Reiselustige Kunden betrogen: Mann muss in Haft
Gericht Augsburger Amtsgericht verurteilt 68-Jährigen und seine 29-jährige Tochter. Wie Menschen um ihr Geld gebracht wurden
Landkreis Augsburg Wollen nicht alle Eltern stets das Beste für ihre Kinder und legen sich entsprechend krumm? Im vorliegenden Fall vor dem Schöffengericht des Augsburger Amtsgerichts liegt die Sache anders. Ein 68-Jähriger hat seine 29-jährige Tochter durch Betrug bei Reisevermittlungen mit ins Unglück gezogen. Beide wurden jetzt zu Haftstrafen verurteilt, der Vater muss ins Gefängnis.
Um nicht weniger als 157000 Euro drehte sich der Prozess. Geld, das der 68-Jährige in den Jahren 2015 und 2016 von Kunden für Reisevermittlungen eingenommen hatte, obwohl er die Reisen nie buchte. Weil der Vater wegen vorangegangener Verfehlungen (wofür er auch schon im Gefängnis saß), kein Gewerbe mehr betreiben durfte, bat er seine Tochter um Hilfe. Sie meldete ein Reisebüro im Landkreis Augsburg auf ihren Namen an. Anschließend habe sie sich kaum mehr um das Geschäft gekümmert – tatsächlich betrieb es ihr Vater als Mann vom Fach. Selbst als sie nach einiger Zeit ein Schreiben von einem Rechtsanwalt erhielt, dass es Probleme gegeben hatte und man Geld zurückfordere, klingelte es bei der Tochter nicht. Sie habe den Kopf in den Sand gesteckt – trotzdem machte sie sich der Beihilfe zum Betrug schuldig.
Viel schwerer wogen dagegen die Vorwürfe gegen ihren Vater. Insgesamt 26 Fälle klagte Staatsanwalt Nicolas Pfeil an, weitere blieben unberücksichtigt. Die Bandbreite der Betrügereien erstreckte sich von einer Sylt-Reise für 500 Euro bis hin zu einer Mehr-Personen-Kreuzfahrt für 48000 Euro. Plastisch schilderte eine Polizei-Ermittlerin den Fall einer Firma, die mit der gesamten Belegschaft zu einem Geschäftstermin hatte fliegen wollen. Am Flughafen gab es dann schlechte Nachrichten: Niemand fliegt, weil die Reise nicht bezahlt worden sei. Die Firma hatte dem Reisevermittler nicht weniger als 2400 Euro überwiesen. Was den Staatsanwalt und das Gericht besonders empörte: Obwohl bereits im Februar 2018 ein Verhandlungstermin in der Angelegenheit vor Gericht stattfand, hatte der 68-jährige heutige Rentner weiter seine betrügerischen Geschäfte fortgesetzt.
Nach einem Rechtsgespräch auf Antrag ihrer Verteidiger Werner Ruisinger und Helmut Linck mit dem Gericht und der Staatsanwaltschaft legten Vater und Tochter ein vollumfängliches Geständnis ab, wofür diese einen festen Strafrahmen zugesagt bekamen.
Den nutzte Staatsanwalt Pfeil im Fall es Angeklagten voll aus. Angesichts des immensen Schadens, der Unverfrorenheit des Mannes und des Umstandes, dass er bereits mehrfach einschlägig vorbestraft war, forderte er für 26 Fälle des Betrugs eine Freiheitsstrafe von drei Jahren. Im Falle seiner Tochter wollte es der Staatsanwalt wegen 16 Fällen der Beihilfe bei einem Jahr, aussetzbar zur Bewährung, bewendet wissen. Verteidiger Ruisinger räumte ein, dass sich sein Mandant auch eine Bewährungsstrafe erhofft hatte. Immerhin habe er das unterschlagene Geld nicht für privaten Konsum aufgebraucht. Er versuchte, finanzielle Löcher in seinem Geschäftsbetrieb zu schließen. Rechtsanwalt Ruisinger hielt er wegen des Geständnisses eine Strafe von zwei Jahren und drei Monaten für angemessen. So bleibe dem Angeklagten bald wieder Zeit, sich um seine schwer pflegebedürftige Ehefrau zu kümmern.
Rechtsanwalt Linck plädierte für seine Mandantin auf eine Strafe von zehn Monaten. Die Frau, angestellt im Öffentlichen Dienst, habe keinerlei Profit aus den Betrügereien erlangt. Sie sei vielmehr in eine Privatinsolvenz in sechsstelliger Höhe gerauscht, müsse monatlich über 500 Euro ihres Einkommens für Schulden abführen.
Das Gericht um Richterin Ulrike Ebel-Scheufele verurteilte den Angeklagten zu zwei Jahren und sechs Monaten Haftstrafe. Immer wieder habe er Betrug begangen, sich auch von vorangegangenen Strafen nicht abschrecken lassen. Das Gericht glaubte aber der Beteuerung des Mannes, der einen Schlussstrich ziehen wolle. Die Tochter bekam eine Freiheitsstrafe von einem Jahr, ausgesetzt zur Bewährung. Sie muss zudem 90 Stunden Dienst in einem Pflegeheim leisten. Vater und Tochter sind zudem gesetzlich zu Wertersatz verpflichtet. In seinem Fall heißt das, er muss für 157000 Euro gerade stehen. Seine Tochter ist von über 38000 Euro betroffen.
Tochter rauscht in die Privatinsolvenz