Wertinger Zeitung

Sporer befragt den Bürgermeis­ter im Stadtrat

Der CSU-Rat will Aufklärung in einem Bauvorhabe­n. Das löst im Plenum großen Unmut aus. Gegen den Antrag bildet sich eine breite Allianz. Das lässt manchen von einem „Tiefpunkt in der Debattenku­ltur“sprechen

- VON BENJAMIN REIF

Wertingen Mit einigem verbalem Säbelrasse­ln begann die Stadtratss­itzung am Mittwochab­end. Es ging um den Antrag des Stadtrates Helmut Sporer (CSU), der das Verfahren einer Baugenehmi­gung, beziehungs­weise die Rolle der Wertinger Stadtverwa­ltung dabei, prüfen lassen wollte. Dafür hatte er über 20 Fragen an Bürgermeis­ter Willy Lehmeier (Freie Wähler) vorbereite­t.

Doch gegen diesen Tagesordnu­ngspunkt bildete sich im Gremium eine breite Allianz – und das zog ungewöhnli­che Szenen nach sich. Ludwig Klingler und Peter Hurler von den Grünen beantragte­n zu Beginn der Sitzung, dass sich das Plenum nicht mit dem Antrag von Sporer befassen solle. Dieser sei zu komplex, eine langwierig­e Befassung stehe in keinem Verhältnis zum Erkenntnis­gewinn und dem Konfliktpo­tenzial. Außerdem sei der Behördenwe­g abgeschlos­sen (wir berichtete­n), man rätsele über die Motivation für den Antrag.

Der Hintergrun­d: Sporer hatte im März gegen ein Bauvorhabe­n der Familie von Stadtrat Herbert Nuber (FW) geklagt und war vor Gericht worden. Doch er äußerte gegenüber unserer Zeitung Zweifel an der Sauberkeit des Genehmigun­gsverfahre­ns. In seiner Akteneinsi­cht war er auf eine Mail von Nuber an Landrat Leo Schrell gestoßen, in der um Unterstütz­ung geworben wurde. Außerdem habe Nuber dem Stadtrat angedroht, diverse Ämter niederzule­gen, und dies laut Sporer mit der Ablehnung des Bauantrags in Verbindung gebracht.

Dr. Johann Popp, Fraktionsc­hef der CSU, kritisiert­e den Antrag der Grünen scharf. Sporers Anliegen sei völlig legitim. „Der Stadtrat ist für die Kontrolle der Verwaltung zuständig“, sagte Popp. Auf die Äußerung der Grünen, dass der Antrag keine Aussicht auf Erfolg habe, entgegnete Popp: „Sollen wir nur Anträge behandeln, die ‘Aussicht auf Erfolg’ haben?“Geschäftsf­ührer Dieter Nägele sagte zu Popp, dass laut Geschäftso­rdnung ein Nichtbehan­dlungsantr­ag zulässig sei. Dazu entgegnete Popp, dass es sich offensicht­lich um ein „abgekartet­es Spiel“ handele, das im Vorfeld ausgemacht worden sei. Das sei ein „Tiefpunkt in der demokratis­chen Debattenku­ltur Wertingens“.

In seltener Einigkeit sprachen sich die Vertreter verschiede­ner Parteien gegen Sporers Ansinnen aus. Peter Seefried, sonst kaum jemals einer Meinung mit den Grünen, nannte Sporers Antrag eine „Zumutung“. Und der SPD-Politiker Otto Horntrich fragte: „Was soll denn das Endergebni­s des Ganzen sein?“Sporer selbst äußerte sich „entsetzt“über die Versuche, seinen Antrag zu blockieren. Er wolle Aufklärung und Transparen­z für die Bürger erreichen, keine Privatange­legenheit mit Herbert Nuber ausfechten. „Es geht um die Gleichbeha­ndlung aller Bürger“, sagte Sporer.

Doch Lehmeier, der zuvor vor dem „Zerschlage­n von Porzellan“gewarnt hatte, schien dann den Fall doch hinter sich bringen zu wollen: Er bat die Räte eindringli­ch, die Fragen Sporers beantworte­n zu dürfen. Dass ihm und seiner Verwaltung „Mauschelme­thoden“vorgeworfe­n würden, lasse ihn auch emotional nicht unberührt.

Nach anfänglich­er Unruhe im Gremium befragte Sporer Bürgerabge­wiesen meister Lehmeier ausführlic­h zu den Geschehnis­sen. Seine Fragen gingen dabei teils sehr ins Detail. So ging es etwa um die Bearbeitun­gszeiten, da diese für Sporer verdächtig kurz erschienen. Bei den grundsätzl­icheren Fragen wurde klarer, in welche Richtung die Überlegung­en von Sporer und Lehmeier gingen. So störte sich Sporer daran, dass im Flächennut­zungsplan über viele Jahre ein Grüngürtel dort ausgewiese­n war, wo Nubers Familie zu bauen anfing. Über lange Zeit habe man im Bauausschu­ss darauf beharrt, den Grüngürtel nicht anzutasten. So seien andere Bauvorhabe­n mit dem Verweis auf den schützensw­erten Charakter der Fläche abgewiesen worden.

Doch Lehmeier sah hier einen Vergleich von Äpfeln und Birnen: Ein abgelehnte­s Bauvorhabe­n von 2012 sei weitaus umfangreic­her gewesen, habe aus drei Einzelhäus­ern bestanden und sei somit nicht mit dem Antrag der Familie Nubers vergleichb­ar, die dort ein einzelnes Haus baut. Eine massive Nachverdic­htung hätte ein „Erschließu­ngskonzept“vorausgese­tzt. Doch auch den schließlic­h durchgewun­kenen Antrag habe man nachkorrig­ieren lassen, das Gebäude wurde um etwa 15 Meter verschoben, um den Charakter des Grüngürtel­s nicht zu zerstören. Diese Argumentat­ion akzeptiert­e Sporer nicht. Durch die bevorzugte Behandlung eines Einzelnen sei hier einer durchdacht­en Planung vorgegriff­en worden.

Ein weiterer Punkt, den Sporer ansprach: Um den Bau möglich zu machen, seien mehrere Bäume gefällt worden. Im April und Juli, also in der eigentlich geschützte­n Brutzeit der Vögel. Dazu hätten sich bei Sporer zahlreiche Bürger gemeldet, die diese Maßnahme empört habe, so der CSU-Rat. Die Verwaltung beurteilt die damals durchgefüh­rten Arbeiten positiver, ein Naturfreve­l sei nicht erkennbar. Lehmeier gab an, dass diesbezügl­ich eine Stellungna­hme des Landratsam­tes beantragt werde.

Und schließlic­h fragte Sporer: Hat Lehmeier Einfluss auf das Verfahren genommen, etwa durch Weisungen an Mitarbeite­r? Oder gab es Absprachen mit dem Landrat? Lehmeiers Antwort in beiden Fällen: Nein. »Kommentar

Popp: Der Stadtrat soll die Verwaltung kontrollie­ren Lehmeier: Es gab keine Ein flussnahme oder Absprachen

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