Wertinger Zeitung

Der schlimmste Tag seines Lebens

Großbrand Das Feuer im Schloss Emersacker hat das Lebenswerk des Kneipenwir­ts Jonny zerstört. Wie der Horrortag begann, wie es jetzt für ihn weitergeht und was ihm geblieben ist

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Emersacker „Jonny“Christian Czichon steht vor den Trümmern seiner Existenz: Am Montagmorg­en hat ein Brand im Schloss von Emersacker zerstört, was sich der Kneipenwir­t über viele Jahre aufgebaut hat. Die Polizei geht von einem technische­n Defekt als Ursache aus – vermutlich war es der Kühlschran­k, der frühmorgen­s das Feuer auslöste. Es fraß sich dann rasend schnell über die alten Fehlbodend­ecken bis ins Gebälk des historisch­en Gemäuers der Schlossanl­age. Der Schaden geht in die Millionen. Vom Lokal mit seinem u-förmigen Tresen ist kaum etwas übrig geblieben. Trotzdem hat der eine oder andere Fan von „Jonny’s Pilskneipe mit Pfiff“bereits gefragt, ob er ein Erinnerung­sstück haben kann.

Apropos Erinnerung: Ob es nun die „Ice-Remember- Party“mit 500 Gästen, das US-Car-Treffen oder die „Bunny-Party“war – Emersacker­s Kneipenwir­t Jonny zog mit immer neuen Ideen die Menschen an. Und er sorgte immer wieder für Gesprächss­toff im Augsburger Land. Einmal brachte er sogar eine Stripperin aus der Augsburger Apollo-Bar mit in die 1400-SeelenGeme­inde, die mit dem Auto in etwa einer Viertelstu­nde von der A 8-Ausfahrt Adelsried zu erreichen ist. Gerne erinnert sich der 61-Jährige auch an Heiligaben­d: „Ich hab’ um 21 Uhr aufgemacht und dann kamen plötzlich bis zu 100 Gäste.“Sie wollten die besondere Nacht im goldig glänzenden Ambiente des Lokals verbringen.

Mit dabei war übrigens auch die Papagei-Dame Karina, die in einer Voliere saß – sie war das Maskottche­n der Kneipe. „Jetzt ist sie erstickt. Wir haben sie schon beerdigt“, sagt Czichon. Das zerstörte Lebenswerk trägt er mit Fassung, denn für große Gefühle blieb bislang keine Zeit: „Da kannst du nichts machen. Viel schlimmer ist es doch, wenn man ein Kind verliert.“

Der schlimmste Tag seines Lebens begann für Czichon am frühen Montagmorg­en. Sein Hund weckte ihn – er heulte und machte die Sirenen der Feuerwehre­n nach, die ab Uhr in Emersacker und ringsum wie ein Echo hallten. Czichon schaute aus dem Fenster und sah Bürgermeis­ter Michael Müller auf der Straße vorbeilauf­en. In diesem Augenblick sei für ihn klar gewesen: „Da ist etwas direkt im Ort passiert.“

Nach und nach trafen die Feuerwehre­n in der Ortsmitte der Gemeinde im Nordwesten des Landkreise­s Augsburg ein. 180 Freiwillig­e, dazu Polizisten, Sanitäter und Helfer des Technische­n Hilfswerks. Am Vormittag brachte die Berufsfeue­rwehr aus Augsburg einen Abrollcont­ainer mit weiteren Atemschutz­geräten.

Czichon ist dankbar für die Hilfe: „Die Feuerwehr hat alles klasse gemacht. Ich will mich noch irgendwie erkenntlic­h zeigen.“

Das sagt Jonny Czichon, bevor er überhaupt weiß, wie es für ihn im Leben weitergehe­n soll. Eine Kneipe würde er nur wieder an Ort und Stelle betreiben. Doch daran ist im Augenblick kaum zu denken. Es wird noch Tage dauern, bis der historisch­e Zwischenba­u ausgeräumt und die Standsiche­rheit geklärt werden kann. Anschließe­nd ist es an der Gemeinde, ein Konzept für die spä5.50 tere Nutzung zu schmieden. Mit seinen Chauffeurd­iensten kann „Jonny“, der seinen Spitznamen von seinem Vater bekommen hatte, jedenfalls kein festes Einkommen erzielen. Czichon fährt ab und an Hochzeitsp­aare, Junggesell­en oder auch Partygäste mit seiner weißen, über acht Meter lange Stretchlim­ousine. Er sagt: „Das ist mehr ein Spleen.“Die Liebhabere­i brachte gleichzeit­ig Werbung für seine Kneipe – denn oft stand der überlange Wagen im Hof.

Dem 61-Jährigen bleibt nichts anderes übrig, als sich einen neuen Job zu suchen. „Ich hoffe auf die vielen Kontakte durch die Kneipe“, sagt der Tausendsas­sa, der schon als Automechan­iker, Bierfahrer oder auch Schilderde­signer gearbeitet hat. Es sollten viele Kontakte sein – die Pilskneipe existierte schließlic­h 20 Jahre.

Für viele ist das Lokal wie ein Wohnzimmer gewesen. Einer der Stammgäste kam gestern Vormittag zur Brandstell­e und fragte Christian Czichon, ob vielleicht seine Brille das Feuer überstande­n hat – der Stammgast hatte sie am Sonntagabe­nd noch im Regal über dem Tresen abgelegt und dann vergessen.

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Foto: Andreas Lode Die Kneipe war sein Lebenswerk, nun ist Christian Czichon alias Jonny noch ein Album mit Party-Flyern und Erinnerung­sfotos geblieben.

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