Von der Suche nach der Säule
Smart setzt voll auf Strom, Skandinavien setzt voll auf Stromer: Warum eine Ausfahrt mit dem elektrifizierten Daimler-winzling durch Kopenhagen trotzdem einige Schwächen offenbart – und zwar am Auto wie auch an der Infrastruktur
Kopenhagen 15 Grad und strömender Regen sind gewiss nicht die optimalen Bedingungen für einen zehnminütigen Spaziergang durch Kopenhagen, bepackt mit Koffer und Laptop-tasche. Auf dem Weg von der Ladesäule zum Hotel werfen wir deshalb unweigerlich den ein oder anderen wehmütigen Blick auf all die Benziner, Diesel und Gasautos, deren Fahrer trockenen Fußes von der Zapfsäule zur Kasse spazieren, um nach wenigen Minuten wieder weiterzufahren – und dann wahrscheinlich direkt vor ihrer Haustür zu parken.
Selbst im vermeintlich grünen Skandinavien, das als Vorreiter der E-mobilität gilt, sind Ladesäulen mitunter Mangelware und, wer nicht über einen eigenen Stellplatz mit Steckdose verfügt, braucht immer noch reichlich grünes Gewissen und Pioniergeist. Und Geduld: Die ein oder andere Extra-runde gehört auch in Kopenhagen, das sich bis 2025 Co2-neutralität auf die Agenda geschrieben hat, dazu, um eine freie Ladesäule zu finden.
Zwar gibt es inzwischen Apps wie Plugsurfing oder Chargemap, die über Standorte und teilweise auch Belegung informieren. Doch die Informationen stimmen nicht immer. Und selbst wenn die angesteuerte Steckdose frei ist, drohen noch Überraschungen. Obwohl wir mit drei Ladekarten und einem separaten Chip ausgerüstet waren, wollte sich nicht jede Ladesäule zur Strom- überreden lassen. Von einem einheitlichen Zugangs- und Bezahlsystem kann man bislang ohnehin nur träumen.
Ob sich das alles in den nächsten zwei Jahren schlagartig ändert, bleibt abzuwarten. Der Entschluss der Daimler-tochter Smart steht dagegen fest: Mit der kommenden Fortwo-generation – also voraussichtlich ab 2020 – bietet die Marke keine Autos mehr mit Verbrenner an. Erfahrung mit dem E-antrieb haben die Schwaben reichlich, schon seit über zehn Jahren steht der Smart unter Strom. Vollends ausgereift wirkt dagegen auch Generation 3, die seit kurzem als Smart EQ auftritt, noch nicht. Ein Problem: die Reichweite. 160 Kilometer verspricht Smart, realistisch sind 120. Da überlegt man sich am Abend zwei Mal, ob man wirklich auf das Laden verzichten will. Zwar reicht der 17,6-kwh-akku in der Regel für zwei, drei Tage aus. Wer aber weiß schon, ob er am nächsten Tag nicht vielleicht spontan noch einen Abstecher zum Möbelhaus machen will? Mit 200 bis 300 möglichen Kiabgabe lometern im Akku – wie sie viele Konkurrenten mittlerweile bieten – ist man da deutlich entspannter.
Dazu kommt die eingeschränkte Rekuperationsmöglichkeit. Während der 60-kw-motor beim Fahren Energie aus der Batterie zieht, kann er beim Rollen und Bremsen wieder Strom zurückgewinnen und einspeisen. Bei den meisten E-autos lässt sich einstellen, wie stark man rekuperieren will, auf der höchsten Stufe lassen sich die meisten Autos in der Regel sogar nur mit dem Fahrpedal bedienen. Lässt man das los, verzögern die Stromer bis zum Stillstand. Die mechanische Bremse wird nur selten benötigt und entsprechend geschont. Der Smart rekuperiert freilich auch und erkennt dank eines Radars beispielsweise vorausfahrende Autos und nimmt dann Geschwindigkeit raus. Ein klassisches Ein-pedal-auto ist er aber nicht, und ohne auf die Bremse zu treten kommt der EQ nicht wirklich zum Stillstand.
Dabei schont maximale Rekuperationsleistung nicht nur die Umwelt, sondern auch den Geldbeutel. Die Bremsen halten länger, und der so zurückgewonnene Strom kostet nichts. Das ist vor allem in Skandinavien ein gutes Argument. An öffentlichen Ladesäulen werden manchmal bis zu 1,30 Euro pro Kilowattstunde aufgerufen – von denen der Smart mitunter 15 pro 100 Kilometer verbraucht oder umgerechnet rund 20 Euro. Da fährt fast jeder Benziner günstiger! Zumal E-auto-fahrer in Kopenhagen keine wirklichen Vorteile haben: Die Busspuren sind für sie genauso tabu wie für alle anderen Autos, und selbst wer an der Steckdose parkt und teuren Strom tankt, muss zusätzlich noch seine Parkgebühr bezahlen.
Smart-fahrer sind es gewohnt, ordentlich zur Kasse gebeten zu werden. Mindestens 21 490 Euro ruft die Daimler-tochter für den Basis-eq auf. Das ist happig, bedenkt man, dass Materialauswahl und Verarbeitung eher mittelmäßig sind und der Smart ab Werk nicht mal mit Infotainment-system vorfährt. Wenn sie schon alles auf die Elektro-karte setzen, müssen die Schwaben bei der nächsten Smartgeneration daran genauso arbeiten wie an der Akku-kapazität.