Bei Ledvance wird bereits ausgeräumt
Schließung Die meisten Mitarbeiter sind freigestellt. Auf dem Gelände in Augsburg rangieren Bagger und Gabelstapler. Dort stapeln sich Schutt und Anlagenteile. Das Ende des Lampenherstellers wird immer deutlicher
Augsburg Die bislang stets prall gefüllten Parkplätze vor dem Ledvance-Gelände in der Berliner Allee in Augsburg sind so gut wie leer. Von dem einstigen Kampf um den letzten freien Stellplatz ist nichts mehr zu sehen. Mittags ziehen auch keine Karawanen von Mitarbeitern mehr zum Essen in den nahegelegenen Supermarkt – und an den Fenstern der Büros sind die Pflanzen, die dem generell tristen Betriebsgelände einen kleinen Farbtupfer verliehen haben, verschwunden. Die Standortschließung des einstigen Lampenherstellers Ledvance (vormals Osram) zeichnet sich immer deutlicher ab. Und das, obwohl viele Verträge der rund 700 Beschäftigten eigentlich noch bis 31. Januar 2019 laufen.
Weil die Unternehmensleitung die Ledvance-Mitarbeiter aber frei gestellt hat, kommt seit einigen Tagen so gut wie keiner mehr zur Arbeit. Nur noch rund 170 Mitarbeiter des Maschinenbaus gehen nach wie vor ihrer Tätigkeit nach. Für rund 120 von ihnen ist erst Ende 2019 Schluss, weitere 50 bleiben bis Ende September 2020, berichtet der Betriebsrat. Auch er selbst ist noch im Einsatz und hat nach eigenen Angaben gut zu tun. Es gebe noch einiges zu besprechen und abzuwickeln.
Auch der Arbeitgeber Ledvance ist offenbar mit Aufräumarbeiten beschäftigt, das verrät der Blick durch den hohen Zaun rund um das Gelände. Von hier aus kann man beobachten, wie ein Gabelstapler regelmäßig aus Hallen und Gebäuden Berge von Schutt aufs Freigelände fährt, wo die Teile von einer hydraulischen Schere zerkleinert und auf Container verteilt werden. Was genau vor sich geht, lässt sich von außen nicht erkennen. Einen Besuch unserer Redaktion vor Ort hat Ledvance abgelehnt.
Wie aber seitens der IG Metall und von Mitarbeitern zu hören ist, werden das Glas- und Leuchtstofflampenwerk abgebaut, Maschinen entsorgt und Lager geleert. Mit jeder Stapler-Fuhre werde ein Stück Industriegeschichte zunichtegemacht. Erinnerungen werden zerstört. „Da fliegen Treppengeländer raus, aber auch Kühlschränke. Ich in einen reingeschaut und noch eine Fanta und ein altes Brot entdeckt. Das war ein ganz komisches Gefühl, letzte Spuren der Kollegen zu finden. Als hätten sie fluchtartig den Betrieb verlassen“, erzählt ein Betriebsrat.
Ein Kollege beschreibt die Stimmung auf dem Gelände als „gespenstisch“und dass es ihn traurig mache zu sehen, wie vieles, was man über Jahre aufgebaut und gepflegt habe, innerhalb weniger Minuten zerstört werde.
Manch bisheriger Mitarbeiter würde nicht mehr aufs Gelände zurückkommen oder hätte bei einem Besuch Tränen in den Augen, erzählen Betriebsratsvertreter. Sie können die Reaktionen sehr gut verstehen: „Es läuft einem schon kalt den Rücken runter, wenn sie rumlaufen und noch Tafeln entdecken, auf denen Auszüge aus dem Ideenmanagement hängen oder Pläne zur Ressourceneffizienz, also alles Dinge, mit denen man versucht hat, die Zukunft zu sichern – und im Hintergrund sehen sie, wie Produktionsstraßen abgebaut und entsorgt werden“, schildert es einer von ihnen.
Dass vielen Mitarbeitern der Abschied von ihrem bisherigen Arbeitgeber schwerfällt, hat auch ein Aktionstag bei der Agentur für Arbeit gezeigt. Hier konnten sich die betroffenen Beschäftigten bei einer extra organisierten Stellenbörse umsehen und Hilfestellung in Sachen Bewerbung bekommen. „Ich und viele Kollegen waren 30 Jahre und mehr im Betrieb. Das geht nicht spurlos an einem vorbei“, sagte einer der Betroffenen aufgewühlt. Aber alles Jammern habe keinen Wert. „Ich will damit abschließen, werde keinen Fuß mehr auf das Gelände setzen und mir etwas Neues suchen“, fährt er fort.
Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, sagt der Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Augsburg, Roland Fürst: „Der Arbeitsmarkt ist gut, wir haben fast 6000 offene Stellen im System – und die Ledhabe vance-Mitarbeiter werden aktiv von Unternehmen nachgefragt“, schildert Fürst die Lage. Dazu bietet die Agentur für Arbeit Qualifizierungsund Weiterbildungsmaßnahmen für die rund 200 ungelernten Kräfte an, um ihnen den Einstieg in einen neuen Job zu ermöglichen.
Ob am Ende tatsächlich alle oder zumindest die meisten LedvanceMitarbeiter wieder in Arbeit kommen, wird nicht einfach festzustellen sein: „Das werden wir in vielen Fällen nicht erfahren“, sagt ein Betriebsrat. Mit der schnellen Freistellung sei die Ledvance-Familie schließlich binnen kürzester Zeit auseinandergebrochen, der Kontakt nach vielen Jahren abgerissen. Was bleibt, sind die letzte Brotzeit, die noch im Kühlschrank liegt, und Erinnerungen, die die verbliebenen Beschäftigten beim Gang über das Gelände des einst stolzen Werks festzuhalten versuchen.
Bei Ledvance selbst sieht man das Prozedere dagegen völlig emotionslos: „Wir machen gerade besenrein. Für das Gelände oder die Gebäude gibt es noch keine Pläne“, so ein Unternehmenssprecher.
„Wir machen gerade besenrein.“
Ein Sprecher von Ledvance