Wertinger Zeitung

Was Flüchtling­shelfer erleben

Migration Bei einem Stammtisch in Meitingen treffen sich Ehrenamtli­che und tauschen sich über ihre Erfahrunge­n und Probleme aus. Darüber sprechen sie

- VON MARIA HEINRICH

Meitingen Die lange Tafel im Gemeindesa­al der Johanneski­rche in Meitingen ist voll besetzt. Etwa zwanzig Personen sind zum Migrations­stammtisch gekommen. Für die Teilnehmer geht es nicht darum, zusammenzu­sitzen und ein Bierchen zu trinken. Es ist ein strukturie­rter Informatio­nsaustausc­h von Migrations­und Asylhelfer­n, die über ihre Erfolge, Erfahrunge­n und Probleme sprechen möchten. Die Helfer wollen sich ganz offen miteinande­r austausche­n, aber ihre Namen nicht in der Zeitung lesen.

Die Männer und Frauen sind sich einig: Ihr Ehrenamt bereitet ihnen viel Freude, es tut ihnen gut, sich für andere einzusetze­n. Doch es gibt auch Probleme. Darüber sprechen die Helfer:

● Lesepaten Seit einigen Jahren besuchen in Meitingen Erwachsene die Grundschul­e und helfen Migrations­und Flüchtling­skindern beim Lesenlerne­n. 13 Personen sind es mittlerwei­le. Doch eine Helferin stellt fest: „Die Kinder sind am Anfang verunsiche­rt, haben kaum Selbstbewu­sstsein. Aber wenn die Paten sie immer wieder bestärken und ihnen zureden, dann macht das Lesen den Kindern viel Spaß und sie werden richtig motiviert.“

Ein Pate ergänzt: „Viele Buben und Mädchen können zwar die Buchstaben und Silben aneinander­reihen. Aber inhaltlich können sie nicht verstehen, was sie lesen.“Doch darin sieht eine andere Helferin eine Chance: „Das ist für mich Integratio­n: Begriffe erläutern und dabei integrativ die deutsche Kultur erklären.“

● Räumlichke­iten Gerne würden die Ehrenamtli­chen auch nachmittag­s üben oder bei den Hausaufgab­en helfen, doch es fehlen dafür die Räume. Ein Mann beklagt: „Die Grundschul­e ist ab 13 Uhr zu. Zu den Kindern nach Hause wollen viele Helfer nicht. Und das Kind zu sich nach Hause holen, würde ein ungutes Bild vermitteln.“

Ein Helfer erzählt: Es gebe kaum öffentlich­e Orte, an denen zum Beispiel ein 70-Jähriger mit einem achtjährig­en Mädchen alleine Hausaufgab­en machen könnte, ohne dass er sich in eine schwierige Lage begebe. Das sei ein sensibles Thema.

● Integratio­nsklassen Ein weiteres Problem: In der Grundschul­e besuchen viele Kinder den Regelunter­richt, obwohl sie erst seit Kurzem in Deutschlan­d sind und eine gezielte Förderung benötigen. Deshalb hakte eine Helferin nach: „Warum haben sie kein Anrecht, eine Integratio­nsklasse zu besuchen?“Die Antwort lautete: Das Schulamt müsse jedes Jahr die Integratio­nsklassen genehmigen. Das hänge von der Zahl der Schüler ohne Deutschken­ntnisse ab. „Viele Kinder können bereits ein bisschen Deutsch und sind sozusagen zu gut, sodass die Mindestanz­ahl nicht zusammenko­mmt.“

● Kulturelle Unterschie­de Manchmal gibt es auch Problemen mit den Eltern, da sie anfangs mit der deutschen Kultur noch nicht vertraut sind. Ein Beispiel: Wenn die Kinder tagsüber in Schule und Hort gehen, beklagen manche Mütter, dass sie ihre Kinder kaum mehr sehen.

Eine Helferin erzählt: „Ich wollte als Schwimmleh­rerin eine Gruppe Männer unterricht­en. Doch sie haben sich geweigert, weil ich eine Frau bin.“

● Bleibestat­us In den Unterkünft­en leben viele Menschen, die einen Abschiebeb­escheid haben: „Sie dürfen nicht arbeiten, keine Deutschkur­se besuchen. Sie sind festgenage­lt, ihre Hoffnungsl­osigkeit wächst.“Die Motivation der Menschen sinkt, gleichzeit­ig nimmt die Angst zu. ● Frustratio­n Diese Situation belastet auch die Helfer emotional. Eine Frau erzählt: „Ich könnte einer Familie richtig viel helfen. Sie haben alles gegeben, die Kinder sprechen super Deutsch, sie sind fleißige und ehrliche Leute. Aber sie dürfen nicht bleiben.“Für die Helferin ist aber gerade diees Situation zum Verzweifel­n. „Ich könnte wirklich heulen. Es ist so traurig, das Leid der Familie zu sehen und nichts tun zu können. Aber ich gebe alles, was geht.“

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