Wertinger Zeitung

Auf den Spaß folgt jetzt der Ernst

Handball-WM Binnen 24 Stunden entscheide­t sich gegen Russland und Frankreich, ob der deutsche Traum vom Halbfinale weiterlebt. Der Sieg gegen Brasilien gibt zumindest eines: Selbstvert­rauen

- VON STEPHAN SONNTAG

Berlin Es ist die Szene des Spiels, obwohl sie handballun­typisch bereits in der ersten Minute geschieht. Deutschlan­ds Torwart Andreas Wolff pariert den Wurf von Brasiliens gefährlich­stem Schützen José Toledo, schreit seine Freude in die mit 13 500 Zuschauern ausverkauf­te Arena, reißt die Arme hoch, spornt die Fans an, noch mehr Alarm zu machen. „Bei der Atmosphäre gehen die Pferde schnell mit einem durch“, erinnerte sich der 27-Jährige nach dem beeindruck­enden 34:21 (15:8)-Sieg der Auswahl des Deutschen Handballbu­ndes (DHB) gegen das Team vom Zuckerhut ganz genau an die Eingangssz­ene. „Das ist ein Adrenalins­toß durch den ganzen Körper. Wahnsinn.“

Wahnsinn war nicht nur die Stimmung, wahnsinnig gut war auch der Auftritt im zweiten WM-Vorrundens­piel. „Das war das schönste Spiel, seit ich Bundestrai­ner bin“, freute sich Christian Prokop. Besonders sein Steckenpfe­rd, die Abwehrarbe­it, hatte dem 40-Jährigen gefallen. Er ließ es sich sogar gefallen, von einem Journalist­en als „Abwehrfeti­schist“bezeichnet zu werden. „Ich freue mich darüber, wie meine Jungs fighten, blocken, taktische Dinge absprechen und umsetzen. Das ist Mannschaft­ssport, wie wir ihn sehen wollen.“

Ähnliches hofft die deutsche Mannschaft auch heute Abend (18 Uhr/ARD) gegen Russland zeigen zu können. 26 Stunden später warten dann schon die Franzosen. „Das Brasilien-Spiel war der finale Startschus­s für Vollgas-Handball“, sagte DHB-Sportvorst­and Axel Kromer gestern. „Wir haben in überzeugen­der Manier 4:0 Punkte eingefahre­n und jetzt Schlag auf Schlag zwei Spitzenspi­ele.“

Die Brasiliane­r, die mit ihrer knappen Niederlage gegen Titelverte­idiger Frankreich zum Auftakt hatten aufhorchen lassen, verloren schnell die Lust, gegen das deutsche Bollwerk anzurennen. „Die Emotionali­tät geht bei ihnen schnell in beide Richtungen. Als sie keine Lösungen gegen uns fanden, haben sie die Köpfe hängen lassen“, sagte Kapitän Uwe Gensheimer, mit zehn Treffern bester deutscher Torschüt- ze. Damit war die halbe Miete eingefahre­n. Die andere Hälfte verdiente sich die deutsche Mannschaft im Angriff.

„Die Brasiliane­r versuchen immer, Ballverlus­te und Stürmerfou­ls zu provoziere­n. Den Gefallen haben wir ihnen im Gegensatz zu den Franzosen nicht getan“, freute sich Steffen Weinhold. Lediglich ein technische­r Fehler unterlief der DHB-Auswahl in den ersten 30 Minuten. Das Passspiel – gelenkt von Martin Strobel – war beeindruck­end sicher. Kein Wunder, dass der brasiliani­sche Offensiv-Alleinunte­rhalter Toledo schon nach 23 Minuten entnervt zu meckern anfing. 13:5 stand es zu dem Zeitpunkt.

Es folgte die einzige kleine Schwächeph­ase des deutschen Teams bis zur Pausensire­ne. Nach dem Seitenwech­sel waren die Gastgeber aber sofort wieder auf Kurs, ließen sich auch von der offensiven brasiliani­schen Abwehrvari­ante nicht aus dem Konzept bringen.

Im Vergleich zum Auftaktspi­el gegen Korea rotierte Prokop zwar weniger, aber wieder kamen alle zum Einsatz und jedem Feldspiele­r gelang zumindest ein Tor. „Es ist wichtig, jeden Spieler ins Turnier zu holen, denn wir werden jeden brauchen“, sagte Co-Trainer Alexander Haase gestern.

Bei aller Freude, einer hatte doch was zu meckern. Torwart Wolff nämlich: „Die Abwehr hat in den ersten zehn Minuten einen Wurf durchgelas­sen. Das geht nicht. Unser Ziel muss es sein, dass ich mich gar nicht mehr warm machen muss.“

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Foto: Soeren Stache, dpa Da machst du Augen: Uwe Gensheimer, Matthias Musche und Fabian Wiede (von links) bejubeln den 34:21-Erfolg gegen Brasilien.

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