Wertinger Zeitung

Kosmetik von der Klosterher­rin

Unternehme­r aus der Region Martina Gebhardt gehört zu den bekanntest­en Bio-Pionieren des Landes. Ihre Cremes und Lotionen verkauft sie in die ganze Welt. Nebenbei ist die Unternehme­rin auch noch Besitzerin eines berühmten Anwesens

- VON SARAH SCHIERACK

Wessobrunn Das Erste, was Martina Gebhardt auffällt, ist der Staub. Eine feine Schicht hat sich auf die dunklen Apothekers­chränke gelegt, auch das Parkett ist mit einem grauen Film überzogen. Nebenan wird gerade renoviert, das geht nicht spurlos an den anderen Räumen vorbei. Gebhardt seufzt kurz, denn das Zimmer muss irgendwann schließlic­h auch wieder sauber gemacht werden. Aber eigentlich, sagt sie, hat sie sich längst daran gewöhnt, dass immer irgendwo in dem weiträumig­en Gebäude gebaut wird. Das gehört zu ihrem Alltag. Dem Alltag einer Klosterher­rin.

Seit etwas mehr als vier Jahren ist Gebhardt, silbernes Haar, herzliches Lächeln, Besitzerin des Klosters Wessobrunn, eines Anwesens mit über 1000 Jahren Geschichte, idyllisch gelegen im Südwesten des Ammersees. Draußen ist der erste Schnee gefallen, drinnen führt Gebhardt vorbei an schweren Holztüren und prachtvoll­en Stuckeleme­nten im Fürstentra­kt. Ab dem

Ende des 17. Jahrhunder­ts wurden hier, in den Werkstätte­n des Klosters, mehr als 600 Stuckateur­e, Baumeister und Kupferstec­her ausgebilde­t, Spuren der „Wessobrunn­er Schule“findet man auf der ganzen Welt.

Als Martina Gebhardt das Kloster übernahm, war das auch aus diesem Grund eine kleine Sensation: Eine Unternehme­rin, die ein derart geschichts­trächtiges Gemäuer kauft, 10000 Quadratmet­er Fläche, dazu ein ausgedehnt­er Garten. Ein Dutzend Journalist­en sind dabei, als die Tutzinger Missions-Benediktin­erinnen, die nach 99 Jahren aus dem Kloster ausgezogen sind, Gebhardt 2014 den Schlüssel überreiche­n. Wenn die Unternehme­rin darüber spricht, klingt die ganze Sache ein wenig nüchterner. Sie war auf der Suche nach einem neuen Produktion­sgebäude. Neu bauen wollte sie aber nicht. „Für mich kam es nie in Frage, eine neue Halle auf die grüne Wiese zu stellen“, sagt Gebhardt. Stattdesse­n wollte sie ein Haus mit Geschichte beziehen. In Wessobrunn, nicht weit von ihrem Firmensitz, wurde sie fündig.

Einen Teil des Klosters nutzt bis heute die Pfarrei Wessobrunn, den Rest hat Gebhardt mit ihrer Naturkosme­tik-Firma bezogen. Seit über 30 Jahren verkauft die Bio-Pionierin Cremes und Lotionen, war die erste Unternehme­rin, deren Kosmetikma­rke vom Bio-Anbauverba­nd Demeter zertifizie­rt wurde. Ihre 140 Produkte liefert sie heute in die ganze Welt. Die Kosmetik stellen Gebhardts rund 60 Mitarbeite­r aus Heilpflanz­en, ätherische­n Ölen oder auch Bienenwach­s her. Alle Zutaten stammen aus der Natur. Rein theoretisc­h, sagt Gebhardt, wären die Cremes sogar essbar.

Lange Jahre beherbergt­e ein 850 Jahre alter Bauernhof im sechs Kilometer entfernten Pessenhaus­en die ganze Firma. Aber irgendwann wurde es zu eng für die Mitarbeite­r. Der Vertrieb ist bereits in das Kloster umgezogen, die Produktion sitzt noch immer in dem Bauernhof. Im ehemaligen Schwimmbad des Klosters muss noch einiges umgebaut werden, bevor auch sie übersiedel­n kann. Bis dahin pendelt Gebhardt zwischen den beiden Standorten hin und her, mit dem Auto dauert die Fahrt nicht einmal zehn Minuten.

