Arbeiter planen Aktion bei Haindl-Papierfabrik
Insolvenz Betriebsrat der Gersthofer Backbetriebe bricht Gespräche ab, Proteste werden verschärft
Gersthofen Das Hoffen und Bangen eine Woche vor Weihnachten: Die etwa 400 Beschäftigten der Gersthofer Backbetriebe wissen nicht, wie es in den kommenden Wochen für sie weiter geht. Am Freitag wurde die zweite Verhandlungsrunde über einen Interessenausgleich und den Sozialplan vom Betriebsrat abgebrochen. Ein betroffener Mitarbeiter sagte: „Wir wollen keine Almosen, wir wollen unser Geld zurück, auf das wir verzichtet haben. Die Lohnerhöhung, bezahlten Umkleidezeiten, die versprochene Treueprämie. Darauf haben die Kollegen verzichtet. Das Geld steht uns zu.“
In den Gesprächen zwischen Geschäftsführung, Insolvenzverwalter und Betriebsrat ging es hauptsächlich um den Betrag, den die SerafinUnternehmensgruppe freiwillig den Beschäftigten auszahlen will. 1,5 Millionen Euro hatte Geschäftsführer Philipp Haindl versprochen. Die Unternehmensgruppe hatte vor vier Jahren die Großbäckerei und das Lechbäck-Filialnetz übernommen.
Tim Lubecki von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten kommentierte die Gespräche so: „1,5 Millionen klingen gut. Aber das Angebot von Serafin reicht nicht. Viele Kollegen haben Probleme, einen neuen Job zu finden. Sie benötigen Sprachkurse und Weiterbildung, sonst stehen sie auf der Straße.“Er bezeichnete die Situation als „dramatisch“– vor allem für die vielen Hilfskräfte, die seit Jahrzehnten für die Gersthofer arbeiten.
Der Betriebsrat hielt während der Verhandlungen am Freitag immer engen Kontakt zu den rund 100 Beschäftigten, die sich an der Mahnwache auf dem Werksgelände im Gersthofer Industriegebiet beteiligten. Deren Meinung war eindeutig: Das Angebot von Serafin, eineinhalb Millionen Euro für die 400 betroffenen Beschäftigten zur Verfügung zu stellen, sei „unzureichend“und müsse deshalb abgelehnt werden.
Der Betriebsrat hatte sich laut Gewerkschaft NGG zwar bereit erklärt, den Sozialplan zu unterzeichnen – allerdings nur, wenn das Gesamtpaket stimmt. Auch die Gewerkschaft hat keine Einwände. Aber: Der Betriebsrat möchte nichts unterzeichnen, was den Beschäftigten nichts bringt – außer der sicheren Kündigung. Der Hintergrund: Nach Abschluss eines Sozialplans können die Gersthofer Backbetriebe die Kündigungen aussprechen.
Die 100 Beschäftigten bei der Mahnwache waren sich außerdem einig: Bei den Gesprächen muss ein Vertreter der Serafin an den Tisch. Der hatte am Freitag gefehlt. Ohne ihn machten die Gespräche keinen Sinn. Lubecki: „Erst wenn sich jemand von Serafin an den Tisch setzt, wird weiterverhandelt.“
Die Münchner Unternehmensgruppe hatte in dieser Woche angekündigt, mit 500000 Euro das ausstehende Weihnachtsgeld sowie den geschuldeten Dezember-Lohn kurzfristig auszuzahlen. Der restliche Betrag von rund einer Million Euro stehe für weitere Zahlungen an die Betroffenen zur Verfügung. Das Geld werde von einem Treuhänder ausgezahlt, sobald die Verhandlungen zwischen Insolvenzverwalter und Betriebsrat abgeschlossen sind. Von dieser Regelung ausgeschlossen seien die Mitarbeiterinnen der Tochter „Lechbäck“. Für sie werde eine separate Lösung erarbeitet. Aktuell bekommen die betroffenen 80 Beschäftigten ihre Löhne aus dem Insolvenzgeld.
Am Montag findet eine religionsübergreifende „Gedenkfeier für die 480 Beschäftigten in großer Not“statt (11.30 bis 12.15 Uhr bei den Haindl´schen Stiftungshäusern, Klauckstraße 1). Ein muslimischer Prediger wird die Sure 94 aus dem Koran vorstellen – das ist die Sure der Erleichterung. Präses Georg Steinmetz von der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) wird zusammen mit Ulrich Gottwald vom kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) aus dem Lobgesang der Maria die Stelle interpretieren, bei der es um Reichtum, Armut und Macht und Ohnmacht geht. Die Haindl’schen Stiftungshäusern bildeten eine kleine Werkssiedlung, die ursprünglich den Beschäftigten der Haindl’schen Papierfabriken als Unterkunft dienten. Für die Gewerkschaft sei es ein „guter Ort, der für die soziale Verantwortung der Unternehmerfamilie Haindl steht“.
Ein Spross der Unternehmerfamilie Haindl ist Philipp Haindl, der als Hauptgesellschafter hinter Serafin steht. Die Unternehmerfamilie ist bekannt durch die Papierfabrik, die sie in Augsburg betrieb und im Jahr 2001 an den UPM-Konzern verkauft hat. Ein anderer bekannter Augsburger aus der Familie, Georg Haindl, hat mit Philipp Haindl beruflich nichts zu tun.
Am Dienstag soll es eine Demonstration in München vor dem Serafin-Hauptsitz geben.