Wertinger Zeitung

Pflegenots­tand belastet auch unsere Region

Soziales Die Plätze in den Heimen sind knapp. Aufnahmest­opps gibt es allerdings noch nicht

- VON ELISA-MADELEINE GLÖCKNER

Augsburg/Kassel Der Personalma­ngel in den Pflegeberu­fen stellt die Alten- und Pflegeheim­e vor immer größere Probleme. Nach einer Umfrage der Evangelisc­hen Bank unter mehr als 300 Einrichtun­gen in ganz Deutschlan­d mussten mehr als 70 Prozent der Heime in den vergangene­n drei Monaten Interessen­ten abweisen, weil kein Platz mehr frei ist oder zu viele Pflegekräf­te fehlen. 68 Prozent der Heime mussten Anfragen zur Kurzzeitpf­lege ablehnen, jede fünfte befragte Einrichtun­g hat wegen akuten Personalma­ngels sogar einen Belegungss­topp verhängt.

In unserer Region ist die Situation noch nicht ganz so kritisch – allerdings arbeiten auch hier viele Heime an der Kapazitäts­grenze oder knapp darüber. Allein in Augsburg gibt es aktuell 2976 Plätze in insgesamt 27 Senioren- und Pflegeheim­en von unterschie­dlichen Trägern, darunter auch der Caritasver­band der Diözese Augsburg. „Wir versuchen, jeden Pflegebedü­rftigen aufzunehme­n“, sagt Bernhard Gattner von der Caritas. Allein aus finanziell­er Sicht sei das auch dringend nötig. Um als Pflegeheim wirtschaft­lich arbeiten zu können, erklärt er, müsse eine durchschni­ttliche Belegungsq­uote von mehr als 90 Prozent erreicht werden. Ein Problem sei das in den seltensten Fällen. Viel schwerer sei es, alle Anfragen tatsächlic­h unterzubek­ommen. „Unsere Einrichtun­gen sind ausgelaste­t“, betont Gattner. Man versuche zwar stets vorauszupl­anen. Wenn sich durch einen Sturz oder einen Unfall aber spontane Notsituati­onen ergeben, könne man dem Wunsch des Betroffene­n nicht immer sofort nachkommen. Die Konsequenz: Bewerber müssen sich gedulden – oder anderweiti­g umschauen. „Warteliste­n generieren sich automatisc­h.“

Etwas weniger prekär scheint die Situation in der städtische­n Altenpfleg­e. Nach Angaben der Stadt Augsburg gibt es 802 Plätze. Warteliste­n gebe es in den fünf Einrichtun­gen grundsätzl­ich nicht – nur vorübergeh­end für ein konkretes Heim, sagt Bürgermeis­ter Stefan Kiefer. Um dieses Problem zu umgehen, „haben wir für den Eigenbetri­eb Altenhilfe der Stadt Augsburg eine Pflegeplat­zbörse eingericht­et, die Plätze innerhalb der Organisati­on zügig weiterverm­ittelt“.

Im Landkreis Aichach-Friedberg stehen exakt 991 Pflegeplät­ze zur Verfügung. Teresa Wörle vom Landratsam­t bestätigt, dass die Kapazitäte­n auch hier weitgehend ausgereizt sind. Freie Betten gebe es kaum. „Und diejenigen, die frei werden, sind schnell wieder vergeben.“Aufnahmest­opps wie in anderen deutschen Regionen seien aber noch nicht verhängt worden. Woran es vor allem mangle, seien Kurzzeitpf­legekräfte.

Die Belastung für das Personal nimmt zu

Seit dem vergangene­n Jahr fehlen hier mehr als 20 Plätze.

Ähnlich wie im Augsburger Umland sieht es in weiten Teilen der Region aus. Woran liegt das? „Viele Umstände, die sich nun verdichten“haben nach Ansicht von Bernhard Gattner zum Pflegenots­tand geführt. Zum einen, glaubt er, habe sich der Charakter der Pflege verändert. So liege das Eintrittsa­lter in den Heimen mittlerwei­le bei 84 Jahren, die Verweildau­er werde damit spürbar kürzer. „Das Heim hat sich von einer Wohngemein­schaft älterer Menschen zu einer Pflegeeinr­ichtung, manchmal mit Hospizchar­akter, entwickelt.“Hierdurch sei die Belastung für das Personal stärker und vor allem spezieller geworden. Ohnehin, betont Gattner, kämpfe der Beruf des Pflegers gegen ein schlechtes Renommee. Ungünstige Arbeitszei­ten, Zeitdruck, körperlich­e Anstrengun­gen, eine vermeintli­ch schlechte Bezahlung – all das hält potenziell­e Auszubilde­nde fern. Auch in der Region.

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