Auch ohne dem kranken Dirigenten grandios
Spontan springen zwei Sängerinnen bei „Briganori“ein. Der A-capella-Chor sprüht vor Sangesfreude. Manch eine(r) singt heimlich mit in der Binswanger Synagoge. Wie die Chormitglieder ihren Sinn für Humor beweisen
Binswangen Das graue Novemberwetter konnte die Besucher nicht abhalten. Sie strömten am Samstag scharenweise in die Alte Synagoge Binswangen, um A-cappella-Musik der besonderen Art zu genießen. Wird die Musikgattung „a cappella“weltweit vor allem von kleineren Ensembles gepflegt, so bestechen Chöre mit 25 und mehr Singstimmen wie „Briganori“durch die Fülle der Körperinstrumente, die Bandbreite der Songs und eine klare und offene Gesangsqualität. Und wenn ein solcher Chor noch bei passenden Songs instrumental unterstützt wird und den klangvollsten Konzertsaal des Landkreises qualitativ ausfüllen kann, dann erleben die Zuhörer eine musikalische Symbiose der Extraklasse.
Eine solche Extraklasse bieten die 25 Sängerinnen und Sänger mit ihren vier Instrumentalisten an diesem Abend, angereichert mit perfekten Choreografien, mehrstimmigen Kompositionen, coolen Variationen und sprühender Sangesfreude, die von Anfang an auf die zahlreichen Besucher überspringt. Dass Dirigent Konni Ehlich wegen Krankheit nicht dabei sein kann, führt im Vorfeld durchaus zu Überlegungen, das Konzert abzusagen. Doch die beiden Sängerinnen Beatrice Gabriel und Maria Fürst springen spontan ein, ohne je einen Chor geleitet zu haben. Ihre Courage und ihre erstaunliche Dirigentenkompetenz reißen den Chor mit und spornen ihn zu Höchstleistungen an. Allein schon die Programmauswahl verspricht einen hohen Begeisterungsfaktor, denn die Mischung aus Gospel, Pop und Jazz ist publikumswirksam ausgewählt. Ohrwürmer wie „Human“, „Lean on me“oder „Only you“lösen nicht nur Begeisterungsstürme aus, sondern verführen zum heimlichen Mitsingen, zumindest zum rhythmischen Einsatz eigener Körperinstrumente, wie man mit einem verstohlenen Blick zum Nachbarn sehen kann. Mit der Popballade „Übern See“oder dem rasanten Arvensik-Medley aus dem reichen musikalischen Schatz der Oberkrainer beweisen die Sängerinnen und Sänger nicht nur ihr ungemein breites musikalisches Können, sondern auch ihren Sinn für Humor, wenn sie mit Trachtenutensilien angetan Tanz- und Jodeleinlagen imitieren.
Dass „Briganori“in seiner gesanglichen Kompaktheit ohne Notenblätter auskommt und ungemein diszipliniert, aber doch locker und gelöst mehrstimmige Chorsätze ohne Brüche meistert und sämtliche Körperinstrumente beherrscht, zeugt von einer langjährigen, professionellen Schulung. Ohne die Geschlossenheit und das aufeinander Eingespieltsein des Chores schmälern zu wollen, verfügt er doch auch über hervorragende Einzelstimmen, wie vor allem Verena Käßmeier, Lori Böttcher und Christian Klinger bei ihren Solis beweisen. Ungemein beeindruckend gelingt die Kombination des lateinischen „Ecce“von Jakob Handl mit Michael Jacksons „Will you be There“, der Ruf nach Freiheit und die Sehnsucht, jemanden an seiner Seite zu haben, eindrucksvoll von Lori Böttcher und Christian Klinger im Duett interpretiert. Dem steht Verena Käßmeier mit ihren Soli zu „Love runs out“oder „Fix you“in nichts nach.
Briganoris Lieder und Songs erzählen vom Leben in Freiheit und Frieden, von der Sehnsucht nach einer besseren Welt, von der Liebe und der Leidenschaft. Und immer wieder appellieren sie an die Lebensfreude, die auch an diesem Abend zweieinhalb Stunden von der Bühne auf die zahlreichen Besucher überschwappt. Minutenlange stehende Ovationen und bunte Blumensträuße für die mutigen Dirigentinnen sind der verdiente Lohn für ein außergewöhnliches Konzertereignis in der Synagoge Binswangen, das die Kleinkunstbühne Lauterbach wieder einmal arrangiert hat.