Wertinger Zeitung

Karolina Dippel brachte den Tanz in den Landkreis

Einblick Karolina Dippel aus Wertingen baute nicht nur zwei Gruppen im Landkreis Dillingen auf. Sie machte den Tanz in der Gegend erst richtig bekannt. Jetzt entdeckte sie ein neues Hobby. Was das alles mit ihrem eigenen Leben zu tun hat

- VON BIRGIT ALEXANDRA HASSAN (wir berichtete­n)

Wertingen/Schwenning­en Frauen und Männer, mit und ohne Cowboyhüte­n, karierten Hemden, Jeans und Lederstief­eln – was sie tragen ist zweitrangi­g. Was sie tanzen, möglichst identisch. Und das Ziel? „Spaß haben!“Karolina Dippel weiß, wovon sie spricht. Vor elf Jahren hat sie mehr oder weniger zufällig den Linedance entdeckt. Seitdem hat er sich nicht nur in Zentren wie Berlin ausgebreit­et, sondern auch in ihrer Heimat Wertingen und dem ganzen Landkreis Dillingen. „Man kann schon sagen, ich war die Anschubser­in“, sagt sie lachend. In Wertingen und Schwenning­en leitet die 56-Jährige seit vielen Jahren Linedance-Gruppen und organisier­t Events. Das nächste steht am kommenden Samstag in Laugna an. Ab 20 Uhr spielt dort im Bürgersaal die „Why not band“aus Augsburg. Sowohl Linedance- wie Country-Fans sind eingeladen.

Und davon gibt es in der Gegend scheinbar immer mehr. Jahrelang hatte die Tanzverans­taltung im Gasthaus Stark stattgefun­den. Heuer ziehen die Country-Fans nach Laugna um, um mehr Platz zu haben. Ob dem so sein wird, sei allerdings dahingeste­llt. Denn mit dem größeren Raum hatte Karolina Dippel sofort mehr Anmeldunge­n. 140 standen Ende vergangene­r Woche bereits auf ihrer Liste. „Eigentlich sind wir damit voll“, sagt die 56-Jährige, versichert aber gleichzeit­ig: „Wenn noch ein paar spontan kommen, ist das nicht so schlimm.“Mit Sitzplätze­n ist es an dem Abend nämlich keineswegs getan. Die Besucher brauchen vor allem Platz zum Tanzen. „Lieber eng sitzen, dafür gescheit tanzen“, heiße das Motto der Linedancer. Je nach Lied kann es sein, dass sich alle gleichzeit­ig auf der Tanzfläche wiederfind­en und prompt auch das Gleiche tanzen. Beim Linedance sei das nämlich so: „Zu jedem Lied gibt es genau eine Choreograf­ie.“Die wird auf einer weltweiten Plattform im Internet eingegeben, geprüft und dann eingestell­t. Zehn Stück stammen mittlerwei­le auch von der 56-Jährigen aus dem Wertinger Stadtteil Gottmannsh­ofen.

Wenn sie ein Lied hört, das ihr gefällt, geht sie ins Internet und schaut, ob’s darauf schon eine Choreograf­ie gibt. „Das Lied geht mir dann nicht mehr aus dem Kopf, meine Füße fangen wie von alleine an, Schritte zu tanzen, und irgendwann beginn ich aufzuschre­iben.“Zuhause im Esszimmer rollt sie jede Woche meist nicht nur einmal flink den Teppich zur Seite, lässt Country-Musik laufen und tanzt los. Solange, bis ein Stück fließt. Das ist das Schöne für sie: „Linedance kann ich auch ganz alleine tanzen.“Aus Mangel an einem Tanzpartne­r – „mein Mann tanzt nicht“– hatte sie viele Jahre aufs Tanzen verzichtet. Heute teilen sie sich das Hobby: „Er lässt mich gehen und ich tanze“, scherzt sie.

Karolina Dippel stieß auf den Linedance zu einer Zeit, da sie offen dafür war. Die Jahre davor hatte sie mehrere schwere Bauchopera­tionen zu überstehen. Dadurch begann sie, ihr Leben neu wahrzunehm­en. „Vieles war plötzlich nicht mehr wichtig“, sagt sie. „Und meine Prioritäte­n setze ich seitdem auf das, was mir wirklich Spaß macht.“Dazu gehörte und gehört für sie eindeutig der Linedance. Übers Internet brachte sie sich einen Schritt und Tanz nach dem anderen selbst bei. Kaum saß einer, interessie­rte sie der nächste.

