Mit Schminke dem Krebs trotzen
Die Gundelfinger Kosmetikerin Maureen Wachter gibt Seminare für kranke Frauen. Neuerdings können Betroffene auch im Landkreis Dillingen ihre Angebote wahrnehmen
Um kurz nach halb fünf erklärt Maureen Wachter, wie wichtig Haarwäsche ist. „Haarwäsche?“, fragt eine Frau und fasst sich auf den kahlen Kopf. Lachen füllt den Raum „Donau“im dritten Stock der Universitätsfrauenklinik in Ulm. Maureen Wachter lacht mit. Die 42-Jährige – kniehohe Stiefel, schwarze Hose, Bluse und Blazer in Rosa-Tönen – betreibt das Kosmetikstudio „Schönheit in Perfektion“in Gundelfingen und bringt Krebspatientinnen ehrenamtlich bei, wie sie sich schminken können. Ihre Seminare finden in der ganzen Region statt – in Heidenheim, Aalen oder eben in Ulm. Neun Frauen sind an diesem Nachmittag gekommen. Wer sie sind, wie sie heißen und wie sie aussehen, soll geheim bleiben. Auch das Bild zeigt Teilnehmerinnen eines anderen Kurses. Die Frauen tragen Mützen und Kopftücher, zwei haben Perücken auf. Eine sagt: „Manche haben das gar nicht mitbekommen, dass ich Krebs habe.“
Vier Mal im Jahr gibt Wachter solche Kurse für Krebspatientinnen, es ist ein Angebot der Stiftung DKMS Life. Die Organisation mit Sitz in Köln will krebskranken Menschen Hoffnung und Lebensmut schenken. Das soll die Heilung unterstützen. Zum Programm der Stiftung zählen Kurse für erwachsene Frauen und für Jugendliche sowie Seminare, die sich um den Umgang mit Haarausfall und Haarersatz drehen. Die Kosmetiktaschen, die an diesem Nachmittag in Ulm ausliegen, haben einen Wert von rund 150 Euro. Unternehmen aus der Kosmetikbranche haben die Produkte ge- spendet. Wie aus einem Geschenkkorb nehmen die Frauen die Tuben, Flaschen und Dosen aus dem grauen Kunststoffbeutel. Lippenstift, Lidschatten, Wimperntusche, Kayal, Sonnenlotion, Gesichtscreme. „Ein bisschen schade, dass wir keinen Pinsel haben“, bedauert Wachter. Watte-Pads, Wattestäbchen und Finger müssen aushelfen.
Manche der Frauen in Ulm tun sich schwer mit den Produkten. Eine trägt den Lidschatten viel zu dick auf. „Ich hab’ mich noch nie geschminkt, mein Mann will das nicht“, sagt sie. Eine andere lässt sich lieber direkt von Maureen Wachter helfen. „Viel zu grell. Ich sehe ja aus wie in der Geisterbahn“, sagt eine dritte, als sie in den Kosmetikspiegel schaut. Den Frauen geht es nicht darum, sich bunt und auffällig aufzupeppen. Sie wollen natürlich aussehen und gesund.
Maureen Wachter, die Kosmetikerin, hat schon eine ganze Reihe solcher Seminare gegeben. „Es geht darum, die Frauen für zwei Stunden auf andere Gedanken zu bringen“, sagt Wachter. „Wenn sie danach mit einem Lachen herausgehen, ist das Motivation genug für mich.“Je nach Krankheitsverlauf seien manche nicht mehr imstande zu lächeln. Trotzdem merke Wachter, wie sich die Frauen im Laufe des Seminars auf das Angebot einlassen können. Am Anfang herrsche zwar häufig eine bedrückende Stimmung. Das ändert sich aber schnell. „Nach einer Viertelstunde werden die Teilnehmerinnen lockerer“, sagt die Gundelfingerin. Ein entscheidendes Zeichen für sie sei es, wenn die Perücke abgelegt wird, wenn die Frauen das Vertrauen haben, sich auch ohne Haare auf dem Kopf öffnen zu können.
„Die Arbeit bei den DKMS-Seminaren macht mir großen Spaß“, sagt Wachter. Doch sie will sich mehr engagieren als lediglich bei vier Kursen im Jahr. Deshalb hat sie im vergangenen Jahr ein eigenes Angebot im Landkreis Dillingen auf die Beine gestellt – einen Workshop mit dem Titel „Schön, fit, gesund“. Ein Teil davon ist auch hierbei ein Kosmetikseminar, in kleinen Gruppen von bis zu acht Teilnehmerinnen. Dazu kommt ein Schwimmtraining, bei dem sich die Frauen sportlich und zugleich schonend im Wasser bewegen sollen. Hintergrund: Sportliche Aktivität kann die Nebenwirkungen einer Chemotherapie und das Risiko eines Rückfalls senken. Zum Stichwort „gesund“gibt es eine Beratung, wie sich die Frauen speziell bei einer Krebserkrankung ernähren und mit Vitaminen versorgen müssen.
An Wachters Seite als Organisatorin steht Stefanie Ruhland von der DLRG. Im Lauinger DLRG-Heim findet der Workshop statt, der sich über insgesamt fünf Wochen erstreckt. Das Angebot richtet sich vor allem an Frauen mit Brustkrebs. Aber auch Frauen mit anderen Krebsarten sind immer willkommen, betont Wachter. Sie hat bereits im vergangenen Jahr „Schön, fit, gesund“angeboten, nur: Es fanden sich keine Teilnehmerinnen. „Vielleicht war der Kurs zu wenigen bekannt“, vermutet Wachter. Jetzt versucht sie es erneut. Am 16. März startet der nächste Workshop. Und auch im Herbst ist einer geplant.
Wachters Seminar in Ulm geht derweil zu Ende. „Es ist etwas anderes, wenn ich jetzt in den Spiegel schaue“, schwärmt eine Frau und lächelt. „Wir gehen alle mit einem Strahlen nach Hause.“Zum Abschluss sind Accessoires Thema. „Große Ohrringe. Ein zweites Tuch, um das Kopftuch gewickelt, vielleicht eine Brosche. Sonnenbrillen natürlich“, zählt Wachter auf. „Mit Accessoires kann man viel machen.“Dann sagt sie: „Vielen Dank, es hat mega Spaß gemacht.“Die Frauen klatschen, lange und laut. Aber gehen will keine. Der Kurs ist zu Ende, der Austausch nicht. Bis eine Krankenschwester zum Aufräumen kommt.
Die Frauen wollen natürlich aussehen – und gesund