OP-Nadel im Bauch
Prozess Eine Frau aus Aalen gewinnt vor Gericht gegen die Bundesrepublik
Stuttgart/Ulm Vor viereinhalb Jahren haben Ärzte eine fast zwei Zentimeter lange Operationsnadel im Unterleib einer Patientin vergessen. Nun bekommt die 30 Jahre alte Frau Schmerzensgeld. Das Oberlandesgericht Stuttgart verpflichtete die Bundesrepublik als Trägerin des Bundeswehrkrankenhauses Ulm, in dem der Fehler passierte, zur Zahlung von 10000 Euro an Nicole S. aus Aalen. Weiter erhält die Klägerin die bisher entstandenen materiellen Schäden von rund 2000 Euro erstattet.
„Ich lebe mit erheblichen Einschränkungen, jeden Tag“, erklärte die 30-Jährige vergangene Woche in der mündlichen Verhandlung. Aktuell liege die Nadel tief in einem Lendenmuskel. Schmerzen verursacht der im Körper wandernde Fremdkörper offenbar nicht. Allerdings muss sich die Frau regelmäßig röntgen lassen und soll auf medizinisches Anraten hin Aktivitäten mit Sturzrisiko unterlassen. Weder könne sie mit ihren beiden Kindern Reiten noch Inliner fahren, klagte die Betreiberin eines Nagelstudios vor Gericht. Entfernen lassen will sie sich das Metallteil aber nicht. Jede Operation sei ein Risiko, sagte sie, außerdem hätten ihr Ärzte davon abgeraten.
Der Senat des Oberlandesgerichtes wertete in seinem am Donnerstag gefällten Urteil das Zurücklassen der Nadel als schuldhaften Behandlungsfehler. Ärzte müssten alle möglichen und zumutbaren Sicherheitsvorkehrungen gegen das Vergessen von Fremdkörpern im Operationsgebiet treffen und die Instrumente auf ihre Vollständigkeit prüfen. Diese Handlungsempfehlungen mit dem Titel „Jeder Tupfer zählt“habe das Bundesgesundheitsministerium bereits 2010 veröffentlicht. Daher sei es befremdlich, so die Richter, dass die Bundesrepublik nun vor Gericht argumentierte, sie sei vier Jahre nach Veröffentlichung dieser Empfehlungen nicht zu Zählkontrollen bei Operationen verpflichtet.
Das Oberlandesgericht hat mit seiner Entscheidung das vom Ulmer Landgericht in der Vorinstanz festgesetzte Schmerzensgeld um 3000 Euro vermindert. Der Vorsitzende Richter Wolfgang Reder begründete dies mit dem Hinweis, dass die zurückgelassene Nadel keine direkten Schmerzen verursacht.
Der behandelnde Arzt kann sich das Versäumnis bis heute nicht erklären. Er habe zum Vernähen der Wunde vier Nadeln eingesetzt, jeweils an den Enden der Fäden. Wie eine davon im Körper zurückbleiben konnte, sei ihm unklar.