Auf der schiefen Bahn
Georunde zu einem Naturereignis
Das Bergdorf Sibratsgfäll liegt auf über 900 Metern Höhe im Bregenzerwald, eingebettet in einem sonnigen Talkessel zwischen imposanten Bergen des Naturparks Nagelfluhkette. Das 400-Einwohner-Örtchen ist frei vom Durchgangsverkehr und wirkt wie eine aus der Zeit gefallene Idylle.
Doch 1999 zeigte die Natur ihre gefährliche Seite. Zu Pfingsten rutschte ein Hang nach Dauerregen und Schneeschmelze im Schneckentempo ab und nahm dabei Bäume und Häuser mit – auf einer Fläche von 250 Fußballfeldern.
Die Berge hier bestehen hauptsächlich aus Flyschgestein. Und, wie der Name Flysch sagt, „fließt“hier die Landschaft. Deshalb ist der ganze Ort in Bewegung. 17 Gebäude wurden bei dem großen Rutsch zum großen Teil zerstört, dazu 6,1 Kilometer Straßen und Forstwege. 150 Tage lang bewegte sich der Berg. Tote oder Verletzte gab es glücklicherweise nicht.
Betroffen war auch „Felbers Haus“. Es war fast wie ein Wunder: Das ehemalige Ferienhaus glitt 18 Meter in Richtung Tal und überstand die Rutschpartie fast unbeschadet. Heute ist es eine Sehenswürdigkeit für die Bergwanderer. Sie kommen auf der Georunde Rindberg in Sibratsgfäll auch zu dem „Schiefen Haus“, das heute Museum ist und eine Ausstellung über den Erdrutsch beherbergt. Auf Schautafeln werden alle zerstörten Häuser dokumentiert, alte Fotos sind zu sehen und der Erdrutsch im Zeitraffer.
Schief sind auch die Installationen entlang des Weges. Bank, Tisch und Kubus haben Architekten und Gestalter aus dem Bregenzerwald entworfen. Für die „überzeugende Verbindung von Landschaft mit Architektur“erhielten sie 2017 den österreichischen Staatspreis für Design in der Kategorie Räumliche Gestaltung. Mit einem Augenzwinkern werden auf dem Wanderweg Fragen angesprochen wie „Was tue ich, wenn meine Welt aus den Fugen gerät?“oder „Wo sind meine Wurzeln?“. Lilo Solcher