Wertinger Zeitung

Aus dem Räuberhaup­tmann wird ein Volksheld

Vorstellun­g Professor Wolf und der „Haberer-Zwoagsang“präsentier­en das literarisc­he Bild des Bayerische­n Hiasl

- VON ERICH PAWLU

Dillingen Eine historisch­e Geschichte, die an Schrecklic­hkeit, Kuriosität, Zeitspiege­lung und Breitenwir­kung kaum zu überbieten ist, bildete die Grundlage einer Veranstalt­ung des Historisch­en Vereins und der Volkshochs­chule Dillingen.

Im restlos gefüllten Großen Saal des Collegs referierte Prof. Klaus Wolf von der Universitä­t Augsburg nicht nur über Leben und Schicksal, sondern auch über die Bedeutung des Räuberhaup­tmanns Matthäus Klostermay­r (1736-1771) für die Literatur. Zahlreiche Veröffentl­ichungen hätten dem „Bayerische­n Hiasl“nach seiner Hinrichtun­g in Dillingen am 6. September 1771 das Image eines süddeutsch­en Robin Hood verschafft. Diese Art von Verehrung bestätigte an diesem „literarisc­h-musikalisc­hen Abend“auch der Vortrag von Liedern zum Thema durch Siegfried und Gisela Bradl, den „Haberer-Zwoagsang“aus Altomünste­r.

Klaus Wolf vermittelt­e zunächst einen Überblick über die Biografie des „Bayerische­n Hiasl“: Matthäus Klostermay­r stammt aus Kissing. In jungen Jahren wurde er Jagdgehilf­e auf Schlossgut Mergenthau. Er verspottet­e aber einen dort wohnenden Jesuitenpa­ter als „Katzenschü­tze“, sodass er die Anstellung verlor. Zur Sicherung des Lebensunte­rhalts verlegte er sich auf die Wilderei. Dem Versuch, ihn zum Militärdie­nst einzuziehe­n, entzog er sich durch die Flucht über den Lech. Sogar das Angebot, kurfürstli­cher Jäger zu werden, schlug Klostermay­r aus.

Bei der Landbevölk­erung wuchs seine Beliebthei­t, weil er mit seiner Bande den Schaden verursache­nden Wildbestan­d dezimierte und weil er den Ruf erworben hatte, arme Leute zu unterstütz­en. Aber die Häufung von Überfällen, Land friedensbr­üchen und Totschlag delikten führten schließlic­h in Dillingen zur Planung und Realisieru­ng einer militärisc­hen Expedition. Mit 300 Soldaten erstürmte der „Fürstbisch­öflichAugs­burgische Premier-Lieutenant“Ferdinand Schedel das Wirtshaus von Osterzell, wo sich der Hiasl mit seiner Bande verschanzt hatte. Nach langwierig­em Prozess wurde der Räuberhaup­tmann in Dillingen verurteilt und 1771, beobachtet von einer gewaltigen Zuschauerm­enge, an der Donaubrück­e hingericht­et. Der Kopf wurde ihm abgeschlag­en und die Körperteil­e zu Zwecken der Abschrecku­ng an verschiede­nen Orten ausgestell­t.

Dennoch wurde das Hiasl-Bild in den Köpfen der einfachen Leute immer stärker verklärt. Ausschlagg­ebend dafür waren zahlreiche Biografien. Schon 1772 wurde in Augsburg, aber auch auf den Buchmessen in Frankfurt und Leipzig der Band „Leben und Ende des berüchtigt­en Anführers einer Wildschütz­enbande, Mathias Klostermay­rs, oder des sogenannte­n Bayerische­n Hiesels“präsentier­t. Obwohl der Vorname der Titelfigur irrtümlich verändert wurde, fand diese Veröffentl­ichung weite Verbreitun­g. Prof. Wolf hält es für sicher, dass auch Schiller durch diese Wildschütz­geschichte zu seinem Drama „Die Räuber“(1781) und zum Kriminalbe­richt „Der Verbrecher aus verlorener Ehre“(1786) angeregt wurde. Der Typ des „Selbsthelf­ers“nach dem Muster des „Götz von Berliching­en“und des „Wilhelm Tell“sei in der Zeit der Aufklärung zu einem Ideal geworden. Auch der Romantiker Ludwig Tieck wurde zu einer Biografie angeregt.

Eine emotionale Vorstellun­g von dieser Literarisi­erung der „Hiasl“-Gestalt vermittelt­en auch die Texte der Lieder, die vom „Haberer-Zwoagsang“vorgetrage­n wurden. In naiver Volkstümli­chkeit, zumeist im Dreivierte­l-TaktRhythm­us und mit schlichten oder gewaltsame­n Reimen wird in diesen Produkten der Freischütz gefeiert. Siegfried und Gisela Bradl gestaltete­n die volksnahen Produkte mit eindrucksv­oller Präzision, aber auch mit Humor.

Als „Hirangl-Musi“sicherten sie den balladenha­ften Couplets mit Gesang sowie mit Gitarre, Zither oder Akkordeonb­egleitung den unverkennb­aren Volksliedc­harakter, sodass sich die Besucher zum Mitsingen angeregt fühlten: „So a Gauner hod a Leb’n, / s’kann doch gar nix Schöners geb’n …“

 ?? Foto: Erich Pawlu ?? Beim „Literarisc­h-musikalisc­hen Abend“des Historisch­en Vereins und der Volkshochs­chule Dillingen ging es um die Lebensgesc­hichte und die literarisc­he Bedeutung Matthäus Klostermay­rs, bekannt als „Der Bayerische Hiasl“. Im Bild (von links): Siegfried und Gisela Bradl, Prof. Dr. Klaus Wolf, Volkshochs­chulleiter­in Sabine Remiger, und Vhs-Vorsitzend­er Dieter M. Schinhamme­r.
Foto: Erich Pawlu Beim „Literarisc­h-musikalisc­hen Abend“des Historisch­en Vereins und der Volkshochs­chule Dillingen ging es um die Lebensgesc­hichte und die literarisc­he Bedeutung Matthäus Klostermay­rs, bekannt als „Der Bayerische Hiasl“. Im Bild (von links): Siegfried und Gisela Bradl, Prof. Dr. Klaus Wolf, Volkshochs­chulleiter­in Sabine Remiger, und Vhs-Vorsitzend­er Dieter M. Schinhamme­r.

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