Gesucht: Räume fürs Dunkelcafé
Essen ohne zu sehen – das soll in Meitingen erfahrbar sein. Der Bayerische Blindenund Sehbehindertenbund möchte sein Erfolgskonzept auch im Landkreis anbieten
Meitingen Kaffee zu trinken und Kuchen zu essen unter „anderen“Bedingungen – das ist für Alfred Schwegler, den Bezirksgruppenleiter des Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbundes (BBSB), Alltag. Für Christoph Stadler, der in Meitingen für das Inklusionsbüro verantwortlich zeichnet, war es eine neue Erfahrung. Die gemütliche Kaffeerunde fand unter speziellen Bedingungen statt – in vollkommener Dunkelheit. Mitte Mai hat sich Stadler aufgemacht zur Beratungsstelle des BBSB in Augsburg. Dort fand das Dunkelcafé statt – ein Konzept, das Stadler auch gerne in Meitingen anbieten würde.
Wer sich im Vorfeld angemeldet hat und einen Platz in der gefragten Kaffeerunde ergattern konnte, der trifft in der Rugendasstraße 8 in Augsburg ein. Dort sind die örtlichen Gegebenheiten ideal für ein Dunkelcafé. Es gibt eine Art Schleuse in Form eines Ganges, durch den die Teilnehmer in einen absolut abgedunkelten Raum geführt werden. Smartphones oder Armbanduhren, die einen Lichtschein ermöglichen würden, werden im Vorfeld abgelegt. Wer wirklich Interesse zeigt, lässt sich voll und ganz auf das „Abenteuer Dunkelcafé“ein. Schwegler weiß, für die Teilnehmer ist es eine neue Art der Selbsterfahrung, und Stadler bestätigt: „Die vollkommene Dunkelheit war ein ganz neues Gefühl für mich.“
Konfrontiert werden die Teilnehmer mit Alltagsherausforderungen, wie beispielsweise dem Eingießen einer Tasse Kaffee und dem Verzehr von Kuchen. Stadler gibt zu, bereits an dieser Stelle „geschummelt“zu haben. Seine Partnerin, die sich mit ihm auf das Experiment eingelassen hatte, hat das Einschenken des Kaffees viel besser gemeistert, weswegen er diesen Part der Aufgabe gerne abgegeben habe. Beim Essen des Kuchens habe er lediglich die oberste Schicht abgetragen, stellte sich im Anschluss an das Dunkelcafé heraus.
Und auch beim Geschmack konnte er nur zwei Kuchen eindeutig erkennen – den Bananen- und den Käsekuchen. Beim Fruchtkuchen fehlten ihm die fruchtigen Zutaten, und beim Schoko-Minz-Kuchen kam der Leiter des Inklusionsbüros nicht dahinter, wie wohl der gesamte Ku- chen aussehen soll. Auch das unterscheidet Stadler und Schwegler grundsätzlich voneinander: Während Stadler sich während des zweistündigen Aufenthalts im Dunkelcafé ausmalte, wie der Kuchen wohl aussehe oder der Raum, in dem er sich befindet, macht sich Schwegler darüber keinerlei Gedanken.
Er ist vor über 30 Jahren erblindet und fokussiert sich nicht auf die Vorstellung, wie etwas aussieht, sondern lässt die Teilnehmer vor allem an seinem üppigen Erfahrungsschatz teilhaben. Er weiß: Einige, die im Laufe ihres Lebens erblinden, verlieren fast schon ihren Lebensmut. Dabei ist vieles auch ohne Augenlicht möglich, allerdings anders. Er kümmere sich beispielsweise selbstständig um den Garten, verrät Schwegler. Schließlich wisse er, was er angepflanzt habe und Unkraut könne er erspüren. Auch das Bügeln übernimmt er selbst.
Mit praktischen Tipps sorgt der BBSB-Bezirksgruppenleiter für einen interessanten Nachmittag im Dunkelcafé. Seine Ratschläge kämen dabei mal mehr oder weniger an, denn Sehende hören oft nicht so genau hin, wohingegen Blinde eben genau darauf angewiesen sind. So rät er beispielsweise dazu, beim Einschenken des Kaffees einen Finger an den Rand der Tasse anzulegen. So gehe nichts daneben. Den Kuchenteller beziehungsweise die Position der Gabel beschreibt Schwegler bildlich mithilfe der Zeiger der Uhr. So könnte er beispielsweise angeben, dass die Gabel sich auf drei Uhr befindet oder die Kaffeetasse auf ein Uhr.
Mit der Intention, Interessierten ein Gefühl der Welt eines Blinden zu vermitteln, veranstaltet der BBSB zweimal jährlich ein Dunkelcafé. Der nächste Termin ist am 13. Oktober. Für Stadler verfestigte sich mit dem Erlebnis im Dunkelcafé eine weitere Idee: Er will das Dunkelcafé künftig am liebsten auch vor Ort in Meitingen oder in der näheren Umgebung anbieten. Aktuell fehlt es dafür an geeigneten Räumlichkeiten.
Aufruf Wer in Meitingen oder rund um die Marktgemeinde einen geeigneten Raum zur Verfügung stellen kann, kann sich via E Mail an inklusionsbuero meitingen@augsburg asb.de oder telefo nisch unter 08271/8141737 direkt bei Christoph Stadler melden.