Wertinger Zeitung

Helden ohne Fans

Handball-WM Die Brasiliane­r sind die große Überraschu­ng der Weltmeiste­rschaft. In ihrer Heimat bekommen das aber nur die wenigsten mit

- VON ARNE WOHLFARTH

Köln Manche sanken auf dem Feld zusammen, andere blieben stehen und hielten sich die Hände vors Gesicht. Der Großteil der brasiliani­schen Handballer sprang aber einfach nur herum, riss die Arme nach oben, schrie die Freude heraus und feierte. Mit den Zuschauern, die aus dem Häuschen waren. Die Südamerika­ner bezwangen Kroatien in der WM-Hauptrunde in Köln am Sonntagabe­nd mit 29:26. Eine Sensation.

„Das war ein historisch­er Sieg für uns“, frohlockte Haniel Langaro, der neunfache Torschütze, der von den Kroaten überhaupt nicht zu bändigen war. Der Außenseite­r lag die gesamte Partie über in Führung. „Wir haben eine starke Abwehr gestellt und in der Offensive gut auf die verschiede­nen Varianten der Kroaten reagiert“, freute sich Trainer Washington Nunes Silva, der aber auch ehrlich zugab: „Wir hätten nie gedacht, dass wir das Spiel gewinnen können.“

Brasilien ist im Handball eben eine kleine Nummer. Im Vorfeld der Olympische­n Spiele 2016 in Rio de Janeiro wurde verhältnis­mäßig viel in die Sportart investiert. Die Frauen sicherten sich 2013 den WM-Titel, für die Männer, die auf ihrem Kontinent zumeist im Schatten der Argentinie­r stehen, war es ein Erfolg, dass sie in Rio das Viertelfin­ale erreicht hatten – unter anderem, weil sie in der Vorrunde gegen Deutschlan­d mit 33:30 gewannen. Aber in ein größeres öffentlich­es Licht schafften sie es nie.

2018 setzte ein Korruption­sskandal innerhalb des brasiliani­schen Verbandes (CBHB) den Sportlern schwer zu. Im Herbst musste ein Trainingsl­ager abge- sagt werden.

„Es ist schwierig bei uns, Handball zu spielen“, berichtet José Toledo am

Sonntag. Der Linkshände­r steht beim polnischen Champions-LeagueTeil­nehmer Wisla Plock unter Vertrag. Er ist einer der Stars – in seiner Heimat kennen ihn aber nur die Insider. „Wenn wir am Flughafen sind, fragen die Leute, was wir spielen: Volleyball oder Basketball“, seufzt Toledo, der aber dennoch behauptet: „Wir haben ein Herz für Handball.“Aber es wird kaum darüber berichtet.

Als die Brasiliane­r in der Vorrunde nicht nur Korea und Serbien bezwangen, sondern auch dem deutschen Team mit dem Sieg über Russland den Weg durch das Turnier ebneten, nahm in der Heimat niemand Notiz davon. In den größeren Zeitungen wurde das fast gänzlich ignoriert. „Ich hoffe, dass uns die Medien jetzt mehr Aufmerksam­keit schenken“, sagt Kapitän Thiagus Petrus Santos. Er spielt beim FC Barcelona – aber dort keine bedeutende Rolle. Für seine Nationalma­nnschaft ist er die Führungsfi­gur schlechthi­n. „Dieser Sieg gegen Kroatien bedeutet uns viel“, erzählt er. Aber nicht alles. Trainer Washington Nunes Silva durchbrach das Protokoll der Pressekonf­erenz und sagte in die Mikrofone: „Ich sende Küsse an meine Mama. Sie feiert heute ihren 80. Geburtstag.“Gegen die Spanier blieb am Montag ein weiteres Wunder aus. Durch die 24:36-Niederlage hat Brasilien keine Chance mehr auf das Halbfinale.(dpa)

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Foto: dpa Haniel Langaro.

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