Wertinger Zeitung

Wie Stromkunde­n abgezockt werden

Recht Der Münchner Energie-Versorger BEV hat seine Preise zum Teil um das Zehnfache erhöht. Auf Beschwerde­n reagiert er häufig nicht. Was eine Expertin Betroffene­n rät

- VON SARAH SCHIERACK

München Auf der Internetse­ite ist die Welt des Energie-Anbieters BEV noch in Ordnung. Ein großes Foto zeigt eine gut gelaunte Frau mit Kind, im Hintergrun­d sind die zwei Türme der Münchner Frauenkirc­he zu sehen. Darüber steht: „Ihr Energiever­sorger aus dem Herzen Bayerns.“Hinter den Kulissen der Bayerische­n Energiever­sorgungsge­sellschaft geht es aktuell allerdings weniger idyllisch zu. Unzählige Verbrauche­r beschweren sich über den Discount-Anbieter. Es geht um enorme Preissteig­erungen, einbehalte­ne Guthaben und ein Unternehme­n, das nicht mehr zu erreichen ist.

Was ist passiert? Kurz vor Weihnachte­n haben viele Kunden der BEV Post bekommen, die Verbrauche­rzentralen haben den Inhalt einiger Schreiben öffentlich gemacht. In den Briefen kündigte das Unternehme­n an, die Preise zum Teil drastisch zu erhöhen. Bei einem Kunden aus Nordrhein-Westfalen stieg etwa der Grundpreis für Strom um fast 1000 Prozent – von vier auf 42 Euro im Monat. Einem anderen Verbrauche­r wurde mitgeteilt, dass der Abschlagsp­reis von 6,23 Euro auf 50,16 Euro angehoben werde. Dazu kommt: Viele Kunden sollten mehr zahlen, obwohl der Anbieter ihnen für einen bestimmten Zeitraum eine Preisgaran­tie zugesagt hatte. Daneben klagen Verbrauche­r darüber, dass Guthaben einbehalte­n oder versproche­ne Boni nicht ausgezahlt würden. Auch die Bundesnetz­agentur ermittelt mittlerwei­le gegen das Unternehme­n. Ein Sprecher teilte auf Anfrage mit, dass wegen „intranspar­enter Zwischenab­rechnungen“aktuell ein Aufsichtsv­erfahren gegen die BEV geführt werde.

Für Verbrauche­rschützeri­n Heidemarie Krause-Böhm ist das ein Unding und ganz und gar „nicht alltäglich“. Im Fall der Preissteig­erungen empfiehlt die Energieexp­ertin der Verbrauche­rzentrale Bayern betroffene­n Kunden, die Erhöhung zurückzuwe­isen oder eine Sonderkünd­igung geltend zu machen. Die Verbrauche­rzentralen haben dafür ein Musteransc­hreiben ins Internet gestellt. Allerdings berichten Kunden, die sich beschwert haben, dass sie daraufhin ein weiteres Schreiben erhalten hätten. Darin wurden sie aufgeforde­rt, der Anhebung schon vor Ablauf der Preisgaran­tie „freiwillig“zuzustimme­n. Melden sie sich nicht, gilt das laut BEV bereits als Zustimmung. Der Energiever­sorger erklärt die Anhebung in seinem Schreiben mit „widrigen Umständen“und einer „weggefalle­nen oder gefährdete­n Geschäftsg­rundlage“. Unternehme­n müssten seit einiger Zeit deutlich mehr zahlen, wenn sie Strom einkaufen.

Natürlich könnten Kunden „jederzeit“mitteilen, dass sie eine freiwillig­e Preiserheb­ung nicht mitmachen wollen. Allerdings ist es offenbar gar nicht so einfach, die BEV zu kontaktier­en. Verbrauche­r klagen darüber, dass sie weder per Telefon, Fax oder Mail eine Antwort bekommen. Bei Einschreib­en würde zum Teil die Annahme verweigert. Auch auf Anfrage der Redaktion antwortete­n das Unternehme­n und Geschäftsf­ührer Ralph Steger nicht. Steger ist in Augsburg kein Unbekannte­r: Bis 2018 war er kaufmännis­cher Direktor der Stadtwerke Augsburg, laut Handelsreg­ister ist er seit diesem Jahr BEV-Chef.

Auch wenn das Unternehme­n nur schwer zu erreichen ist, rät Verbrauche­rschützeri­n Krause-Böhm, der Preisanheb­ung ausdrückli­ch zu widersprec­hen und am besten auch das Lastschrif­tmandat zu kündigen, damit der Energie-Anbieter nicht weiterhin Geld abbuchen kann. Verbrauche­r sollten dafür einen Brief an die BEV schicken – am besten als Einwurf-Einschreib­en. Dabei dokumentie­rt der Postbote, dass der Brief im Briefkaste­n gelandet ist. So könne die Annahme nicht abgelehnt werden. Der letzte und auch teuerste Weg sei eine Zustellung über einen Gerichtsvo­llzieher. Krause-Böhm beziffert die Kosten dafür auf etwa 13 bis 20 Euro.

Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass die BEV in den Fokus der Verbrauche­rschützer geraten ist. Die Marktwächt­er Energie Niedersach­sen, eine Einheit der dortigen Verbrauche­rzentrale, hatte den Anbieter bereits Ende 2017 abgemahnt, weil er für einige Kunden mitten im Jahr die Abschläge erhöht und das mit einer neuen Zählerable­sung begründet hatte. Diese Ablesung hat es nach Angaben der Verbrauche­rschützer aber nie gegeben.

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Foto: dpa Für viele Kunden des Münchner Anbieters BEV war es ein kleiner Schock kurz vor Weihnachte­n: Das Unternehme­n hat seine Preise deutlich erhöht.

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