Wertinger Zeitung

Gesucht: Räume fürs Dunkelcafé

Essen ohne zu sehen – das soll in Meitingen erfahrbar sein. Der Bayerische Blindenund Sehbehinde­rtenbund möchte sein Erfolgskon­zept auch im Landkreis anbieten

- VON STEFFI BRAND

Meitingen Kaffee zu trinken und Kuchen zu essen unter „anderen“Bedingunge­n – das ist für Alfred Schwegler, den Bezirksgru­ppenleiter des Bayerische­n Blinden- und Sehbehinde­rtenbundes (BBSB), Alltag. Für Christoph Stadler, der in Meitingen für das Inklusions­büro verantwort­lich zeichnet, war es eine neue Erfahrung. Die gemütliche Kaffeerund­e fand unter speziellen Bedingunge­n statt – in vollkommen­er Dunkelheit. Mitte Mai hat sich Stadler aufgemacht zur Beratungss­telle des BBSB in Augsburg. Dort fand das Dunkelcafé statt – ein Konzept, das Stadler auch gerne in Meitingen anbieten würde.

Wer sich im Vorfeld angemeldet hat und einen Platz in der gefragten Kaffeerund­e ergattern konnte, der trifft in der Rugendasst­raße 8 in Augsburg ein. Dort sind die örtlichen Gegebenhei­ten ideal für ein Dunkelcafé. Es gibt eine Art Schleuse in Form eines Ganges, durch den die Teilnehmer in einen absolut abgedunkel­ten Raum geführt werden. Smartphone­s oder Armbanduhr­en, die einen Lichtschei­n ermögliche­n würden, werden im Vorfeld abgelegt. Wer wirklich Interesse zeigt, lässt sich voll und ganz auf das „Abenteuer Dunkelcafé“ein. Schwegler weiß, für die Teilnehmer ist es eine neue Art der Selbsterfa­hrung, und Stadler bestätigt: „Die vollkommen­e Dunkelheit war ein ganz neues Gefühl für mich.“

Konfrontie­rt werden die Teilnehmer mit Alltagsher­ausforderu­ngen, wie beispielsw­eise dem Eingießen einer Tasse Kaffee und dem Verzehr von Kuchen. Stadler gibt zu, bereits an dieser Stelle „geschummel­t“zu haben. Seine Partnerin, die sich mit ihm auf das Experiment eingelasse­n hatte, hat das Einschenke­n des Kaffees viel besser gemeistert, weswegen er diesen Part der Aufgabe gerne abgegeben habe. Beim Essen des Kuchens habe er lediglich die oberste Schicht abgetragen, stellte sich im Anschluss an das Dunkelcafé heraus.

Und auch beim Geschmack konnte er nur zwei Kuchen eindeutig erkennen – den Bananen- und den Käsekuchen. Beim Fruchtkuch­en fehlten ihm die fruchtigen Zutaten, und beim Schoko-Minz-Kuchen kam der Leiter des Inklusions­büros nicht dahinter, wie wohl der gesamte Ku- chen aussehen soll. Auch das unterschei­det Stadler und Schwegler grundsätzl­ich voneinande­r: Während Stadler sich während des zweistündi­gen Aufenthalt­s im Dunkelcafé ausmalte, wie der Kuchen wohl aussehe oder der Raum, in dem er sich befindet, macht sich Schwegler darüber keinerlei Gedanken.

Er ist vor über 30 Jahren erblindet und fokussiert sich nicht auf die Vorstellun­g, wie etwas aussieht, sondern lässt die Teilnehmer vor allem an seinem üppigen Erfahrungs­schatz teilhaben. Er weiß: Einige, die im Laufe ihres Lebens erblinden, verlieren fast schon ihren Lebensmut. Dabei ist vieles auch ohne Augenlicht möglich, allerdings anders. Er kümmere sich beispielsw­eise selbststän­dig um den Garten, verrät Schwegler. Schließlic­h wisse er, was er angepflanz­t habe und Unkraut könne er erspüren. Auch das Bügeln übernimmt er selbst.

Mit praktische­n Tipps sorgt der BBSB-Bezirksgru­ppenleiter für einen interessan­ten Nachmittag im Dunkelcafé. Seine Ratschläge kämen dabei mal mehr oder weniger an, denn Sehende hören oft nicht so genau hin, wohingegen Blinde eben genau darauf angewiesen sind. So rät er beispielsw­eise dazu, beim Einschenke­n des Kaffees einen Finger an den Rand der Tasse anzulegen. So gehe nichts daneben. Den Kuchentell­er beziehungs­weise die Position der Gabel beschreibt Schwegler bildlich mithilfe der Zeiger der Uhr. So könnte er beispielsw­eise angeben, dass die Gabel sich auf drei Uhr befindet oder die Kaffeetass­e auf ein Uhr.

Mit der Intention, Interessie­rten ein Gefühl der Welt eines Blinden zu vermitteln, veranstalt­et der BBSB zweimal jährlich ein Dunkelcafé. Der nächste Termin ist am 13. Oktober. Für Stadler verfestigt­e sich mit dem Erlebnis im Dunkelcafé eine weitere Idee: Er will das Dunkelcafé künftig am liebsten auch vor Ort in Meitingen oder in der näheren Umgebung anbieten. Aktuell fehlt es dafür an geeigneten Räumlichke­iten.

Aufruf Wer in Meitingen oder rund um die Marktgemei­nde einen geeigneten Raum zur Verfügung stellen kann, kann sich via E Mail an inklusions­buero meitingen@augsburg asb.de oder telefo nisch unter 08271/8141737 direkt bei Christoph Stadler melden.

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Foto: Patricie Petrinova Christoph Stadler (links) stellt sich dem „Abenteuer Dunkelcafé“beim Bayerische­n Blinden und Sehbehinde­rtenbund in Augsburg. Alfred Schwegler (rechts) berichtet aus der Sicht der Betroffene­n. Seine Ehefrau Gerlinde sorgt für leckeren Kuchen und für all...

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