Bayerische Firma Kathrein schrumpft weiter
Analyse Der Ausverkauf setzt sich fort: Im 100. Jubiläumsjahr gibt der Konzern auch noch sein Herzstück mit 4000 Mitarbeitern ab. Hier kommen Schweden zum Zug. Das Werk in Nördlingen wurde schon früher aufgegeben
Rosenheim/Nördlingen Rosenheims IG-Metall-Chef Jochen Hafner kann der Sache noch eine gute Seite abgewinnen: „Mir sind die Schweden von Ericsson lieber als ein chinesischer Investor.“So kommentiert der Gewerkschafter gegenüber unserer Redaktion die Nachricht, dass die in Rosenheim sitzende Kathrein-Gruppe im 100. Jahr ihres Bestehens nach einem ausgedehnten Schrumpfkurs nun auch noch das Herzstück mit rund 4000 Mitarbeitern eben an den schwedischen Riesen Ericsson verkaufen will. Angeblich war auch der chinesische Huawei-Konzern interessiert.
Das mit Antennentechnik bekannt gewordene bayerische Unternehmen hatte zuvor schon die Automobilsparte mit mehr als 1000 Beschäftigten an Continental abgestoßen. Überdies baute die angeschlagene Kathrein-Gruppe weltweit rund 500 Arbeitsplätze ab. Von der alten Pracht bleibt nicht mehr viel erhalten. Bekanntermaßen hatte sich die Firma schon vom Standort Nördlingen mit einst etwa 700 Mitarbeitern zurückgezogen. Eine Sprecherin des Unternehmens rechnet auf Anfrage vor, dass von ehedem rund 8000 für den Konzern tä- Frauen und Männern am Ende nach allen Verkäufen, Ausgründungen und Restrukturierungen noch rund 350 übrig bleiben. Ein dramatischer Prozess. Doch sowohl Kathrein als auch die IG Metall verweisen darauf, dass etwa in Rosenheim um die 1000 Mitarbeiter künftig für Ericsson arbeiten sollen. Damit könnten die Arbeitsplätze unter neuer Regie erhalten bleiben. Und es entstehe, wie IG-Metall-Mann Hafner sagt, gerade was den neuen und schnelleren Mobilfunk-Standard 5G betrifft, ein starker Player, der den Asiaten die Stirn bieten könne. So glauben Branchenkenner, dass Ericsson mit den Erfindungen und Patenten des 5G-Vorreiters Kathrein auf dem Gebiet schlagkräftitigen ger werde. Mit der bayerischschwedischen Heirat werde ein europäischer Champion geformt, was ja in Augsburg auf dem Feld der Robotik trotz aller Bemühungen misslang. Hier schnappte sich der chinesische Haushaltsgeräte-Riese Midea das Hightech-Unternehmen Kuka.
Doch wenn Anton Kathrein junior, der 1972 mit 21 Jahren nach dem Tod des Vaters die Firma übernahm, den radikalen Schrumpfprozess erlebt hätte, wäre er sicher tief traurig gewesen. Denn der FirmenLenker hatte Kathrein zum Global Player und zu einem führenden Antennenhersteller geformt. Das Wort „Vollblut-Unternehmer“mag abgenutzt klingen, Anton Kathrein junior war genau das. Mit Leidenschaft forcierte er den Ausbau der Firma. Der hemdsärmelige und den Freuden des Lebens nicht entsagende Mann war ein geschickter Netzwerker, der sich in Unternehmensverbänden und auch politisch zum Wohle der Firma und auch Bayerns engagierte. Davon zeugen viele Ehrungen. Sein Tod im Jahre 2012 mit 61 Jahren war ein Nackenschlag für die Firma. Schließlich hatte er den Betrieb auf sich zugeschnitten. Ein Wirtschaftsmann wie er mit direktem Draht zur Staatsregierung, ja zu Ministerpräsidenten, lässt sich nicht so leicht ersetzen. Persönlichkeit ist eben nicht austauschbar.
So hatte es sein ebenfalls Anton heißender Sohn nicht leicht, als er 2012 die Geschicke der Firma übernahm, zumal sich der Markt immer schneller veränderte. Die machtvolle und Preise brechende Konkurrenz aus Asien setzte Kathrein von Jahr zu Jahr immer mehr zu.