Die Hohenreich­ener Gruppe hatte sich bald nach ihrem Eintritt aufgelöst. Zu viert gründeten sie in Wertingen eine Linedance-Gruppe, die „Jumping Boots“. Aus den Anfangszei­ten ist noch eine außer ihr übrig geblieben. 16 Frauen tanzen heute mindestens einmal wöchentlic­h gemeinsam – die jüngste 42, die älteste gut 60 Jahre alt. Zusätzlich aufnehmen können sie derzeit niemand, der Raum zum Üben lasse keine Erweiterun­g zu.

Noch Platz gibt es dagegen in Schwenning­en, wo derzeit zwölf Frauen und zwei Männer regelmäßig tanzen. Eine private Freundesgr­uppe hatte die „Jumping Boots“vor knapp acht Jahren auf der Goldbergal­m tanzen gesehen und gefragt, wo man das lernen könne. „Na bei mir“, antwortete Karolina Dippel damals flapsig. Nach einem Probetrain­ing, dachte sie, würde sich schon jemand finden, der sie weitertrai­niert. Sie hatte sich getäuscht. Die Gruppe ist ihr bis heute geblieben.

Linedance auf dem Volksfest, ein Flashmob auf dem Stadtfest, öffentlich­e Tanzverans­taltungen und zum Linedance-Weltrekord­versuch nach St. Anton – immer wieder fasziniert Karolina Dippel die Vielfalt, die der Linedance bieten kann, seien es die Aktionen oder

„Vieles war plötzlich nicht mehr wichtig. Und meine Prioritäte­n setze ich seitdem auf das, was mir wirklich Spaß macht.“

Karolina Dippel aus Wertingen

die verschiede­nen Choreograf­ien. „Zeitweise“, sagt sie rückblicke­nd, „habe ich versucht, meine Ängste mit dem Tanzen zuzudecken.“Mittlerwei­le hat sie sich eingepende­lt. Den Spaß und das fetzige Tanzen liebt sie immer noch, gleichzeit­ig genießt sie auch ruhigere Momente. „Heute höre ich bei einer Country-Veranstalt­ung gerne zwischendu­rch bei einem Lied zu“, reflektier­t sie. Und wenn die Whynot-Band „57 Chevrolet“anspielt, greift Karolina Dippel regelmäßig zum Mikrofon und singt voller Freude auf der Bühne mit.

Vor zwei Jahren hatte das Leben ihr nochmals etwas aufgezeigt. Massive Schulter- und Rückenprob­leme führten dazu, dass die gelernte Metzgereif­achverkäuf­erin den Beruf, den sie seit 40 Jahren gut und gerne ausgeübt hatte, endgültig aufgeben musste. „Den Leuten ein gutes Stück Fleisch zu verkaufen, hat mir einfach Spaß gemacht, und wenn ich dabei auch noch ’schwierige Kunden’ knackte, umso mehr“, erzählt sie noch heute begeistert.

Auf einer Reha lernte sie vor zwei Jahren dann etwas ganz Neues kennen: Idogo – einfache Bewegungen mit einem Holzstab, die auf den Körper und die Psyche wirken. „Wenn du den Ablauf kennst, brauchst du nicht mehr denken und kannst komplett in die Entspannun­g kommen.“Als sie zuhause weitere Übungen kennenlern­en wollte, merkte sie, dass sie im Landkreis Dillingen nicht weiterkam. So machte sie kurzerhand selbst den Übungsleit­erschein, bietet Stunden im Fitnesszen­trum an und gibt demnächst einen Kurs bei der Volkshochs­chule Wertingen. Ob sie damit wohl erneut Vorreiteri­n im Landkreis Dillingen wird?

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Foto: privat/Dippel Die 56-jährige Karolina Dippel aus Wertingen hat den Linedance im Landkreis Dillingen populär gemacht. Nachdem ihr Leben an einem seidenen Faden hing, hat sie sich erinnert, wie viel Spaß ihr das Tanzen schon immer gemacht hat.

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