Die Geschichte ihres Unternehme­ns reicht zurück bis ins Jahr 1986, ihre Geschichte als Naturkosme­tik-Hersteller­in aber eigentlich noch viel weiter. Am Anfang stand ein Unfall. Als Gebhardt drei Jahre alt war, biss ein Hund das Mädchen in die Wange. Die Wunde wurde genäht, allerdings blieb eine Narbe zurück, die sie viele Jahre plagen sollte. Erst eine Salbe aus Wollwachs vom Kinderarzt ließ die Narbe verschwind­en. Heute ist sie kaum mehr zu sehen, man könnte sie für ein Grübchen halten.

Gebhardt beginnt mit Cremes und Salben zu experiment­ieren, stellt Kosmetik her, anfangs noch für Freunde und Nachbarn. Sie benutzt alte Klosterrez­epturen oder auch ägyptische Rezepte. Später studiert sie Architektu­r. Danach muss sie sich entscheide­n: Arbeitet sie als Architekti­n – oder wagt sie den Weg in die Nische und produziert Naturkosme­tik? Dann erscheint ein Artikel über sie in einer Fachzeitsc­hrift, der ihrem jungen Unternehme­n zu einem ersten Aufschwung verhilft. Gebhardt trifft eine Entscheidu­ng und steigt in die Kosmetikpr­oduktion ein.

Die ersten Jahre sind hart. Naturkosme­tik ist ein Außenseite­rprodukt, die meisten Menschen können damit nur wenig anfangen. Gebhardt muss bei Zulieferer­n in Vorleistun­g gehen, immer gleich ein paar tausend Mark auf einmal vorschieße­n. Viele Rohstoffe werden noch gar nicht in Bio-Qualität angebaut, die Unternehme­rin baut mühsam Beziehunge­n zu den Hersteller­n auf. Mit den Jahren wächst das Geschäft. Heute macht Gebhardt mit ihrer Kosmetik rund sechs Millionen Euro Umsatz im Jahr.

In den vergangene­n Jahren ist auch die Branche um sie herum größer geworden. Naturkosme­tik steht heute nicht mehr nur in Reformhäus­ern, sondern auch in Supermärkt­en oder Drogerien. Martina Gebhardt sieht die Entwicklun­g allerdings nicht nur positiv. Sie habe das Gefühl, dass es nicht allen Unternehme­n um die Philosophi­e hinter der Natur-Kosmetik gehe. Das, sagt sie, ist bei ihr anders. Gebhardt verfolgt einen ganzheitli­chen Ansatz. Sie will ihr Unternehme­n im Einklang mit der Natur und der Geschichte des Klosters führen. Deshalb richtet sie gerade ein kleines Museum ein, veranstalt­et Seminare und will lokalen Handwerker­n im Kloster eine neue Heimat geben. Auch das gehört jetzt zu ihrem Alltag. Dem Alltag einer Klosterher­rin.

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Fotos: Ulrich Wagner Martina Gebhart produziert seit über 30 Jahren Naturkosme­tik. Daneben ist sie auch noch Herrscheri­n über das Kloster Wessobrunn, das sie 2014 den Tutzinger Missions-Benediktin­erinnen abgekauft hat.
 ??  ?? Vom Kloster aus werden die Cremetiege­l in 140 Länder versandt. Ein Teil des Gebäudes wird auch noch von der Pfarrei Wessobrunn genutzt, daneben gibt es einen Klosterlad­en und ein Museum.
Vom Kloster aus werden die Cremetiege­l in 140 Länder versandt. Ein Teil des Gebäudes wird auch noch von der Pfarrei Wessobrunn genutzt, daneben gibt es einen Klosterlad­en und ein Museum.
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