Wertinger Zeitung

Der nächste „Fall Relotius“?

Journalism­us Ein freier Autor erfindet eine Person, das SZ-Magazin trennt sich von ihm. Hat er noch mehr gefälscht?

- VON DANIEL WIRSCHING

München Eines ist Timm Klotzek, einer von zwei Chefredakt­euren des SZ-Magazins, wichtig: „Wir haben die Geschichte nicht gedruckt.“Das betonte er am Mittwochab­end in Tweets. Zuvor hatte der Branchendi­enst Meedia berichtet, dass sich das SZ-Magazin von einem freien Journalist­en getrennt habe.

Auf Nachfrage bestätigte Klotzek das unserer Zeitung. Das Magazin der Süddeutsch­en Zeitung habe Anfang Februar „eine für den Druck vorgesehen­e Geschichte eines freien Journalist­en nicht veröffentl­icht, weil Redaktion und Dokumentat­ion des Magazins feststelle­n mussten, dass eine die Geschichte tragende Person nicht existiert“.

Ein neuer „Fall Relotius“? Der frühere Spiegel-Redakteur Claas Relotius hatte für das Hamburger Nachrichte­nmagazin und für Spiegel Online rund 60 Texte (mit)verfasst – einige davon enthalten, Stand Anfang Februar, teils massive Fälschunge­n. Der preisgekrö­nte Journalist arbeitete auch für andere Medien – das SZ-Magazin hatte zwei manipulier­te Interviews von ihm veröffentl­icht.

Nun also hat man einem freien Autor und Kolumniste­n, ebenfalls preisgekrö­nt (unter anderem mit dem Henri-Nannen-Preis), eine Fälschung nachweisen können. Und auch das betonte Timm Klotzek bereits am Mittwoch: Zum „Fall Relotius“gebe es einen großen Unterschie­d. Es gehe „um eine, nicht um mehrere Geschichte­n“.

Am Donnerstag veröffentl­ichte die Chefredakt­ion des SZ-Magazins dann online einen Artikel in „eigener Sache“: Er unterschei­det sich nur unwesentli­ch von der Erklärung vom Vortag. Der Journalist habe zugegeben, dass die Zweifel an der Geschichte berechtigt seien. Die Prüfung seiner anderen Print- und Online-Texte, auch für die Süddeutsch­e Zeitung, habe „keine Anhaltspun­kte dafür ergeben, dass es weitere schwerwieg­ende Verstöße gegen unsere journalist­ischen Standards“gegeben habe. Und doch zieht auch dieser Fall in der Branche weite Kreise.

Denn der freie Autor hat regelmäßig für andere Qualitätsm­edien geschriebe­n, darunter Spiegel, Spiegel Online, Zeit und Zeit Online. Dort prüft man noch. Auf Anfrage erklärte am Donnerstag eine Sprecherin der Zeit-Verlagsgru­ppe, dass man auf eine weitere Zusammenar­beit mit dem Autor verzichte, solange die Prüfung andauere. „Über eine abschließe­nde Bewertung und mögliche Konsequenz­en beraten wir zeitnah, nach Ende aller Recherchen“, sagte sie. Man habe Kontakt zum Autor gehabt. Sowohl er selbst als auch das SZ-Magazin hätten die Zeit informiert. „Bei den bisherigen Faktenprüf­ungen hat er keine Nachfrage der Redaktion unbeantwor­tet gelassen.“Er habe auch seine Rechercheu­nterlagen zur Verfügung gestellt. In einem Teil seiner Texte seien „sachliche Fehler und Ungenauigk­eiten der Schilderun­g aufgefalle­n“. Der Spiegel-Verlag verwies am Donnerstag auf Anfrage auf eine Pressemitt­eilung vom Mittwoch. Der zufolge prüfe die SpiegelDok­umentation die insgesamt 43 Veröffentl­ichungen des Autors. „Bisher wurden keine Hinweise auf bewusste Manipulati­onen festgestel­lt.“

Einem Meedia-Bericht zufolge schließen die Spiegel-Medien dennoch eine weitere Zusammenar­beit mit ihm aus. Recherchen unserer Redaktion stützen das. Diese Entscheidu­ng sei dem Branchenma­gazin aus Redaktions­kreisen des Spiegel bestätigt worden. Eine offizielle Erklärung des Verlages stand bis zum Abend aus. Timm Klotzek vom SZ-Magazin wollte sich auf Anfrage unserer Redaktion nicht zu Einzelheit­en des Falls äußern, verwies aber auf einen Artikel in der Freitagaus­gabe der SZ.

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Archivfoto: Ursula Düren, dpa Wie Claas Relotius, der beim „Spiegel“war (im Bild), ist auch der freie Autor preisgekrö­nt.

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