Hamilton geht seinen eigenen Weg
Der Brite hängt Sebastian Vettel im Kampf um den WM-Titel weiter ab. Wegen einer verpatzten Reifenstrategie muss sich der Deutsche in Singapur mit Platz drei zufriedengeben
Singapur Nach der glänzenden Formel-1-Nachtschicht von Lewis Hamilton winkte der im WM-Zweikampf weiter schwer zurückgeworfene Sebastian Vettel verkniffen ins Publikum. Nach einem gravierenden Taktik-Irrtum von Ferrari in Singapur sind die Chancen auf seinen ersten Titel mit den Italienern auf ein Minimum gesunken. „Vor dem Wochenende haben wir gesagt, dass wir uns eigentlich nur selber schlagen können, diesmal hatten wir keine Chance. Wir haben nicht alles aus unserem Paket rausgeholt“, meinte Vettel zerknirscht.
Nach seinem fatalen Crash in Monza musste sich der Heppenheimer am Sonntag wegen einer völlig verpatzten Reifenstrategie mit Platz drei begnügen und liegt vor den letzten sechs Rennen dieser Saison in der Gesamtwertung schon 40 Zähler hinter Singapur-Sieger Hamilton. In dem weitgehend spannungsarmen Übersee-Auftakt wurde Vettel von seinem ScuderiaKommandostand folgenschwer zu früh an die Box geholt. Der britische Pole-Mann Hamilton sicherte sich dagegen im Mercedes ausgerechnet auf der Ferrari-Paradestrecke seinen siebten Saisonsieg vor Max Verstappen im Red Bull. In seinem 150. Grand Prix sicherte sich RenaultPilot Nico Hülkenberg als Zehnter noch einen Zähler. Dank seines vierten Erfolges in den letzten fünf Grand Prix hat ein Hamilton in Höchstform ein beruhigendes Polster, um sich zum fünften Mal zum WM-Champion zu krönen. Das Feuerwerk über dem erleuchteten Marina Bay Circuit genoss er nach seinem 69. Karrieresieg schon mal.
Vettels Wochenende in dem Stadtstaat hatte schon nicht nach Plan begonnen. Wegen einer defekten rechten Hinterradaufhängung musste der Heppenheimer seinen Wagen im zweiten Training vorzeitig abstellen. Die viel größere Enttäuschung erlebte er in der Qualifikation. Mit mehr als 0,6 Sekunden Rückstand auf Hamilton, der sich mit einer schier magischen Runde seine 79. Karriere-Pole sicherte, kam der verärgerte Vettel in der Startaufstellung nur auf Platz drei. „Es hätte schlimmer kommen kön- nen, ich denke aber, dass wir das Tempo haben, um um den Sieg zu kämpfen“, sagte der Hesse während der Fahrerparade. Und schon zu Beginn des Nachtrennens krachte es. Diesmal allerdings ohne Vettels Beteiligung. Diesmal fuhren die beiden Force-India-Wagen von Sergio Pérez und Esteban Ocon in Kurve drei ineinander. Der Franzose Ocon donnerte in die Leitplanke, sein Grand Prix war vorzeitig beendet. Damit kam auch in der elften Auflage des Rennens das Safety Car auf den von mehr als 1600 Lichtprojektoren erleuchteten Kurs und bremste das Feld gleich mal ein.
Vettel hatte zuvor einen starken Start erwischt, war gegen den Zweiten Verstappen im Positionskampf auf den 301 Metern bis zur ersten Kurve aber noch nicht volles Risiko gegangen. Auf der ersten Geraden, noch kurz bevor das Safety Car auf die Strecke fuhr, zog der ScuderiaStar an dem Niederländer vorbei und konnte sich für seine Jagd auf den führenden Hamilton in Position bringen. Im Reifenpoker ergriff dann Ferrari um den viermaligen Weltmeister aus Deutschland die Initiative. In der 15. Runde erhielt Vettels Dienstwagen Ultrasoftgummis, er reihte sich als Siebter hinter Pérez ein. Einen Umlauf darauf kam Hamilton an die Box. Die Mercedes-Crew setzte aber auf die härtere Mischung, die Softpneus, um bei ihm ohne weiteren Stopp durchzukommen. Und der Brite raste als Fünfter vor Pérez und Vettel auf die Strecke. Verstappen ließ sich an seinem Red Bull in der 18. Runde wie auch Hamilton die Softs aufziehen – und kehrte ausgangs der Boxengasse sogar noch vor Vettel auf die Strecke zurück. „Die Reifen halten nicht bis zum Ende, wir waren wieder zu spät“, kritisierte Vettel, der vor zwei Wochen in Monza nur Vierter geworden war, die Ferrari-Entscheidung.
Sein Kommandostand verzockte sich. Bei fast 70 Prozent Luftfeuchtigkeit übernahm Hamilton in der 28. Runde wieder die Führung. Eine Attacke von Vettel musste Hamilton auch nicht mehr fürchten. Die Reifen am Ferrari bauten zu sehr ab. (dpa)