Wertinger Zeitung

Türkei schiebt deutschen Dschihadis­ten ab

Justiz Ein Augsburger wollte sich wohl Extremiste­n in Syrien anschließe­n. Nun sitzt er in U-Haft

- VON JAN KANDZORA

Es war eine Großrazzia: Im November 2017 durchsucht­en Ermittler des Staatsschu­tzes 13 Wohnungen in der Region. Sie durchleuch­teten das Umfeld dreier Männer aus dem Raum Augsburg, die einige Monate zuvor offenbar gemeinsam in den islamistis­chen Kampf nach Syrien ziehen wollten: ein Deutscher, ein Afghane und ein Mann, der in der Region aufgewachs­en ist, aber die türkische Staatsange­hörigkeit besitzt. Keiner von ihnen kam freilich in Syrien an. Im Juni 2017 wurden sie in der Türkei festgenomm­en, bevor sie die Grenze überqueren konnten.

Zumindest einer von ihnen, ein 32-jähriger Deutscher, ist mittlerwei­le wieder zurück in seiner Heimat, allerdings nicht in Freiheit. Er wurde aus der Türkei abgeschobe­n. Seit vorvergang­ener Woche sitzt der Mann nun nach Informatio­nen unserer Zeitung in Untersuchu­ngshaft im Gefängnis in Gablingen (Landkreis Augsburg). In dem Verfahren der Generalsta­atsanwalts­chaft München geht es um die Vorwürfe der Vorbereitu­ng und Beihilfe zur Vorbereitu­ng einer schweren staatsgefä­hrdenden Gewalttat. Konkret gehen die Ermittler dem Verdacht nach, dass der Mann sich der Extremiste­ngruppe „Hayat Tahrir al-Scham“anschließe­n wollte, teilte die Behörde mit. Die Miliz ging aus der NusraFront hervor, dem syrischen Zweig des Terrornetz­werks Al-Kaida.

Nach Auskunft seines Anwalts Ali Aydin saß der 32-Jährige von den eineinhalb Jahren der Haft in der Türkei nahezu ein Jahr in Abschiebeh­aft. Vor dem Ermittlung­srichter in Deutschlan­d habe sich sein Mandant zu den Vorwürfen erst einmal nicht geäußert, sagt Aydin.

Es kommt nicht oft vor, dass Menschen aus der Region nach Syrien oder in den Irak ausreisen wollten. Die Polizei sprach in der Vergangenh­eit von einer „einstellig­en Zahl“, der das gelungen sei. Die Zahl der Islamisten, die in der Region leben und denen die Polizei eine Gewalttat zutraut, liege ebenfalls im einstellig­en Bereich, heißt es nun. Der 32-Jährige, ein gebürtiger Augsburger, soll zum Islam konvertier­t sein – und sich radikalisi­ert haben. Sollte es zur Anklage kommen, ist denkbar, dass der Fall vor dem Landgerich­t München verhandelt wird, die eine Kammer für Staatsschu­tzdelikte hat. Wenn es um „Unterstütz­ung einer terroristi­schen Vereinigun­g“geht, etwa des sogenannte­n „Islamische­n Staats“, landen die Fälle vor dem Oberlandes­gericht. Derzeit scheint das Verfahren von den Ermittlern allerdings nicht so eingestuft zu werden.

Was aus den beiden anderen Männern wurde, die im Juni 2017 in der Türkei festgenomm­en worden waren, ist unklar. Die Generalsta­atsanwalts­chaft sagt aus „ermittlung­staktische­n Gründen“nichts dazu. Nach Informatio­nen unserer Redaktion sitzt der damals 22-jährige Türke nach wie vor in türkischer Haft.

 ?? Foto: Anas Alkharbout­li, dpa ?? In der Provinz Idlib ist die Extremiste­ngruppe „Hayat Tahrir al-Scham“sehr aktiv.
Foto: Anas Alkharbout­li, dpa In der Provinz Idlib ist die Extremiste­ngruppe „Hayat Tahrir al-Scham“sehr aktiv.

Newspapers in German

Newspapers from Germany