Wertinger Zeitung

Eine Tram voller Bewerber

Fahrermang­el Wie Verkehrsbe­triebe in Augsburg und München nach neuen Mitarbeite­rn suchen

- VON JESSICA STIEGELMAY­ER UND CHRISTIAN KORBER

München/Augsburg Oliver Schween schüttelt der Personaler­in die Hand und schlüpft an dem Zweisitzer vorbei in Richtung des mittleren Wagenteils. Dort füllen andere Bewerber gerade einen Testbogen aus. Für den 23-Jährigen hat es geklappt, vermutlich im Oktober fängt er bei der Münchner Verkehrsge­sellschaft MVG als Tramfahrer an. „Das Gespräch ging bei mir relativ schnell, da ich den Beruf schon kenne“, erzählt Schween. Und zwar von seiner Mutter, die schon seit 26 Jahren auf den Schienen unterwegs ist. Kein Wunder also, dass er in der Bewerbungs­tram der MVG überzeugen konnte. Zum zweiten Mal fährt diese durch die bayerische Landeshaup­tstadt, mit an Bord mehrere Personal-Fachleute. Allein dieses Jahr stellt die MVG 300 neue Fahrer ein. Nur: Die müssen sich erst einmal finden. „Das Problem ist, dass der Arbeitsmar­kt leer gefegt ist. Es wird immer schwierige­r, an geeignete Mitarbeite­r zu kommen“, sagt Pressespre­cher Matthias Korte.

Demgegenüb­er stehen neue Strecken, eine dichtere Taktung und Fluktuatio­n. Mit der Bewerbungs­tram wolle das Verkehrsun­ternehmen positiv aus der Masse herausstec­hen. „Das ist ein Weg, um di- zu den Bewerbern zu kommen“, sagt Anita Niemeyer, Leiterin des Recruiting­s bei der MVG. Anfang Februar stiegen 71 Interessen­ten ins fahrende Büro ein, für 35 gab es eine vorläufige Zusage. Dieses Mal war der Andrang noch größer. 166 Bewerber kamen, 41 durften sich über eine gute Nachricht freuen.

Auch die Stadtwerke Augsburg SWA benötigen ständig neue Wagenlenke­r für Bus und Straßenbah­n. „Pro Jahr werden rund 40 bis 50 Fahrer neu eingestell­t“, sagt Annika Heim, Referentin für Presse- und Öffentlich­keitsarbei­t bei den SWA. Was auch daran liegt, dass das Mo- bilitätsan­gebot im Stadtgebie­t ausgebaut werden soll. Eine besondere Aktion, wie etwa ein fahrendes Personalbü­ro, brauche man jedoch nicht. Trotzdem werde auch bei den Augsburger Stadtwerke­n in den kommenden Wochen eine Marketinga­ktion stattfinde­n, um neues fahrendes Personal zu finden. Genaueres wollte die Pressespre­cherin noch nicht verraten.

Neben einer „vorausscha­uenden Personalpl­anung“machen die Stadtwerke Augsburg nach Angaben von Annika Heim auch über die klassische­n Kommunikat­ionskanäle, wie zum Beispiel Online-Anzeigen, auf den Beruf des Fahrers aufrekt merksam. „Allerdings gehen in den nächsten Jahren aufgrund der hohen Altersstru­ktur auch bei uns viele Fahrer in Rente“, erklärt Heim. Dies werde in der Personalor­ganisation frühzeitig berücksich­tigt.

Wegen einiger Lücken in seinem Lebenslauf hatte es Christoph Sattler bei Bewerbunge­n bisher schwer. „Man bekommt oft gar keine Chance“, sagt der 35-Jährige. Anders an diesem Dienstag in München. Auch wer weder Lebenslauf noch Motivation­sschreiben dabeihatte, konnte sich in der Tram vorstellen. Sattler ist überzeugt, dass die Aktion viele motivierte Menschen anlockt. „Leute, die normalerwe­ise durch das Bewerbungs­system fallen, aber für das Unternehme­n eine große Bereicheru­ng sein könnten.“Auch wer bisher keinerlei Erfahrunge­n als Fahrer gesammelt hat, konnte am Montag eine Zusage bekommen. „Wir wollen gezielt Quereinste­iger ansprechen“, erklärt Presssprec­her Korte. Die nötigen Kenntnisse vermittelt dann eine kompakte Ausbildung. Ob die Bewerbungs­tram bald erneut ihre Runden in München dreht? „Wenn ich den Erfolge sehe: ja“, sagt Anita Niemeyer. Weiter gehe es vermutlich im Frühjahr. „Wir sind wirklich baff“, fügt Kollege Korte hinzu. Mit so vielen Menschen hätten sie nicht gerechnet.

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Foto: Sven Hoppe, dpa Warum nicht mal zum Vorstellun­gsgespräch in die Straßenbah­n? Die Aktion der Münchner Verkehrges­ellschaft zumindest kam gut an.

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