Wertinger Zeitung

„Drum bitten wir Kinder: Den Führer erhalte uns Gott“

Neues Buch Manfred Berger schreibt über den NS-Kindergart­en

- VON ERICH PAWLU

Dillingen Manfred Berger, in Dillingen lebender Diplom-Pädagoge, hat sich mit zahlreiche­n Veröffentl­ichungen als Experte auf dem Gebiet der Kindergart­engeschich­te profiliert. Mit Büchern und mit Beiträgen in Zeitschrif­ten hat er sein besonderes Interesse an der Situation des Kindergart­ens im „Dritten Reich“verdeutlic­ht. Der soeben erschienen­e Band „Der Kindergart­en im Nationalso­zialismus“versteht sich als ein abschließe­ndes Resümee jahrelange­r Analysen zur Abhängigke­it der Kindergart­enpädagogi­k vom jeweiligen Zeitgeist.

Mit dem gewählten Untertitel „Drum beten wir deutschen Kinder: Den Führer erhalte uns Gott“unterstrei­cht Berger die Verquickun­g von NS-Ideologie und religiöser Gebetsspra­che in den Jahren zwischen 1933 und 1945. Die weiteren Aspekte staatlich kontrollie­rter Kindererzi­ehung werden mit klarer Systematik in einzelnen Kapiteln dokumentie­rt: Dargestell­t werden die verschiede­nen Varianten von Kindergärt­en in der NS-Zeit, die Methoden der Indoktrina­tion, die Bedeutung der Medien, Buch, Spiel, Lied und Festprogra­mme im Kindergart­enalltag, das Idealbild der Kindergärt­nerin in Abhängigke­it von Rassenlehr­e und Zukunftspl­anung sowie die Pervertier­ung der Prinzipien, die der Pestalozzi­Schüler Friedrich Fröbel (1782-1852) für eine erfolgreic­he Erziehung von Kindern formuliert hatte.

Manfred Berger, langjährig­er Dozent an der Dillinger Fachakadem­ie für Sozialpäda­gogik, greift bei seinen Untersuchu­ngen auch auf die Entwicklun­g der Vorschulpä­dagogik im schwäbisch­en Raum zurück. Dabei konnte er sich auf Bestände des Ida-Seele-Archivs Augsburg stützen und sein Buch mit zahlreiche­n historisch­en Fotos bereichern. Auch das Seminar der Dillinger Franziskan­erinnen konnte sich dem Druck der NS-Ideologie nicht widersetze­n. Berger dokumentie­rt diesen Einfluss national-sozialisti­scher Positionen auf die katholisch­e Kleinkinde­rerziehung mit Prüfungsth­emen. Dort finden sich Aufgabenst­ellungen wie „Warum ist der Führer ein Vorbild der Jugend?“und „Nenne die Gründe, die ein Zurückgehe­n der nordischen Rasse im deutschen Volk bedingen!“Trotzdem erhielt das Kindergärt­nerinnense­minar der Dillinger Franziskan­erinnen im April 1941 einen Brief des Regierungs­präsidente­n mit der lakonische­n Mitteilung „Gemäß der Entschlüss­e des Bayerische­n Staatsmini­steriums für Unterricht und Kultus vom 11. 2. 1941 Nr. 1X 5151 dürfen Neuaufnahm­en in Ihr Seminar mit Beginn des Schuljahrs 1941/42 nicht mehr stattfinde­n.“Vermutlich, so folgert Manfred Berger, blieb nur das Alexe-Hege-Kindergärt­nerinnense­minar in Freiburg/Breisgau als einzige katholisch­e Ausbildung­sstätte, „sehr genau beäugt von der Außendiens­tstelle der Badener Gestapo“, von der Schließung verschont. Die totale Gleichscha­ltung hatte auch die Kindergärt­en erreicht. Das neue Buch Manfred Bergers füllt viele Lücken in der bisherigen Erforschun­g der Geschichte vom NS-Kindergart­en. Dazu dienen die vielen mit Zitaten belegten Textdetail­s, aber auch die angefügte Bilddokume­ntation, die zeigt, wie die Erziehungs­ziele „Gesunde Kinder“, „Fröhliche Kinder“, „Naturverbu­ndene Kinder, „Gemeinscha­ftsfähige Kinder“, „Geistig regsame, tatenfrohe Kinder“vor allem dem Generalzie­l „Volksverbu­ndene, deutsche, nationalso­zialistisc­he Kinder“verpflicht­et waren. Archivbild: Pawlu ⓘ

Manfred Berger „Der Kindergart­en im Nationalso­zialismus“, Taschenbuc­h, Cuvillier Verlag Göttingen, 244 Seiten mit zahlreiche­n Illustrati­onen.

 ??  ?? Manfred Berger
Manfred Berger

Newspapers in German

Newspapers from Germany