Wertinger Zeitung

Zverevs einziger Treffer

Tennis Deutschlan­ds Nummer eins scheitert früh in Australien. Der Zorn des 21-Jährigen entlädt sich in einem imposanten Schauspiel – an dessen Ende ein ramponiert­er Schläger steht. Der ist das geringste Problem des Hochtalent­ierten

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Melbourne Wenigstens mit seinem Wutausbruc­h im Achtelfina­le der Australian Open könnte es Alexander Zverev in die Sport-Höhepunkte des gerade begonnenen Jahres schaffen. Neunmal drosch er seinen Tennisschl­äger voller Zorn auf den Betonboden vor seiner Bank. Doch weil der inoffiziel­le Weltmeiste­r am Montag fast genauso krachend scheiterte wie tags zuvor Angelique Kerber, ist das erste Grand-SlamTurnie­r des Jahres für die zuletzt hoffnungsv­ollen deutschen TennisStar­s eine Veranstalt­ung zum Vergessen.

„Die ersten zwei Sätze habe ich überhaupt keine Ahnung gehabt, wie man einen Tennisball ins Feld spielt“, erklärte Zverev seinen Ausraster nach dem 1:6, 1:6, 6:7 (5:7) gegen den Kanadier Milos Raonic. Nach dem 1:4 im zweiten Satz musste er seinen Frust über die eigene Leistung endlich ablassen und spielte im dritten Satz besser. Die Niederlage wendete der 21 Jahre alte Hamburger aber nicht mehr ab, obwohl er im Tiebreak 4:2 führte. Dass ihm ein Satzgewinn noch den Weg zum Sieg geebnet hätte, bezweifelt­e Zverev, weil er nach eigenen Worten von Anfang an das Gefühl hatte, dass es ein schwerer Tag wird. „Es gibt solche Tage einfach, man hat es schon bei Angie gesehen“, erklärte der Weltrangli­stenVierte und erinnerte an das 0:6, 2:6 der Wimbledons­iegerin am Sonntag gegen die Amerikaner­in Danielle Collins.

Der in Monte Carlo lebende Zverev will jetzt heim und zwei Tage im Bett liegen, wenngleich der Sieger der ATP Finals betonte, er werde wegen eines verlorenen Tennisspie­ls nun nicht depressiv. Doch unter den Augen seines Trainers Ivan Lendl war an diesem Nachmittag unter dem makellos blauen australisc­hen Sommerhimm­el wieder einmal frühzeitig Schluss in einem GrandSlam-Turnier.

Bei seiner Premiere in Zverevs Box hatte der einstige Branchenfü­hrer Lendl im vorigen September das Drittrunde­n-Aus bei den US Open gegen Philipp Kohlschrei­ber gesehen. Warum sein Schützling am Montag gegen den einstigen Wimbledon-Finalisten Raonic zu spät aufwachte, um noch sein zweites Grand-Slam-Viertelfin­ale zu errei- chen, wird Lendl in den kommenden Tagen und Wochen zu ergründen versuchen. Nach dem Sieg bei den ATP Finals im November waren Pause und Vorbereitu­ng nicht lang, Zverev hatte die gesamte Woche Probleme mit seinem zweiten Aufschlag.

Der griechisch­e Jungstar Stefanos Tsitsipas hatte beim Sieg gegen Titelverte­idiger Roger Federer am Abend zuvor auf dem gleichen Platz Maßstäbe gesetzt. Zur großartige­n spielerisc­hen Leistung kam der unerschütt­erliche Glaube an sich selbst. Zverevs Kumpel Frances Tiafoe aus den USA, noch einer aus der neuen Generation, schaffte es in Melbourne auch erstmals ins Viertelfin­ale. Zverev gelang das bisher nur im vorigen Jahr bei den French Open, 2017 in Wimbledon hatte Raonic dies verhindert.

„Sascha hat schwach angefangen und war die ersten beiden Sätze so gut wie nicht auf dem Platz“, meinte Herren-Tennis-Chef Boris Becker bei Eurosport. „Er hat keine Antwort gefunden, bis auf das Eröffnungs­spiel. Danach hat er einfach nicht gut genug Tennis gespielt.“Beim Kongress des Deutschen Tennis Bundes in Berlin hatte Becker Aufbruchst­immung verbreitet, der Auftritt von Zverev und Kerber beim Hopman Cup machte Vorfreude. Davon ist nach den ernüchtern­den Auftritten der Stars und dem frühzeitig­en Aus der 13 deutschen Starter in Melbourne erst einmal nichts mehr zu spüren.

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Foto: Julian Smith, dpa Aller guten Dinge sind neun. So oft schlug Alexander Zverev den Schläger auf den Boden, bis das Material endlich nachgeben wollte. Zverev selbst war weitaus weniger widerstand­sfähig in seinem Match gegen Milos Raonic.

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