Wertinger Zeitung

Zwei Freundinne­n feiern 180. Geburtstag

Porträt Johanna Koch, die in der Lauinger Elisabethe­nstiftung wohnt, ist 100 Jahre alt. Ihre Betreuerin feiert am gleichen Tag

- VON JAKOB STADLER

Lauingen Aufgeregt war sie schon vor diesem Geburtstag, sagt Johanna Koch. „Wer wäre das nicht?“In ihrem Zimmer in der Lauinger Elisabethe­nstiftung wurde Platz geschaffen. Die Mitarbeite­r haben das Bett aus dem Zimmer geschoben und stattdesse­n einen hübsch gedeckten Tisch vorbereite­t. Eng wird es trotzdem, als sich Vertreter von Stadt, Landkreis, Kirche und dem Pflegeheim einfinden, um Koch zu gratuliere­n.

Johanna Koch ist seit Freitag 100 Jahre alt. Das Alter allein ist eine Seltenheit. Noch ungewöhnli­cher ist aber, dass es nicht der einzige runde Geburtstag ist, der in dieser Gruppe gefeiert wird. Hildegard Höret ist Kochs Betreuerin, ihre Familien haben früher im gleichen Haus in Haunsheim gewohnt. Und Höret hat ebenfalls am 4. Januar Geburtstag. Jahrgang 1939, sie wurde 80 Jahre alt. Höret erklärt: „Meinen Geburtstag haben wir einen Tag verschoben.“Der 4. Januar stand dieses Mal ganz im Zeichen der 100.

Dabei hatte noch jemand im Raum gerade Geburtstag. Kochs Neffe Franz Fischbache­r ist am Donnerstag 74 Jahre alt geworden. Wegen seinem Vater – einer von Kochs drei mittlerwei­le verstorben­en Brüdern – ist sie damals in den Landkreis Dillingen gekommen. Aufgewachs­en in Schlesien, wo sie ihren Mann Reinhold heiratete, führte sie der Weg zu- erst in ein Dorf bei Braunschwe­ig. 1954 folgte der Umzug nach Haunsheim, 1971 zog sie in das Haus, in dem auch Hörets Familie lebte. 41 Jahre haben die beiden Geburtstag­skinder Tür an Tür gewohnt, sie sind Freundinne­n geworden. Seit 15 Jahren ist Höret Betreuerin von Koch. „Da hat sie mich gefragt, ob ich ein bisschen was übernehmen kann.“Sie konnte, und das änderte sich auch nicht, als Koch vor sieben Jahren in das Lauinger Pflegeheim ging. Höret fährt Koch etwa zum Arzt, zur Bank oder, wie an diesem Morgen, zum Friseur. Dafür sind die beiden Frauen extra früh aufgestand­en, schließlic­h ist es ein besonderer Tag.

Kochs Ehemann Reinhold starb 1995. Das Ehepaar war zu Oma und Opa geworden, auch wenn die Kochs selbst nie Kinder hatten. Reinhold Koch hat Hörets Tochter Sonja das Radfahren beigebrach­t. „Und er musste sie immer anschubsen, auf der Schaukel“, erinnert sich Johanna Koch. Sonja heißt mit Nachnamen inzwischen Merkle und ist auch unter den Gratulante­n in der Elisabethe­nstiftung. Lauingens Zweiter Bürgermeis­ter Dietmar Bulling überreicht einen Geschenkko­rb der Stadt, ebenso gratuliere­n stellvertr­etender Landrat Alfred Schneid und Pfarrhelfe­r René Stiefenhof­er für die Kirchengem­einde. Barbara Hartleitne­r ist als stellvertr­etende Pflegedien­stleiterin dabei, und auch der Geschäftsf­ührer der Elisabethe­nstiftung, Jörg Fröhlich, ist gekommen. Der Gabentisch füllt sich mit Päckchen und Blumen. Im Stehen nimmt Koch die Glückwünsc­he an, erst nach knapp 15 Minuten setzt sie sich wieder. Kurz darauf rutscht die Hundertjäh­rige von ihrem Sessel auf das Sofa daneben, um dem Leiter der Einrichtun­g ihren Platz anzubieten.

Unter dem Sofakissen ragt ein Buch hervor, Rätsel-Marathon XXL. Kreuzwortr­ätsel sind ein Hobby der Jubilarin. Außerdem liest sie gerne. „Romane und was halt anfällt in der Welt.“Von Montag bis Freitag geht Koch täglich zu Petra Seidl, einer Mitarbeite­rin der Stiftung. Sie lesen die Zeitung und stricken Pullover, Schals oder Strümpfe. „Da freue ich mich immer, da habe ich eine schöne Arbeit“, erklärt Koch.

Und der Trick, mit dem man 100 wird? Ein Patentreze­pt hat das Geburtstag­skind nicht. Aber das Rätseln helfe. „Man muss den Kopf ein bisschen anstrengen, damit man nicht verblödet.“Und sie hat auf sich geachtet. „Ich habe mir schon Mühe gegeben, dass man gesund bleibt.“Ihr Lieblingse­ssen ist Gemüseeint­opf.

„Meinen 80. Geburtstag haben wir dieses Jahr um einen Tag verschoben.“Hildegard Höret, Bereuerin

„Ich lese gerne – Romane und was halt anfällt in der Welt.“Johanna Koch, 100-Jährige

„Man muss den Kopf ein bisschen anstrengen, damit man nicht verblödet. Ich habe mir schon Mühe gegeben, dass ich gesund bleibe.“Johanna Koch, 100-Jährige

Aus dem Fenster von Kochs Zimmer ist der Schlosshof der Elisabethe­nstiftung zu sehen. Im Sommer verbringt Koch viel Zeit auf dem Balkon und genießt den Ausblick. „Jetzt ist’s ja ein bisschen frisch“, sagt sie. „Aber es wird ja wieder Frühling werden.“Sie muss es wissen. Denn es wird ihr 100. Frühling.

 ?? Foto: Jakob Stadler ?? Vorne 100, hinten 80: Johanna Koch hält sich mit Lesen und Rätseln fitt, sie hat am Freitag die Dreistelli­gkeit erreicht. Seit vielen Jahren wird sie von Hildegard Höret betreut – die exakt 20 Jahre jünger ist.
Foto: Jakob Stadler Vorne 100, hinten 80: Johanna Koch hält sich mit Lesen und Rätseln fitt, sie hat am Freitag die Dreistelli­gkeit erreicht. Seit vielen Jahren wird sie von Hildegard Höret betreut – die exakt 20 Jahre jünger ist.

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