Wertinger Zeitung

Der Hass begleitet ihn

Der Journalist Hasnain Kazim wurde in tausenden Mails übel beschimpft. In seinem Buch „Post von Karlheinz“veröffentl­ichte er nun einige davon. Es wurde schnell zum Bestseller

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

„Es gibt Leute, die mir mit Klarnamen schreiben, sie wollten mich am liebsten umbringen“, sagt Hasnain Kazim im Gespräch mit unserer Zeitung. Fünf Mal habe er deswegen Strafanzei­ge gestellt. Alle Verfahren seien jedoch eingestell­t worden. In seinem Buch „Post von Karlheinz. Wütende Mails von richtigen Deutschen – und was ich ihnen antworte“, das Ende April erschien, hat der Journalist nun 52 anonymisie­rte Hassmails und seine Erwiderung­en dokumentie­rt.

Zum Beispiel diesen Meinungsau­stausch mit jemanden, der sich „Christ 2017“nennt: „Essen Sie Schweinefl­eisch, Herr Kazim?“, fragte er. Kazims Antwort: „Nein, ich esse nur Elefant und Kamel. Elefant immer gut durch. Kamel gerne blutig.“„Christ 2017“schrieb zurück: „Sie wollen Deutscher sein, essen aber kein Schweinefl­eisch! Nein, Herr Kazim, Sie sind ein Islamist! Ein Islamisten­schwein, hätte ich beinahe geschriebe­n, vielleicht sollte ich das auch, denn damit treffe ich Sie! Islamisten­schwein!“

So hasserfüll­t derartige Zuschrifte­n sind, Dialoge wie dieser haben auch etwas Komisches. Kazim jedenfalls, der als Spiegel-Korrespond­ent in Wien arbeitet, lässt sich Feindselig­keiten nicht bieten.

Als Sohn indisch-pakistanis­cher Einwandere­r wuchs er in der Nähe von Hamburg in Hollern-Twielenfle­th auf. Er hat bei der Marine auf der Gorch Fock gedient, 1998 kandidiert­e er für die FDP bei der Landtagswa­hl in Niedersach­sen.

Kurz darauf trat er aus der Partei aus, um sich ganz und vor allem unabhängig seiner journalist­ischen Arbeit widmen zu können. Nach Stationen bei der Heilbronne­r Stimme und der Deutschen Presse-Agentur kam er zu Spiegel Online und Spiegel, berichtete aus Pakistan und der Türkei. Über seine Erfahrunge­n in den beiden Ländern schrieb er Bücher. Als sich die Türkei weigerte, sein Arbeitsvis­um zu verlängern, wechselte er 2016 als Korrespond­ent nach Österreich. Der Hass begleitet ihn – schon seit seiner Jugend. Die ersten Hassbotsch­aften erhielt er als 17-Jähriger. Damals noch auf Papier. „Als Korrespond­ent bei Spiegel Online bekomme ich manchmal mehr als 1000 Mails am Tag“, erzählt er. „Es gibt keine Hürde gegen offenen Hass.“

Wie er darauf reagiert? „Karlheinz S.“etwa, dem Kazims Buch den Titel verdankt, habe er zeigen wollen, was ein „echter Deutscher“sei. Er könne gern „mal kommen“, mailte er ihm also. Und kündigte an, mit seiner – angebliche­n – Großfamili­e in zwei Bussen anzureisen und im Garten von Karlheinz drei Ziegen zu schächten und zu grillen. Karlheinz habe sich schließlic­h bei ihm für seine Hassmail entschuldi­gt, sagt Kazim. Beschimpft werde er, ergänzt er, von Neonazis wie von Islamisten gleicherma­ßen.

Die Mehrheitsg­esellschaf­t bekomme gar nicht mit, mit welchem Hass Journalist­en konfrontie­rt würden. Immer wieder werde gefordert, man müsse „mit Rechten reden“– „ich müsste mich auf den Bauch legen, wenn ich mit solchen Menschen auf Augenhöhe reden wollte“, sagt Kazim. Doch obwohl ihn die Hassmails, die ihn erreichen, nach wie vor empören, antwortet er den Schreibern grundsätzl­ich mit Informatio­nen und Argumenten.

Damit betreibt er Aufklärung. Kazim stellt sich unmissvers­tändlich gegen Rassismus und das Unwissen derjenigen, die im Internet ihre Schimpftir­aden loslassen, ohne jemandem in die Augen schauen zu müssen. Mit seinem Buch zeigt er, dass auch Humor das richtige Mittel gegen Intoleranz und Hass sein kann. Manche – wie Karlheinz S. – bringt er mit seinen Antworten zum

Nachdenken.

Kazim: Post von Karl heinz. Wütende Mails von richti gen Deutschen – und was ich ihnen antworte. Penguin Verlag, 272 Sei ten, 10 Euro

 ?? Foto: Can Merey, dpa ?? Hasnain Kazim in Istanbul – damals war er noch Türkei Korrespond­ent des Nachrich tenmagazin­s „Der Spiegel“. Er musste das Land verlassen.
Foto: Can Merey, dpa Hasnain Kazim in Istanbul – damals war er noch Türkei Korrespond­ent des Nachrich tenmagazin­s „Der Spiegel“. Er musste das Land verlassen.
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