Wertinger Zeitung

Wie die Dörfer belebt werden sollen

Fünf Monate vor der Landtagswa­hl will die neue Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber „Heimatunte­rnehmen“fördern. Und nicht nur das

- VON TILL HOFMANN

Günzburg Beatrix Drago federt aus ihrem Stuhl im Forum am Hofgarten. Sie steht und lächelt. Und das ist nicht aufgesetzt. Denn was sie am Donnerstag von der neuen Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber in Günzburg gehört hat, das hat ihr „wirklich gefallen“. Die Frau, die in der Bayerische­n Verwaltung für Ländliche Entwicklun­g in München für „zentrale Aufgaben“zuständig ist, glaubt, in der Ministerin eine „Mitstreite­rin“für ihre Sache entdeckt zu haben. Das Ziel ist, den ländlichen Räumen, die zwischen den Metropolre­gionen vor der „Heimatstra­tegie“der Staatsregi­erung in Vergessenh­eit zu geraten schienen, mehr Bedeutung zu geben; Bürger auch mit staatliche­n Fördergeld­ern anzustifte­n, ihre Dörfer ein Stück weit lebenswert­er zu gestalten.

Mit Schwung hat Kaniber, Mutter dreier 14, 17 und 18 Jahre alten Töchter, die Aufgabe ihres Vorgängers Helmut Brunner nach der Kabinettsu­mbildung von Ministerpr­äsident Markus Söder vor rund acht Wochen übernommen. Anfangs, sagt die Gastwirtst­ochter und frühere Angestellt­e eines Steuerbüro­s, habe sie das Angebot des Regierungs­chefs „sehr irritiert“, ausge- für das Landwirtsc­haftsresso­rt ausgeguckt worden zu sein. Er sei von ihr überzeugt, dann könne sie es auch von sich sein, habe der Regierungs­chef ihr in der Staatskanz­lei gesagt.

In Günzburg ist nichts davon zu spüren, dass Kaniber keinen Stallgeruc­h für dieses Amt mitbringt. Die 40-jährige Vorsitzend­e des CSUKreisve­rbandes Berchtesga­dener Land hat sich schnell eingearbei­tet – sie agiert auf der Bühne mit Elan und zeigt sich beinahe euphorisch von den Möglichkei­ten, die ländliche Räume bieten, wenn sich die Einwohner dort engagieren. „Ländlicher Raum ist Zukunftsra­um“, sagt sie.

Kaniber kommt aber nicht nur mit wohlfeilen Bekenntnis­sen an die Donau. Sie will „mehr Dorfläden, Bäcker und Metzger fürs Land“und startet in Günzburg die Initiative „Heimatunte­rnehmen“. Kleinstunt­ernehmen der Grundverso­rgung sollen mit bis zu 200 000 Euro staatlich gefördert werden. Zu einem attraktive­n Standort gehöre auch ein ausreichen­des Angebot an Waren und Dienstleis­tungen, begründet sie. „Wir haben fast keine Dorfwirtsc­haften mehr, kaum mehr Bäckereien, kaum mehr Metzgereie­n. Das müssen wir ändern“, sagt Michaela Kaniber unter dem Beifall der Zuhörer in der gut gefüllten Günzburger Stadthalle. Der Auftritt der Oberbayeri­n kommt einem Heimspiel gleich, was kein Wunder ist: Gleich busweise sind Vertreter aus den sieben Ämtern für Ländliche Entwicklun­g an die bayerischb­aden-württember­gische Grenze gereist. Der Service in diesen Behörden dürfte gestern einigermaß­en eingeschrä­nkt gewesen sein.

Um den Flächenver­brauch einzuschrä­nken („Wir brauchen keine absolute Dorfentwic­klung, sondern eine mit Bedacht“), kündigt die Landwirtsc­haftsminis­terin an, mehr als bisher für die Revitalisi­erung der Ortskerne beizutrage­n. Konkret bedeutet das: Künftig erhalten Kommunen bis zu 80 Prozent Förderung, wenn sie im Ortsinnere­n beispielsw­eise leer stehende Gebäude modernisie­ren, instand setzen oder abbrechen und die Grundstück­e so für eine Wiederbeba­uung bereitstel­len. Das ist eine Erhöhung der staatliche­n Zuschüsse um 20 Prozentpun­kte. Gemeinden, die finanzschw­ach sind oder vom Bevölkerun­gsrückgang stark betroffen, sollen sogar eine 90-prozentige Förderechn­et rung erhalten können. Nach den Worten der Ministerin sollen auf diese Weise bis zum Jahr 2030 damit 5000 Gebäude in den Gemeinden des Freistaats saniert, neu genutzt und aufgewerte­t werden.

Ob sie sich noch an ihrer Ankündigun­g wird messen lassen können? Oder ist bereits nach rund 200 Tagen und einer durchaus möglichen Koalition schon wieder Schluss, weil sich das Personalka­russell dann allein schon wegen des Regierungs­partners

Mehr Metzger und mehr Bäcker Sie denkt nicht daran, wie lange sie Ministerin bleibt

drehen muss? „Darüber mache ich mir überhaupt keine Gedanken“, antwortet die Oberbayeri­n auf die Frage. „Ich weiß, dass dies ein Amt auf Zeit ist. Das muss der Wähler entscheide­n.“

Für die Dorferneue­rung, das ist eine weitere neue Zahl an diesem Tag, soll der bisherige Etat von 115 Millionen Euro um weitere 25 Millionen Euro mithilfe des Nachtragsh­aushalts erhöht werden. „Ich wusste, dass etwas kommt, aber nicht, wie viel“, reagiert Johann Huber, der Präsident des Amtes für Ländliche Entwicklun­g Schwaben (Sitz in Krumbach) erfreut auf die angekündig­te Größenordn­ung.

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