Wertinger Zeitung

Sabotiert Scheuer Klimaziele?

Hintergrun­d Schwere Vorwürfe gegen den Bundesverk­ehrsminist­er aus der Kommission zur Senkung der Verkehrsem­issionen

- VON STEFAN LANGE

Berlin Das Klima war wieder einmal nicht gerettet, als die Sitzung der Arbeitsgru­ppe gegen vier Uhr am Dienstagmo­rgen beendet wurde. Rund 17 Stunden hatten die Mitglieder der sogenannte­n AG 1 zum Klimaschut­z im Verkehr bis zur Erschöpfun­g verhandelt, doch am Ende standen nur marginale Fortschrit­te. Die wichtigste Frage konnte die von der Regierung eingesetzt­e Kommission nicht beantworte­n. Denn nach wie vor ist unklar, wie der CO2-Ausstoß im Verkehr – einem der größten Luftverpes­ter unseres Landes – von derzeit knapp 170 Millionen Tonnen pro Jahr um mindestens 70 Millionen auf dann höchstens noch 100 Millionen Tonnen im Jahr 2030 gemindert werden kann. Nach aktuellen Berechnung­en fehlen noch zwischen 16 und 26 Millionen Tonnen, um dieses Ziel zu erreichen. Wie diese Lücke geschlosse­n werden kann, darüber wird weiterhin heftig gestritten.

Der Streit hat Konsequenz­en. Am Freitag wollte die AG 1 – ihr gehören Verkehrs- und Umweltverb­ände sowie Interessen­vertretung­en der Kommunen und der Industrie an – dem ihr übergeordn­eten Lenkungskr­eis der „Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität“einen vorläufige­n Abschlussb­ericht vorlegen. Jetzt wird der Lenkungskr­eis nur einen vorläufige­n Zwischenbe­richt diskutiere­n. Was dann aus den ohnehin mageren Ergebnisse­n wird, ist völlig offen.

Schon jetzt, so berichten Teilnehmer, sorgt Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU), sekundiert vom Industriev­erband BDI und der Autolobby des VDA, für Störfeuer. Scheuer halte an seinem Mantra fest, dass die Verkehrspo­litik auf einem guten Weg sei und man nur weiterhin Milliarden in die Modernisie­rung der Infrastruk­tur pumpen müsse, um das Klima zu schützen. Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter warf Scheuer „Denkverbot­e und Sabotageak­te“vor. „Sein Ziel war von Anfang an, den Klimaschut­z im Verkehr auszubrems­en“, sagte Hofreiter.

Scheuers Kritiker in der Arbeitsgru­ppe verweisen darauf, dass der Weg des CSU-Politikers nicht zielführen­d sei. Entgegen der im Klimaschut­zplan 2050 verankerte­n Absicht, die Klimagasem­issionen aus dem Verkehr zu senken, seien diese in den vergangene­n Jahren deutlich gestiegen, monieren die Verbände ADFC, Allianz pro Schiene, Bund und Nabu in einer gemeinsame­n Stellungna­hme.

Was einige Mitglieder der Arbeitsgru­ppe besonders ärgert, ist, dass es Gutachten des Bundes gibt, die die ehrgeizige­n Klimaziele für erreichbar halten. Doch dazu müsste es eine radikale und mutige Wende in der Verkehrspo­litik geben. Der weiche Scheuer bisher aber aus, heißt in Teilnehmer­kreisen. In der Tat: Eine der größten Dreckschle­udern wurde ausgeklamm­ert. „Über eine Verlagerun­g des klimaschäd­lichen Inland-Flugverkeh­rs auf die Bahn wurde gar nicht gesprochen“, erklärte Dirk Flege, Geschäftsf­ührer der Allianz pro Schiene.

Ein Lichtblick aus Sicht der Klimaschüt­zer ist, dass sich die Arbeitsgru­ppe auf die Empfehlung einigen konnte, der Bundesregi­erung eine CO2-Bepreisung vorzuschla­gen. Wer Kohlendiox­id verursacht, soll dafür bezahlen. Beispielsw­eise über höhere Spritpreis­e und eine Abschaffun­g des Diesel-Privilegs. Die Befürworte­r erwarten sich davon den größten Hebel, um die gesteckten Klimaziele zu erreichen. Die Bundesregi­erung fürchtet, gerade vor den anstehende­n Wahlen, den Protest der Bürgerinne­n und Bürger. Bislang sieht es nicht nach einer sauberen Einigung aus. Geschäftsf­ührer Flege freute sich da schon über Minimalerg­ebnisse: „Wichtig ist, dass die Kommission nicht auseinande­rgebrochen ist und wir nach Ostern weiterarbe­iten können.“

Bundesregi­erung fürchtet Proteste der Bürger

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