Englische Studie gibt Pfrontener neue Hoffnung
Medizin Andre Sommer kam mit Missbildungen zur Welt. War ein Medikament daran schuld? Wie der 42-Jährige für Gerechtigkeit kämpft
Pfronten Das Ergebnis einer englischen Studie über das Hormonpräparat Duogynon weckt bei Andre Sommer aus Pfronten neue Hoffnung, doch noch Gerechtigkeit zu erfahren. Sommer setzt sich seit vielen Jahren für Betroffene ein, die wie er mit Missbildungen zur Welt kamen und dies auf die gleiche Ursache zurückführen: Ihre Mütter haben in der Schwangerschaft Duogynon eingenommen (wir berichteten mehrfach). Diesen Zusammenhang bestreitet der Bayer-Konzern, Rechtsnachfolger des Herstellers Schering, aber nach wie vor.
In der neuen Studie haben britische Wissenschaftler herausgefunden, dass es bei der Einnahme des Medikaments – in Großbritannien wurde es unter dem Namen Primodos verkauft – während der Schwangerschaft zu 40 Prozent mehr embryonalen Missbildungen kommt als ohne das Präparat. „Das ist ein Meilenstein“, sagt Sommer.
Bayer schließe Duogynon trotzdem nach wie vor als Ursache für embryonale Missbildungen aus, teilt Pressesprecher Oliver Renner auf Nachfrage mit und verweist auf frühere Studien sowie auf aktuelle Ergebnisse eines britischen Untersuchungsausschusses. Dieser hatte festgestellt, dass es keinen kausalen Zusammenhang gebe. Damit waren jedoch über 130 Abgeordnete des britischen Parlaments nicht einverstanden. Hauptkritikpunkt: Der Ausschuss wurde 2015 eingesetzt, um einen möglichen Zusammenhang zu überprüfen. Einen kausalen Zusammenhang nachzuweisen, sei ungleich schwerer, erläutert Sommer, der in engem Kontakt mit einer Mitstreiterin aus England steht. Premierministerin Theresa May setzte einen weiteren Ausschuss ein, der sich in der kommenden Woche unter anderem mit der neuen Studie befassen wird.
Was dabei herauskommt, erwartet Sommer mit Spannung. Er hofft, dass sich dadurch auch in Deutschland etwas bewegt. „Denn bislang macht die Bundesregierung gar nichts“, sagt der 42-jährige Ostallgäuer. Vor Gericht ist er bereits zweimal gescheitert. Die Urteile fußten jedoch nicht auf Schuld oder Unschuld. Sie bezogen sich auf ein einziges Kriterium: Verjährung. Denn der Streitpunkt, der den Grundschullehrer aus Pfronten 2011 und 2012 gegen den Bayer-Konzern vor Gericht ziehen ließ, lag damals bereits über 30 Jahre zurück.
Andre Sommer will eine Entschädigung für die Betroffenen erkämpfen – zum Beispiel über einen Fonds. Zudem wünscht er sich, dass endlich anerkannt wird, dass das Leiden vieler Menschen auf das Medikament Duogynon zurückzuführen ist, sagt er. In Deutschland gibt es nach seinen Angaben etwa 1000 Betroffene.
Sommer selbst kam mit massiven Fehlbildungen zur Welt. Seine Blase lag außerhalb des Körpers, die Genitalien waren deformiert. Bis heute musste er sich 15 großen Operationen unterziehen, er lebt mit einem künstlichen Blasenausgang. Derzeit geht es ihm gut, erzählt der Vater von drei Kindern. Kraft für seinen Kampf schöpft er aus der Unterstützung von anderen Betroffenen, die sehr unterschiedliche Schicksale haben. Etwa 600 von ihnen sind heute in einem Netzwerk organisiert, das Sommer koordiniert.