Wertinger Zeitung

In der Fuggerei lebt ein Zauberer

Geburtstag Viele kennen Zauberer Hardy, weil sein Gesicht seit 40 Jahren auf Zauberkäst­en abgebildet ist. Heute wird er 70 Jahre alt. Warum er in der ältesten Sozialsied­lung der Welt wohnt

- VON INA MARKS Info). (siehe

Augsburg Mit ihm ist nicht nur ein weißes Kaninchen in die Augsburger Fuggerei gezogen. Ausnahmswe­ise ließ er schon eine Bewohnerin für den Jungfrauen-Trick schweben. Mit Zauberer Hardy hat die älteste Sozialsied­lung der Welt, die von Jakob Fugger 1521 gestiftet wurde, einen berühmten Bewohner. Viele kennen ihn, weil sein Gesicht seit 1978 auf seinen Kinder-Zauberkäst­en abgebildet ist. Zudem gibt er seit über 50 Jahren Vorstellun­gen für Kinder. Doch im Alter reicht dem Zauberer, der am Samstag 70 Jahre alt wird, das Geld kaum zum Leben.

Hardy, der eigentlich Erhard Smutny heißt, bittet in seine kleine Erdgeschos­swohnung am Ende der Fuggerei. Seit über einem Jahr lebt er jetzt hier. Fotos im Flur zeigen sein bislang bewegtes Leben. Hardy ist mit namhaften Persönlich­keiten abgebildet – mit Politiker Franz Josef Strauß etwa, Musiker Udo Lindenberg oder den Magiern Siegfried und Roy. Im Wohnzimmer stapeln sich Ausgaben seiner Zauberkäst­en aus vier Jahrzehnte­n, Spiele, Bücher. In einem Regal steht sogar eine Hardy-Plüschfigu­r. „Meine Woh- hier ist ein Museum in einem Museum“, meint der Zauberer mit den Locken und dem Schnauzbar­t. Damit spielt er auch auf die Fuggerei an, die jedes Jahr Touristen aus aller Welt besichtige­n.

Die Menschen, die in den 140 Wohnungen in der historisch­en Siedlung in Augsburgs Innenstadt ein Zuhause gefunden haben, nehmen die Besucherst­röme hin. Schließlic­h leben sie hier zu besonderen Konditione­n. Die Jahreskalt­miete beträgt lediglich 88 Cent. In der Fuggerei können Augsburger wohnen, die in Not geraten sind

Das ist der Sinn der Fugger’schen Stiftung. Für Zauberer Hardy war der Umzug in die Fuggerei ein Glücksfall.

„Solange man in einem Alter ist, in dem man etwas Geld beiseitele­gen kann, ist es okay“, sagt er freimütig. Doch diese Zeiten sind für ihn längst vorbei. Die vielen Auftritte, das Reisen, die Übernachtu­ngen in Hotels – das Pensum, das Zauberer Hardy viele Jahre lang mit Leidenscha­ft erfüllte, schaffte er im fortgeschr­ittenen Alter nicht mehr. Das Geld wurde knapp. Die Mietwohnun­g in Lechhausen konnte er sich nicht mehr leisten.

Rückblicke­nd würde der Vater einer Tochter ein paar Dinge in seinem Leben anders machen. Sich etwa nicht von der Künstlerso­zialversic­herung abwimmeln lassen, die freischaff­enden Künstlern und Publiziste­n einen Zugang zur gesetzlich­en Kranken-, Pflege- und Rentenvers­icherung ermöglicht. „Damals aber wurde ich nicht als Zauberküns­tler, sondern als Unternehme­r eingestuft. Ich hätte mich dagegen wehren müssen.“Auch Zauberer sammeln Erfahrunge­n. Erhard Smutny sagt, das Leben in der Fugnung gerei sei für ihn eine heilsame Angelegenh­eit. „Hier komme ich zur Ruhe.“Mit vielen Bewohnern verstehe er sich sehr gut. Eine Dame aus der Siedlung versorgt sein weißes Kaninchen Micky, wenn er mal unterwegs ist. Neulich klingelte ein Nachbarsmä­dchen bei ihm, um einen Zaubertric­k vorzuführe­n.

Das Kind wollte von einem „echten“Zauberer wissen, wie er die Vorführung findet. Hardy zeigte sich freilich angetan, schenkte der Kleinen sogar einen seiner Zauberkäst­en. Er ist froh, dass er Kinder auch heutzutage fürs Zaubern begeistern kann. Gerne tritt er hin und wieder noch in Schulen auf. Für ihn selbst bedeutet das Zaubern einen lebenslang­en Heilungspr­ozess. Denn eigentlich stottert Hardy von Kindheit an. Bei seinen Vorführung­en aber spricht er fließend. Die Zauberei verleiht ihm Selbstbewu­sstsein und Sicherheit. Die Tricks und Sprüche seien wie ein Faden, an dem er sich entlanghan­gele. „Ansonsten ist das Stottern heute immer noch da“, erzählt der 70-Jährige und fügt verschmitz­t hinzu: „Besonders bei bestimmten Personen wie Beamten. Ich kann mir heute noch keine Zugfahrkar­te an einem Schalter kaufen.“

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Foto: Silvio Wyszengrad Zauberer Hardy lebt seit über einem Jahr in der Fuggerei, der ältesten Sozialsied­lung der Welt. Mit ihm ist auch sein Kaninchen Micky eingezogen.

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