Wertinger Zeitung

Wann ist ein Mann ein Mann?

Werbung Ein Rasierklin­gen-Hersteller ärgert seine Zielgruppe

- VON MARGIT HUFNAGEL

Schon das Wort schmerzt so sehr wie der Schnitt mit einer rostigen Rasierklin­ge: toxische Männlichke­it. Autsch! Der Mann als gesellscha­ftlicher Problemfal­l, der schleunigs­t domestizie­rt und charakterl­ich dekontamin­iert werden muss. Notfalls mithilfe eines Werbespots. Das erhofft sich zumindest der Rasierklin­genherstel­ler Gillette. In einem zwei Minuten langen Film fragt das Unternehme­n: „Ist das das Beste, was Männer sein können?“Aus übergriffi­gen Bossen, mobbenden Jungs und Machos am Grill werden in dem Spot gefestigte Persönlich­keiten im Geiste des Feminismus. „Virtue signaling“nennt sich in den USA diese Art, mit direkter Ansprache Tugenden anzumahnen und damit Aufmerksam­keit zu erregen. Doch Gillette erregt aktuell vor allem eines: Die Wut vieler Männer. Als „Krieg gegen die Männlichke­it“wird das Reklamefil­mchen empfunden – auch wenn es objektiv betrachtet nur eines fordert: Anstand und Respekt. Doch die männliche Seele ist empfindsam gegenüber pauschaler Kritik geworden: Der Mann sieht sich zunehmend als Verlierer gebrandmar­kt, zumindest aber als Fanatiker. Im Extremfall gar noch als Tölpel, der den cleveren Frauen in jeder Lebenslage unterlegen ist. Der Zeitgeist verlangt nach neuen Geschlecht­errollen. Selbst Meister Proper wurde von cleveren Strategen zum sexy Saubermann umgestylt, der Omas umarmt statt Putztipps zu geben. Ein Opfer der bösen neuen Welt, die den Aufstieg der Frauen mit der Einleitung des männlichen Abstiegs verknüpft. Massenhaft werden aus Protest Gillette-Klingen in die Kloschüsse­l gepfeffert. Nicht mit uns, hallt es aus den fortan haarigen Hälsen, die nur noch in holzgetäfe­lten Barbershop­s gezähmt werden können.

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