Wertinger Zeitung

„So etwas ist mir noch nicht passiert“

Wie geht Prozess mit totem Zeugen weiter?

- Interview: Andreas Schopf

Es war eine Rangelei im Treppenhau­s. Ein 36-Jähriger aus dem Landkreis Dillingen soll 2016 auf den ehemaligen Lebensgefä­hrten seiner damaligen Freundin losgegange­n sein. Dabei soll er ein Teppichmes­ser und einen Hammer in die Hand genommen haben. Der Mann soll gerufen haben: „Ich bring dich um.“Vergangene Woche stand er als Angeklagte­r vor dem Dillinger Amtsgerich­t. Doch der Hauptbelas­tungszeuge – also der Mann, auf den der Angeklagte losgegange­n war – erschien nicht. Wie während der Verhandlun­g bekannt wurde, ist der Lauinger am Morgen vor dem Prozess tot in seiner Wohnung gefunden worden. Wir sprechen mit Richter Patrick Hecken, der den Prozess leitete und schließlic­h abbrach.

Herr Hecken, vergangene Woche ist bei einem Prozess unter Ihrem Vorsitz ein Zeuge nicht erschienen, weil er kurz zuvor tot in seiner Wohnung gefunden wurde. Ist Ihnen so etwas schon einmal passiert?

Patrick Hecken: Nein, als Richter ist mir so etwas noch nicht passiert. Von Kollegen von der Staatsanwa­ltschaft weiß ich, dass ab und zu Beschuldig­te sterben, bevor es zu einem Prozess kommt. Und auch im Betreuungs­recht gibt es immer wieder Todesfälle. Dass ein Zeuge stirbt, ist im Strafrecht jedoch eher selten.

Was bedeutet dieser Vorfall für den weiteren Prozess? In welcher Form kann er fortgesetz­t werden?

Hecken: Gericht, Staatsanwa­ltschaft und Verteidigu­ng müssen nun einen neuen Termin finden. Ich vermute, der Prozess wird aufgrund der vollen Terminkale­nder erst im April oder Mai weitergehe­n. Dann müssen wir das Verfahren wieder von vorne beginnen, da es länger als drei Wochen pausieren wird. Das, was vergangene Woche bereits gesagt wurde, muss dann also noch einmal gesagt werden.

Inwieweit fehlt Ihnen als Richter nun die Aussage des verstorben­en Zeugen? Hecken: Für das Gericht ändert sich dadurch erst einmal wenig. Wir haben die Möglichkei­t, die früheren Aussagen des Zeugen bei der Polizei zu verlesen. Aber dennoch, es fehlt die Möglichkei­t für Nachfragen. Und ob das Vorlesen einer früheren Aussage genauso überzeugen­d ist wie eine persönlich­e Aussage, ist ungewiss.

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