Wertinger Zeitung

Napoleonst­anne: Das Ende einer Ära

Entscheidu­ng Am Mittwoch beschloss der Stadtrat, dass der historisch­e Baum an der Anhöhe über Gottmannsh­ofen endgültig gefällt werden soll. Wie es nun weitergeht

- VON ALEXANDER MILLAUER

Wertingen Das Ende der Napoleonst­anne ist besiegelt. Lange hatten Stadtrat und Bürger überlegt, was mit dem über hundert Jahre alten Baum in Gottmannsh­ofen passieren könnte. Am Mittwochab­end entschied der Wertinger Stadtrat in nicht öffentlich­er Sitzung einstimmig, dass das Naturdenkm­al gefällt werden soll. Rund vier Meter des Baumstamms sollen aber bestehen bleiben. Ideen gibt es dazu mehrere.

Ein trockener Sommer gab der Napoleonst­anne – die eigentlich eine Fichte ist – den Rest, und der Baum starb ab (wir berichtete­n). Seit Jahren war der Baum ein beliebter Treffpunkt der Zusamtaler. Kinder tobten unter dem heimlichen Wahrzeiche­n Wertingens und Liebende küssten sich darunter mit einem herrlichen Blick auf die Stadt.

Doch die Stadtverwa­ltung sah die Gefahr des Astbruchs und wollte den Baum zeitnah fällen. An seine Stelle soll die „Napoleonst­anne 2“rücken. Schüler des Wertinger Gymnasiums sammelten im Rahmen des Projekts „Atmosfair“2000 Euro an Spenden und ermöglicht­en so den Erwerb der neuen Tanne. Feierlich wurde der winzige Tannen-Bruder im Oktober schließlic­h eingeweiht.

Alles scheint klar: An die Stelle der alten Napoleonst­anne tritt die neue. Bis der Materialwi­ssenschaft­ler Professor Dr. Michael Heine auf den toten Baum aufmerksam wird. Er macht der Stadt einen Vorschlag, um das Naturdenkm­al noch für weitere Generation­en zu bewahren – der weltweit einzigarti­g wäre. Gemeinsam mit Franz Weißgerber der Firma iii-Carbon will er ein stützendes Korsett aus Carbon an den Baum anlegen (wir berichtete­n). „Durch die Verwitteru­ng könnte ein eindrucksv­olles Natur-Kunstwerk entstehen, das im Ensemble mit der nachgepfla­nzten Küstentann­e einzigarti­g ist“, sagte Heine damals im Interview mit unserer Zeitung. Außerdem sei ein toter Baum, der noch steht, ein hervorrage­nder Beitrag zu einem guten Ökosystem, betont Heine. „Ein toter Baum beherbergt rund 5000 Insekten.“

Heine will sein Konzept schließlic­h im Stadtrat vorstellen. Doch dazu kommt es nicht. „Bis 24. Oktober sollte ein Konzept vorliegen“, berichtet Ludwig Klingler, Referent des Stadtrats für Umwelt und Ökologie. Doch auch bei der Sitzung am Mittwoch liegt dem Stadtrat noch nichts vor. Heine sagt, dass er noch mehr Zeit gebraucht hätte, um die Präsentati­on fertigzust­ellen. Und auch andere offene Fragen, wie etwa die verkehrsre­chtlichen Bedenken der Stadt oder wer die Kosten für das Stützkorse­tt trägt, seien nicht geklärt. „Für uns war von Anfang an klar, dass das nichts kosten darf“, betont Lehmeier am Tag nach der entscheide­nden Sitzung. Laut Heine hätte sich der Geschäftsf­ührer der Firma iii-Carbon, Peter Weißgerber, bereit erklärt, die Kosten zu tragen. Denn die wissenscha­ftlichen Erkenntnis­se, die man im Bereich der Statik und Wettereinw­irkung aus der Arbeit mit der alten Napole- onstanne gewonnen hätte, wären laut Heine enorm gewesen. Die Daten wären durch eine Drohne ermittelt worden, die den Baum mit speziellen Kameras abtastet.

Ein Ort der Kultur soll der Platz an der Napoleonst­anne aber weiterhin bleiben, betont Umweltrefe­rent Klingler. Und auch tausende Insekten werden in dem Baumstamm der alten Tanne einen Lebensraum finden. „Aus ökologisch­en Gesichtspu­nkten ist die Fällung bis auf vier Meter das Sinnvollst­e“, erklärt Klingler. Womöglich werde der Baumstamm noch von einem Künstler schön gestaltet. Den toten Baum mithilfe eines teuren Carbongerü­sts komplett erhalten wollte der Stadtrat dagegen nicht. „Wir haben unisono gesagt, dass das keinen Mehrwert für Wertingen hätte“, erklärt Bürgermeis­ter Lehmeier am Tag nach der Sitzung.

Wie lange die Zusamtaler der alten Tanne hinterhert­rauern und wie schnell sie sich an den kleinen, neuen Bruder gewöhnen, wird sich zeigen. An Silvester wird wohl eine der letzten Möglichkei­ten sein, sich mit einem fantastisc­hen Blick über Wertingen vom Original zu verabschie­den. Denn im neuen Jahr soll die Napoleonst­anne gefällt werden.

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Foto:Millauer Noch steht im Hintergrun­d die über hundert Jahre alte Napoleonst­anne. Doch sie soll bis auf rund vier Meter gefällt werden. Die kleine „Napoleonst­anne 2“wurde im Oktober von Schülern des Gymnasiums gepflanzt.

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