CDU ist in Merkel-Nachfolge tief gespalten
Parteitag Die Nervosität vor der Wahl des Parteivorsitzes heute in Hamburg ist groß
Hamburg/München Die einen sprechen von einer neuen Lebendigkeit: „Hamburg wird in die Geschichtsbücher eingehen – einen Wettstreit von mehreren Personen um den Parteivorsitz, das hat es ja seit mehr als 40 Jahren nicht gegeben“, jubelt Thomas Strobl, Mitglied des CDUVorstands. Die anderen hoffen auf eine Schärfung des konservativen Profils: „Die anstehende Entscheidung über den Bundesvorsitz ist für die CDU eine fast historische Chance, die dringend notwendige Kurskorrektur vorzunehmen“, prophezeit Alexander Mitsch, Vorsitzender der konservativen Werteunion. Doch vor der Wahl des neuen CDUVorsitzenden heute in Hamburg wird auch die Lagerbildung innerhalb der CDU immer deutlicher. „Wichtig ist – und das wissen, glaube ich, alle drei Kandidaten – dass die CDU auch nach der Wahl morgen geschlossen bleibt“, mahnt Kandidatin Annegret Kramp-Karrenbauer. Angela Merkel selbst sagte gestern, sie sei „sehr dankbar“für die letzten 18 Jahre als Parteivorsitzende. Befragt nach den Äußerungen von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, der Merz favorisiert hatte, sprach Merkel von einem demokratischen Vorgang in einer „lebendigen Meinungslandschaft“.
Doch hinter den Kulissen wird gerungen: „Einer Umfrage von INSA zufolge würde es Merz gelingen, Wähler von der FDP, der AfD und Nichtwähler zur Union zurückzuholen und diese so wieder auf rund 40 Prozent zu bringen“, sagt der Konservative Mitsch und schießt scharf gegen die Konkurrentin: Unter Kramp-Karrenbauer als Generalsekretärin habe die CDU hingegen deutlich verloren.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier kritisiert unterdessen die Wahlempfehlung von Schäuble für Merz. Er selbst habe seine Präferenz für Kramp-Karrenbauer bislang aus Respekt vor den Delegierten nicht öffentlich geäußert, sagte Altmaier der Rheinischen Post.
Der Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter warnte die CDU vor Diskussionen über mögliche Spaltungstendenzen, die aus der eigenen Partei heraus geführt werden. Sie könnten als Nachweis der These missbraucht werden, dass sich die Volksparteien überlebt hätten. Er schloss nicht aus, dass dies so weit führen könne, dass die CDU einen ähnlichen Niedergang erlebt wie die SPD. Der Münchner Politologe Werner Weidenfeld glaubt hingegen nicht, dass neue Gräben aufgerissen werden. Er rechnet damit, dass die unterlegenen Kandidaten am Ende dem Sieger Beifall klatschen und versuchen werden, ein harmonisches Bild abzugeben. Beide Politikexperten rechnen damit, dass die Parteitagsreden der drei Bewerber sehr entscheidend für den Ausgang der Wahl werden könnten.
In der CSU gibt man sich nach außen zurückhaltend. Der designierte CSU-Vorsitzende, Ministerpräsident Markus Söder, hat schon vor einiger Zeit verlauten lassen, dass ihm jeder der drei Kandidaten für den CDU-Parteivorsitz recht wäre. Er komme mit jedem klar. Mehr will er dazu nicht sagen. Allerdings ist es kein Geheimnis, dass die Stimmung in der CSU tendenziell pro Merz ist. Die inhaltliche Übereinstimmung etwa in der Wirtschaftspolitik oder in Fragen der inneren Sicherheit sei größer als mit Annegret Kramp-Karrenbauer, heißt es aus dem Vorstand.
Eine gute Nachricht gibt es für die CDU schon: Im Deutschlandtrend gewinnt die Union von CDU und CSU vier Prozentpunkte hinzu und kommt auf 30 Prozent. SPD und AfD bleiben stabil bei jeweils 14 Prozent. Die Grünen verlieren und kommen auf 20 Prozent.
Lesen Sie dazu unseren Leitartikel und ein Interview auf Politik.