Schlechte Nachricht für die Unantastbaren
Die jahrzehntelange Lobbyarbeit hat sich mal wieder gelohnt. Petar Radenkovic, Sepp Maier oder auch Oliver Kahn haben viel für den Ruf ihrer Spezies getan. Bezeichneten das Spielfeld als ihr Königreich, hechteten Enten hinterher oder schnappten nach der Wange eines Gegenspielers. Verhaltensauffällige. Die Grenze zum Irrsinn gerne überschreitend. Nirgendwo anders auf dem Planeten ist die Verehrung für jene Behandschuhten größer als in Deutschland. Immer irgendwo zwischen Fußballgott und Titan. So schufen sich diese armen Gestalten am Ende des Spielfelds eine mystische Aura. Nur die Mutigsten und Verzweifeltsten legen sich mit ihnen an.
In den von Generation zu Generation weitergetragenen, jedoch niemals niedergeschriebenen Regeln ist zwischen „Der Gefoulte schießt nicht selbst“und „drei Ecken, ein Elfer“festgelegt: „Ehre deinen Torwart und wechsle ihn niemals aus.“Im fußballerischen Glaubensbekenntnis steht, dass ein Torhüter nachhaltige psychische Schäden davontrage, wenn er den Posten zwischen den Pfosten verlassen muss. Außerdem würden die Vorderleute durch die Maßnahme in Koordination und Konzentration geschädigt. Eine allumfassende Unsicherheit bemächtige sich der kompletten Mannschaft.
Nun wagte es der Schalker Trainer Domenico Tedesco, seinen Keeper Ralf Fährmann des Stammplatzes zu berauben. Weil der Torhüter auch noch Kapitän ist, doppelte Sünde. Schnell drei „Fußball Unser“gesprochen. Schalke gewann daraufhin gegen Wolfsburg. Ein Wunder! Oder Folge des Leistungsgedankens.
Die küchenpsychologische Argumentationshilfe, wonach das Selbstvertrauen beim Entzug des Stammplatzes Schaden nehme, gilt auch für alle anderen Positionen. Trotzdem treibt es manch Trainer so weit, einen Stürmer oder Mittelfeldspieler auszuwechseln. Während des Spiels! Und in der nächsten Partie läuft er sogar wieder auf.
Noch viel irrer treiben es die Handball-Trainer. Sie tauschen die Torhüter während des Spiels aus. Mehrmals! Seltsamerweise spricht dann niemand davon, dass der Coach seine letzte Patrone verschossen habe oder in Aktionismus verfalle. Handball-Keeper müssen noch viel Lobbyarbeit betreiben.