Napoleonstanne: Das Ende einer Ära
Entscheidung Am Mittwoch beschloss der Stadtrat, dass der historische Baum an der Anhöhe über Gottmannshofen endgültig gefällt werden soll. Wie es nun weitergeht
Wertingen Das Ende der Napoleonstanne ist besiegelt. Lange hatten Stadtrat und Bürger überlegt, was mit dem über hundert Jahre alten Baum in Gottmannshofen passieren könnte. Am Mittwochabend entschied der Wertinger Stadtrat in nicht öffentlicher Sitzung einstimmig, dass das Naturdenkmal gefällt werden soll. Rund vier Meter des Baumstamms sollen aber bestehen bleiben. Ideen gibt es dazu mehrere.
Ein trockener Sommer gab der Napoleonstanne – die eigentlich eine Fichte ist – den Rest, und der Baum starb ab (wir berichteten). Seit Jahren war der Baum ein beliebter Treffpunkt der Zusamtaler. Kinder tobten unter dem heimlichen Wahrzeichen Wertingens und Liebende küssten sich darunter mit einem herrlichen Blick auf die Stadt.
Doch die Stadtverwaltung sah die Gefahr des Astbruchs und wollte den Baum zeitnah fällen. An seine Stelle soll die „Napoleonstanne 2“rücken. Schüler des Wertinger Gymnasiums sammelten im Rahmen des Projekts „Atmosfair“2000 Euro an Spenden und ermöglichten so den Erwerb der neuen Tanne. Feierlich wurde der winzige Tannen-Bruder im Oktober schließlich eingeweiht.
Alles scheint klar: An die Stelle der alten Napoleonstanne tritt die neue. Bis der Materialwissenschaftler Professor Dr. Michael Heine auf den toten Baum aufmerksam wird. Er macht der Stadt einen Vorschlag, um das Naturdenkmal noch für weitere Generationen zu bewahren – der weltweit einzigartig wäre. Gemeinsam mit Franz Weißgerber der Firma iii-Carbon will er ein stützendes Korsett aus Carbon an den Baum anlegen (wir berichteten). „Durch die Verwitterung könnte ein eindrucksvolles Natur-Kunstwerk entstehen, das im Ensemble mit der nachgepflanzten Küstentanne einzigartig ist“, sagte Heine damals im Interview mit unserer Zeitung. Außerdem sei ein toter Baum, der noch steht, ein hervorragender Beitrag zu einem guten Ökosystem, betont Heine. „Ein toter Baum beherbergt rund 5000 Insekten.“
Heine will sein Konzept schließlich im Stadtrat vorstellen. Doch dazu kommt es nicht. „Bis 24. Oktober sollte ein Konzept vorliegen“, berichtet Ludwig Klingler, Referent des Stadtrats für Umwelt und Ökologie. Doch auch bei der Sitzung am Mittwoch liegt dem Stadtrat noch nichts vor. Heine sagt, dass er noch mehr Zeit gebraucht hätte, um die Präsentation fertigzustellen. Und auch andere offene Fragen, wie etwa die verkehrsrechtlichen Bedenken der Stadt oder wer die Kosten für das Stützkorsett trägt, seien nicht geklärt. „Für uns war von Anfang an klar, dass das nichts kosten darf“, betont Lehmeier am Tag nach der entscheidenden Sitzung. Laut Heine hätte sich der Geschäftsführer der Firma iii-Carbon, Peter Weißgerber, bereit erklärt, die Kosten zu tragen. Denn die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die man im Bereich der Statik und Wettereinwirkung aus der Arbeit mit der alten Napole- onstanne gewonnen hätte, wären laut Heine enorm gewesen. Die Daten wären durch eine Drohne ermittelt worden, die den Baum mit speziellen Kameras abtastet.
Ein Ort der Kultur soll der Platz an der Napoleonstanne aber weiterhin bleiben, betont Umweltreferent Klingler. Und auch tausende Insekten werden in dem Baumstamm der alten Tanne einen Lebensraum finden. „Aus ökologischen Gesichtspunkten ist die Fällung bis auf vier Meter das Sinnvollste“, erklärt Klingler. Womöglich werde der Baumstamm noch von einem Künstler schön gestaltet. Den toten Baum mithilfe eines teuren Carbongerüsts komplett erhalten wollte der Stadtrat dagegen nicht. „Wir haben unisono gesagt, dass das keinen Mehrwert für Wertingen hätte“, erklärt Bürgermeister Lehmeier am Tag nach der Sitzung.
Wie lange die Zusamtaler der alten Tanne hinterhertrauern und wie schnell sie sich an den kleinen, neuen Bruder gewöhnen, wird sich zeigen. An Silvester wird wohl eine der letzten Möglichkeiten sein, sich mit einem fantastischen Blick über Wertingen vom Original zu verabschieden. Denn im neuen Jahr soll die Napoleonstanne gefällt werden.