„So etwas ist mir noch nicht passiert“
Wie geht Prozess mit totem Zeugen weiter?
Es war eine Rangelei im Treppenhaus. Ein 36-Jähriger aus dem Landkreis Dillingen soll 2016 auf den ehemaligen Lebensgefährten seiner damaligen Freundin losgegangen sein. Dabei soll er ein Teppichmesser und einen Hammer in die Hand genommen haben. Der Mann soll gerufen haben: „Ich bring dich um.“Vergangene Woche stand er als Angeklagter vor dem Dillinger Amtsgericht. Doch der Hauptbelastungszeuge – also der Mann, auf den der Angeklagte losgegangen war – erschien nicht. Wie während der Verhandlung bekannt wurde, ist der Lauinger am Morgen vor dem Prozess tot in seiner Wohnung gefunden worden. Wir sprechen mit Richter Patrick Hecken, der den Prozess leitete und schließlich abbrach.
Herr Hecken, vergangene Woche ist bei einem Prozess unter Ihrem Vorsitz ein Zeuge nicht erschienen, weil er kurz zuvor tot in seiner Wohnung gefunden wurde. Ist Ihnen so etwas schon einmal passiert?
Patrick Hecken: Nein, als Richter ist mir so etwas noch nicht passiert. Von Kollegen von der Staatsanwaltschaft weiß ich, dass ab und zu Beschuldigte sterben, bevor es zu einem Prozess kommt. Und auch im Betreuungsrecht gibt es immer wieder Todesfälle. Dass ein Zeuge stirbt, ist im Strafrecht jedoch eher selten.
Was bedeutet dieser Vorfall für den weiteren Prozess? In welcher Form kann er fortgesetzt werden?
Hecken: Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung müssen nun einen neuen Termin finden. Ich vermute, der Prozess wird aufgrund der vollen Terminkalender erst im April oder Mai weitergehen. Dann müssen wir das Verfahren wieder von vorne beginnen, da es länger als drei Wochen pausieren wird. Das, was vergangene Woche bereits gesagt wurde, muss dann also noch einmal gesagt werden.
Inwieweit fehlt Ihnen als Richter nun die Aussage des verstorbenen Zeugen? Hecken: Für das Gericht ändert sich dadurch erst einmal wenig. Wir haben die Möglichkeit, die früheren Aussagen des Zeugen bei der Polizei zu verlesen. Aber dennoch, es fehlt die Möglichkeit für Nachfragen. Und ob das Vorlesen einer früheren Aussage genauso überzeugend ist wie eine persönliche Aussage, ist ungewiss.