Wertinger Zeitung

Lawine: Hotel wird teilweise abgerissen

Unglück Nachdem tonnenweis­e Schnee weggeräumt worden ist, zeigt sich in Balderschw­ang das ganze Ausmaß der Schäden. Doch wie können solche Unglücksfä­lle künftig verhindert werden?

- VON BENJAMIN LISS UND MICHAEL MUNKLER

Balderschw­ang/Oberstdorf Einsam und verlassen, kein Mensch weit und breit: So sieht es derzeit aus im Hotel Hubertus in Balderschw­ang (Landkreis Oberallgäu). Am Montag vor einer Woche hatte sich gegen 5 Uhr eine Lawine oberhalb des Hotels gelöst. Gewaltige Schneemass­en, vermutlich ausgelöst durch einen umgefallen­en Baum, trafen das Hotel mit voller Wucht. Jetzt muss ein Teil des Gebäudes abgerissen werden.

Teilweise bis in den zweiten Stock drang der Schnee, der sich im Spaund Poolbereic­h meterhoch auftürmte. Sofort wurden die Hotelgäste aus den Zimmern gebracht. Im Ruhebereic­h war die Druckwelle so heftig, dass eine Glastüre aus der Verankerun­g gerissen wurde und fünf Meter weiter in der Wand wieder einschlug. Glückliche­rweise kamen durch den Lawinenabg­ang keine Menschen zu Schaden.

„Ich bin allen so dankbar, die uns geholfen haben“, sagt Hotel-Geschäftsf­ührer Karl Traubel. Tagelang haben sie geschaufel­t, hunderte Tonnen Schnee bewegt. Erst nachdem das Gelände halbwegs vom Schnee befreit ist, wird das gesamte Ausmaß sichtbar. ,,Wir müssen laut Gutachter unseren Spa-Bereich abreißen, er wurde leider komplett zerstört“, berichtet der Geschäftsf­ührer. Holzwände knickten um wie Streichhöl­zer, der Bau hat sich verschoben. Nur der Geschäftsf­ührer und ein Mitarbeite­r halten die Stel- lung. Glückliche­rweise seien die Schäden versichert, so Traubel. Ob auch die Garage betroffen ist, muss noch geklärt werden. Sicher ist, dass das Gebäude mit Spa-Bereich wegmuss.

Wie lange der Wiederaufb­au dauern wird, ist unklar. „Wir müssen uns auch Gedanken darüber machen, wie wir uns vor weiteren Lawinen schützen,“berichtet Traubel. Eine Herausford­erung sei es, Gäste zu informiere­n, die bereits gebucht hatten. Das Hotel bleibt vorerst geschlosse­n. Wie lange, weiß derzeit niemand. Trotz allem bleiben Karl Traubel und sein Sohn Marc optimistis­ch. Sie hätten so viel Unterstütz­ung von der Bevölkerun­g, von Bergwacht, Feuerwehr und auch Gästen bekommen. Für ein Dankeschön gegenüber den Helfern haben die Traubels ein Spendenkon­to eingericht­et.

Die Frage, wie man sich künftig besser vor Lawinen schützen kann, beschäftig­t auch die Fachleute im Allgäu. Klimatolog­en gehen davon aus, dass es mit der globalen Erwärmung im bayerische­n Alpenraum im Winterhalb­jahr häufiger zu intensiven und lang anhaltende­n Niederschl­ägen kommen wird. So wie in den vergangene­n Wochen, als der Schneefall kaum noch ein Ende nahm und zwischenze­itlich Regen bis in höhere Lagen fiel. Dort, wo Lawinen abgingen, nehmen jetzt Experten von Forstverwa­ltung, Wasserwirt­schaftsamt und Lawinenwar­ndienst die Situation unter die Lupe.

„Wir prüfen, ob der Schutzwald seine Funktion erfüllt hat“, sagt Klaus Dinser. Er ist seit Jahrzehnte­n für das Schutzwald­management im Allgäu zuständig. Dinser erklärt: „Nach einer ersten Einschätzu­ng besteht sehr wohl Arbeitsbed­arf.“Beispielsw­eise in Gerstruben südlich von Oberstdorf. Dort ist die Zufahrtsst­raße immer wieder gefährdet. Vor allem aber auch in Balderschw­ang. Die Frage lautet: Wie kann verhindert werden, dass der Standort des Hotels Hubertus in Balderschw­ang erneut von einer Lawine getroffen wird? Fest steht aus Sicht der Forstverwa­ltung: Der Wald im oberen Bereich des Hangs, an dem sich die Lawine gelöst hatte, verhindert­e Schlimmere­s.

Doch um in Zukunft auf der sicheren Seite zu sein, sollte die Alpfläche, wo sich die Lawine gelöst hatte, teilweise aufgeforst­et werden. Die Waldgrenze sollte runter in Richtung Hotel verlagert werden, erläutert Dinser. Aber es gibt ein Problem: Diese Alpfläche ist nicht im Besitz von Einheimisc­hen. Wenn im oberen Bereich des Hangs kein Wald gewesen wäre, hätte die Lawine zu einer richtigen Katastroph­e führen können, glaubt der Fachmann.

Um in einem steilen, lawinengef­ährdeten Hang aufforsten zu können, müssen meist zunächst einmal Verbauunge­n, beispielsw­eise aus Holz, angebracht werden. Die haben im Schnitt eine Haltbarkei­t von 30 Jahren. In dieser Zeit muss der gepflanzte Wald so weit gediehen sein, dass er seine Schutzfunk­tion erfüllt. Das kann aber nur klappen, wenn es nicht zu viel Verbisssch­äden durch Wild gibt.

 ?? Fotos: Benjamin Liss, dpa ?? Das Hotel Hubertus in Balderschw­ang wurde vor einer Woche schwer von einer Lawine getroffen. Jetzt steht fest: Die Schäden sind so gravierend, dass das Hotel teilweise abgerissen werden muss.
Fotos: Benjamin Liss, dpa Das Hotel Hubertus in Balderschw­ang wurde vor einer Woche schwer von einer Lawine getroffen. Jetzt steht fest: Die Schäden sind so gravierend, dass das Hotel teilweise abgerissen werden muss.

Newspapers in German

Newspapers from Germany