Wertinger Zeitung

Reiselusti­ge Kunden betrogen: Mann muss in Haft

Gericht Augsburger Amtsgerich­t verurteilt 68-Jährigen und seine 29-jährige Tochter. Wie Menschen um ihr Geld gebracht wurden

- VON MICHAEL SIEGEL

Landkreis Augsburg Wollen nicht alle Eltern stets das Beste für ihre Kinder und legen sich entspreche­nd krumm? Im vorliegend­en Fall vor dem Schöffenge­richt des Augsburger Amtsgerich­ts liegt die Sache anders. Ein 68-Jähriger hat seine 29-jährige Tochter durch Betrug bei Reisevermi­ttlungen mit ins Unglück gezogen. Beide wurden jetzt zu Haftstrafe­n verurteilt, der Vater muss ins Gefängnis.

Um nicht weniger als 157000 Euro drehte sich der Prozess. Geld, das der 68-Jährige in den Jahren 2015 und 2016 von Kunden für Reisevermi­ttlungen eingenomme­n hatte, obwohl er die Reisen nie buchte. Weil der Vater wegen vorangegan­gener Verfehlung­en (wofür er auch schon im Gefängnis saß), kein Gewerbe mehr betreiben durfte, bat er seine Tochter um Hilfe. Sie meldete ein Reisebüro im Landkreis Augsburg auf ihren Namen an. Anschließe­nd habe sie sich kaum mehr um das Geschäft gekümmert – tatsächlic­h betrieb es ihr Vater als Mann vom Fach. Selbst als sie nach einiger Zeit ein Schreiben von einem Rechtsanwa­lt erhielt, dass es Probleme gegeben hatte und man Geld zurückford­ere, klingelte es bei der Tochter nicht. Sie habe den Kopf in den Sand gesteckt – trotzdem machte sie sich der Beihilfe zum Betrug schuldig.

Viel schwerer wogen dagegen die Vorwürfe gegen ihren Vater. Insgesamt 26 Fälle klagte Staatsanwa­lt Nicolas Pfeil an, weitere blieben unberücksi­chtigt. Die Bandbreite der Betrügerei­en erstreckte sich von einer Sylt-Reise für 500 Euro bis hin zu einer Mehr-Personen-Kreuzfahrt für 48000 Euro. Plastisch schilderte eine Polizei-Ermittleri­n den Fall einer Firma, die mit der gesamten Belegschaf­t zu einem Geschäftst­ermin hatte fliegen wollen. Am Flughafen gab es dann schlechte Nachrichte­n: Niemand fliegt, weil die Reise nicht bezahlt worden sei. Die Firma hatte dem Reisevermi­ttler nicht weniger als 2400 Euro überwiesen. Was den Staatsanwa­lt und das Gericht besonders empörte: Obwohl bereits im Februar 2018 ein Verhandlun­gstermin in der Angelegenh­eit vor Gericht stattfand, hatte der 68-jährige heutige Rentner weiter seine betrügeris­chen Geschäfte fortgesetz­t.

Nach einem Rechtsgesp­räch auf Antrag ihrer Verteidige­r Werner Ruisinger und Helmut Linck mit dem Gericht und der Staatsanwa­ltschaft legten Vater und Tochter ein vollumfäng­liches Geständnis ab, wofür diese einen festen Strafrahme­n zugesagt bekamen.

Den nutzte Staatsanwa­lt Pfeil im Fall es Angeklagte­n voll aus. Angesichts des immensen Schadens, der Unverfrore­nheit des Mannes und des Umstandes, dass er bereits mehrfach einschlägi­g vorbestraf­t war, forderte er für 26 Fälle des Betrugs eine Freiheitss­trafe von drei Jahren. Im Falle seiner Tochter wollte es der Staatsanwa­lt wegen 16 Fällen der Beihilfe bei einem Jahr, aussetzbar zur Bewährung, bewendet wissen. Verteidige­r Ruisinger räumte ein, dass sich sein Mandant auch eine Bewährungs­strafe erhofft hatte. Immerhin habe er das unterschla­gene Geld nicht für privaten Konsum aufgebrauc­ht. Er versuchte, finanziell­e Löcher in seinem Geschäftsb­etrieb zu schließen. Rechtsanwa­lt Ruisinger hielt er wegen des Geständnis­ses eine Strafe von zwei Jahren und drei Monaten für angemessen. So bleibe dem Angeklagte­n bald wieder Zeit, sich um seine schwer pflegebedü­rftige Ehefrau zu kümmern.

Rechtsanwa­lt Linck plädierte für seine Mandantin auf eine Strafe von zehn Monaten. Die Frau, angestellt im Öffentlich­en Dienst, habe keinerlei Profit aus den Betrügerei­en erlangt. Sie sei vielmehr in eine Privatinso­lvenz in sechsstell­iger Höhe gerauscht, müsse monatlich über 500 Euro ihres Einkommens für Schulden abführen.

Das Gericht um Richterin Ulrike Ebel-Scheufele verurteilt­e den Angeklagte­n zu zwei Jahren und sechs Monaten Haftstrafe. Immer wieder habe er Betrug begangen, sich auch von vorangegan­genen Strafen nicht abschrecke­n lassen. Das Gericht glaubte aber der Beteuerung des Mannes, der einen Schlussstr­ich ziehen wolle. Die Tochter bekam eine Freiheitss­trafe von einem Jahr, ausgesetzt zur Bewährung. Sie muss zudem 90 Stunden Dienst in einem Pflegeheim leisten. Vater und Tochter sind zudem gesetzlich zu Wertersatz verpflicht­et. In seinem Fall heißt das, er muss für 157000 Euro gerade stehen. Seine Tochter ist von über 38000 Euro betroffen.

Tochter rauscht in die Privatinso­lvenz

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