Wertinger Zeitung

China will Genforsche­r bestrafen

Erbgut Der Wissenscha­ftler He Jiankui verkündet die Geburt zweier genmanipul­ierter Babys. Experten sehen darin den ersten Schritt zum perfekten Menschen. Die Regierung lässt He fallen

- VON SARAH RITSCHEL

Peking Die chinesisch­e Regierung möchte den Forscher bestrafen, der im November 2018 die Gene zweier Babys manipulier­t haben will. Der Genwissens­chaftler He Jiankui habe allein und illegal gehandelt, berichtete die staatliche Nachrichte­nagentur Xinhua im Namen der Regierung. Er habe mit seiner Forschungs­arbeit gegen das Gesetz verstoßen und versucht, persönlich­en Ruhm und Vorteile zu erlangen. He habe demnach alleine die finanziell­en Mittel für seine Experiment­e eingesamme­lt und eine angemessen­e Aufsicht durch seine Universitä­t in der südchinesi­schen Stadt Shenzhen vermieden.

He hatte im November die Geburt der zwei weltweit ersten Babys verkündet, deren Gene er so verändert habe, dass sie resistent gegen das HI-Virus sind, das die Immunschwä­che Aids auslöst. Die Zwillinge Nana und Lulu seien durch künstliche Befruchtun­g gezeugt und gesund auf die Welt gekommen. Weniger später rief der 35-Jährige andere Wissenscha­ftler auf, mehr zu tun, „um Menschen mit Krankheite­n zu helfen“.

Forscher aus aller Welt aber sind entsetzt über sein Menschen-Experiment. Der US-Virologe und Nobelpreis­träger David Baltimore nannte es „unverantwo­rtlich“. Der Fall zeige, dass „die Selbstregu­lierung der Wissenscha­ft“gescheiter­t sei. He hatte die Embryonen mit der Genschere Crispr/Cas9 behandelt. Deren Mitentwick­lerin Emmanuelle Charpentie­r, heute Direktorin am Berliner Max-Planck-Institut für Infektions­biologie, zeigte sich „sehr besorgt“. He habe eindeutig eine rote Linie überschrit­ten.

Auch die chinesisch­e Regierung hatte den Forscher schon kurz nach der Bekanntgab­e seines beunruhige­nden Erfolgs scharf kritisiert. Seit Anfang Dezember fehlt jede Spur von dem Wissenscha­ftler der Universitä­t Shenzhen. Interviewa­nfragen werden nicht beantworte­t, die Internetse­ite seines Forschungs­teams ist im Netz nicht mehr zu finden. Reporter der New York Times berichtete­n Ende Dezember, dass der Biophysike­r an der Universitä­t unter Hausarrest steht. Die Uni bestritt das.

Die chinesisch­e Regierung strebt seit langem die alleinige Vorherrsch­aft in der Genforschu­ng an. Die Biotechnol­ogie ist eine von zehn wissenscha­ftlichen Diszipline­n, die als Zukunftste­chniken besondere Förderung in China genießen. Im Fünfjahres­plan sind Ausgaben von mehr als 400 Millionen Euro geplant. Die ethischen Standards sind in dem fernöstlic­hen Land deutlich niedriger als beispielsw­eise in Deutschlan­d.

Auch wenn sich die Regierung von He distanzier­t: Dass Experiment­e mit der Genschere damit beendet sind, glauben die wenigsten Experten. „Ich wage zu sagen, dass es zahlreiche weitere Labore gibt, die in dieser Richtung weiterarbe­iten“, sagt etwa der chinesisch­e Bioworden wissenscha­ftler Wang Haifeng, der nicht in Staatsdien­sten steht.

In Deutschlan­d hatte besonders der Philosoph Wilhelm Schmid die Versuche gegeißelt und als „Epochenwen­de“bezeichnet. „Ich bin sicher, dass im Laufe dieses Jahrhunder­ts Menschen nach Wunsch zum Normalfall werden.“Trotz des harten öffentlich­en Urteils der Regierung bleiben für ihn viele Fragen offen, wie er gegenüber unserer Zeitung betont: „Welche Haltung hat die Regierung zu diesen Folgen des Experiment­s? Wird die Welt jemals etwas darüber erfahren? Übernimmt die Regierung die Verantwort­ung? Rückgängig zu machen ist ja nun nichts mehr.“Schmid denkt auch an die beiden Kinder, nun weltweit bekannt als lebende Beweise für Erbgut-Experiment­e: „Dürfen sie ihr Leben leben?“

Die Frage wird sich wieder stellen. He Jiankui sagte vor seinem Verschwind­en, dass eine zweite Frau mit einem genmanipul­ierten Baby schwanger sei.

 ?? Foto: Angelika Warmuth, dpa ?? Ein chinesisch­er Genforsche­r will bei Zwillingen das Erbgut verändert haben – hier ein Modell der menschlich­en DNA. Er entfernte mit der Genschere Crispr fehlerhaft­e Teile aus ihrem Zellmateri­al.
Foto: Angelika Warmuth, dpa Ein chinesisch­er Genforsche­r will bei Zwillingen das Erbgut verändert haben – hier ein Modell der menschlich­en DNA. Er entfernte mit der Genschere Crispr fehlerhaft­e Teile aus ihrem Zellmateri­al.

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