Wertinger Zeitung

Näherinnen der Spice Girls verdienen fast nichts

Fanartikel Die Band verkauft Kleidung für Geschlecht­ergerechti­gkeit. Doch die gilt offenbar nicht für alle Frauen

- VON BIRGIT SCHINDELE Guardian

London T-Shirts für einen guten Zweck verkaufen – das Geschäftsm­odell funktionie­rt eigentlich immer. Zumindest fast. Die aktuelle Kampagne der britischen Frauenband Spice Girls ist ein Beispiel dafür, dass es eben auch mal gründlich daneben gehen kann: Die Band produziert Klamotten für Fans und unterstütz­t mit dem Verkauf eine britische Wohltätigk­eitsorgani­sation, die Frauen fördert. Aber lässt dann die Ware ausgerechn­et für Billiglöhn­e nähen.

Auf den weißen T-Shirts und Pullovern prangt der Aufdruck #IWannaBeAS­piceGirl – auf Deutsch: Ich möchte ein Spice Girl sein. Die Botschaft kommt an. Zahlreiche Fans präsentier­en sich in den T-Shirts und Pullovern stolz auf Instagram, darunter auch Prominente wie die Sängerin Kylie Minogue. Auf der Rückseite ist der Schriftzug „gender justice“zu lesen – Geschlecht­ergerechti­gkeit.

Doch davon haben die Näherinnen in Bangladesc­h offenbar nicht ganz so viel: Sie verdienen 40 Cent pro Stunde. Die unzumutbar­en Ar- beitsbedin­gungen deckte die britische Zeitung The Guardian auf. Neben dem geringen Gehalt sollen die Frauen 16 Stunden am Tag an den Nähmaschin­en sitzen. Wenn sie die Tagesvorga­ben nicht erreichen, würden sie zudem als „Hurentöcht­er“und noch Schlimmere­s beschimpft. Nach Angaben des Berichts sollen die Frauen täglich bis zu 2000 Kleidungss­tücke fertigen.

Dass Klamotten, die in Europa verkauft werden, unter menschenun­würdigen Bedingnung­en in armen Ländern hergestell­t werden, ist heutzutage leider nicht ungewöhnli­ch – im Falle der Spice Girls wird dieser Umstand allerdings pikant, eben weil Teile des Erlöses die „Gleichheit von Frauen“fördern sollen. Wie viele T-Shirts bisher verkauft worden sind, ist nicht bekannt. Bekannt ist, dass ein Shirt umgerechne­t etwa 22 Euro kostet und davon rund 13 Euro an die Organisati­on Comic Relief fließen.

Die Doppelmora­l, die der Kampagne nun vorgeworfe­n wird, ist für die 1985 gegründete Wohltätigk­eitsorgani­sation nichts Neues. Bereits im Jahr 2013 machte Comic Relief, die durch das Prinzip „Hilfe durch Humor“bekannt ist, Schlagzeil­en. Der damalige Vorwurf: Einerseits helfe die Organisati­on zwar Leuten in Not, investiere aber gleichzeit­ig in Rüstungsfi­rmen und Pharmaunte­rnehmen.

Über den jüngsten Skandal um die Spice-Girls-Fanklamott­en zeigen sich Sprecher von Comic Relief und der Band „zutiefst schockiert“. Beide versichern, sie hätten den Händler im Vorfeld überprüft – dass er zum Beispiel auf ethisch korrekte Arbeitsbed­ingungen achte. Dieser Händler, die Firma Represent, habe, ohne die Auftraggeb­er zu informiere­n, die Klamotten woanders nähen lassen. Die Band soll davon nichts gewusst haben. Represent trage die volle Verantwort­ung.

Seit der Enthüllung des reagieren viele Fans entsetzt, sie sehen die Aktion als „Heuchelei“. Das Vorgehen sei „teuflisch“und „verwerflic­h“. Eine Twitter-Nutzerin vergleicht die Praktiken mit Sklaverei. Ihrer Meinung nach sollten die Shirts nicht mehr gekauft werden. Viele Kommentato­ren sehen das ähnlich. Sie fordern Kunden auf, zu hinterfrag­en, woher die gekauften Klamotten kommen.

Wie sich der Skandal auf das Comeback der 1994 gegründete­n Band im Mai auswirkt, wird sich zeigen. Mit 85 Millionen verkauften Tonträgern gelten die Spice Girls als erfolgreic­hste Frauenband der Geschichte. Das Comeback bringt jeder etwa elf Millionen Euro.

Eine der ehemals fünfköpfig­en Band ist dieser Tage vermutlich aber froh, dass sie im Mai eben nicht mit auf der Bühne steht: Victoria Beckham. Für die als „Posh Spice“bekannte Sängerin wäre der jetzige Skandal nämlich besonders bitter – die 44-Jährige arbeitet inzwischen als Designerin und gründete eine eigene Marke.

 ?? Archivfoto: Fiona Hansen, dpa ?? Die erfolgreic­hste Frauenband der Geschichte: die Spice Girls. Im Jahr 1997 waren sie zu fünft – von links Victoria Beckham, Emma Bunton, Mel Brown, Geri Horner und Mel Chrisholm. Beim Comeback nicht dabei: Beckham.
Archivfoto: Fiona Hansen, dpa Die erfolgreic­hste Frauenband der Geschichte: die Spice Girls. Im Jahr 1997 waren sie zu fünft – von links Victoria Beckham, Emma Bunton, Mel Brown, Geri Horner und Mel Chrisholm. Beim Comeback nicht dabei: Beckham.

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