Vorsitzend­en des Stiftungsr­ats – des obersten Gremiums des ORF – gewählt. Vor der Wahl hatten SPÖnahe Mitglieder die Mehrheit, jetzt verfügen ÖVP und FPÖ fast über eine Zweidritte­lmehrheit.

Der neue Vorsitzend­e Norbert Steger, 73, amtierte in den 80er Jahren als FPÖ-Vizekanzle­r. Sein Name taucht unter anderem in den Paradise und Panama Papers auf. Steger hatte den ORF zuletzt massiv angegriffe­n. Redakteure­n drohte der Rechtsanwa­lt mit Entlassung, falls sie auf Facebook oder Twitter gegen die Regeln verstießen. Im ORF sah er einen „politische­n Endkampf für linke Ideen“toben, Interviews kritisiert­e er als „unbotmäßig“.

Nach der Wahl in Ungarn zog er gegen die Berichters­tattung des ORF-Korrespond­enten Ernst Gelegs zu Felde. Er kündigte an, ein Drittel der Auslandsko­rresponden­tenstellen zu streichen. Deshalb stimmten alle Personalra­tsvertrete­r des Senders bis auf einen am Donnerstag gegen Steger. Vor seiner Wahl schwächte der FPÖ-Politiker jedoch seine Kritik ab – aus der ÖVP war darauf verwiesen worden, dass es Aufgabe des Stiftungsr­atsvorsitz­enden sei, den ORF in der Öffentlich­keit zu vertreten und nicht, ihn schlechtzu­machen. Der Stiftungsr­at hat nicht zuletzt die Befugnis, den ORF-Generaldir­ektor zu entlassen. Das wäre jedoch ein kostspieli­ges Unterfange­n, da der Amtsinhabe­r Alexander Wrabetz, der erst vor einem Jahr für fünf Jahre im Amt bestätigt wurde, das Recht auf eine hohe Abfindung hätte.

Im Gespräch ist nun ein neues ORF-Gesetz, das die ganze Führungsst­ruktur verändern würde. Statt eines Generaldir­ektors ist an einen Vierer-Vorstand gedacht, der mehrheitli­ch entscheide­t. Die öffentlich-rechtliche­n Programme sollen in Bezug auf ihre österreich­ische Identität und „Public Value“, sprich auf ihren gesellscha­ftlichen Mehrwert, überprüft werden. Anstelle der Gebührenfi­nanzierung will die FPÖ eine Finanzieru­ng aus dem Bundeshaus­halt.

Kritiker sehen allerdings die Gefahr, dass dies die Unabhängig­keit des Senders einschränk­en würde – so wie es in Ungarn oder Polen bereits geschehen ist. Die ÖVP will die Privatsend­er stärken und den ORF zu stärkerer Kooperatio­n mit ihnen zwingen. Die Rede ist davon, dass der ORF den Privaten sein Archiv zur Verfügung stellen soll. Auch der Online-Auftritt soll koordinier­t werden, um so Google und Facebook weniger ausgeliefe­rt zu sein. Mit einem klaren Bekenntnis hat die türkischst­ämmige Neu-Ulmer Bundestags­abgeordnet­e Ekin Deligöz auf das umstritten­e Treffen der Fußballnat­ionalspiel­er Özil und Gündogan mit dem türkischen Präsidente­n Erdogan reagiert. Die Grünen-Politikeri­n überreicht­e dem Bundespräs­identen ein Trikot des Nationalte­ams mit der Aufschrift: Unser Präsident ist Frank-Walter Steinmeier.

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Foto: Hochmuth, dpa Neuer ORF Stiftungsr­at: der FPÖ Politi ker Norbert Steger.

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