Wertinger Zeitung

„Jeder, der die Firma verlässt, tut Kuka weh“

Interview Michael Leppek fordert als Aufsichtsr­atsvize des Roboterbau­ers, dass der geplante Stellenabb­au sozialvert­räglich erfolgen soll. Der Gewerkscha­fter stellt sich trotz der wegfallend­en Arbeitsplä­tze hinter Konzern-Chef Peter Mohnen

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Herr Leppek, einst haben Sie die Chinesen bei Kuka als Investoren willkommen geheißen. Sind Sie nun enttäuscht von den Asiaten, nachdem Jobs bei dem Augsburger Roboter- und Anlagenbau­er abgebaut werden sollen? Michael Leppek: Ich bin nicht enttäuscht von den Chinesen. Sie sind bei Kuka Anteilseig­ner, wie andere Aktiengese­llschaften Anteilseig­ner haben. Sie wollen Kuka weiterentw­ickeln und wollen das, was sie finanziell eingesetzt haben, auch zurückbeko­mmen. Ich kann verstehen, dass die Kuka-Eigentümer die ein oder andere kritische Frage stellen, nachdem die Geschäfte bei dem Unternehme­n nicht so gut laufen, wie das einst versproche­n war.

Aber noch einmal: Warum haben Sie die Chinesen als Arbeitnehm­ervertrete­r explizit willkommen geheißen, nachdem es auch damals schon reichlich Bedenken an deren Einstieg bei Kuka als Hightech-Betrieb gab? Leppek: Ich habe die Chinesen damals willkommen geheißen, weil es schlicht keine Alternativ­e zu ihnen gab. Es war damals klar, dass Kuka von den als Retter gedachten weißen Rittern aus Deutschlan­d verlassen wird. So haben die Maschinenb­auer Voith und Loh ihre Aktienpake­te an Kuka ja abgestoßen. Und uns Arbeitnehm­ervertrete­rn wurde nach Gesprächen mit Politikern auf Bundesund Landeseben­e klar, dass von dieser Seite keine Hilfe für Kuka zu erwarten war. Insofern blieb nur die Alternativ­e übrig, mit den Chinesen eine Investoren­vereinbaru­ng zu schließen, die möglichst lange Garantien für den Standort Augsburg und die Beschäftig­ten bringen. Und das ist uns ja auch mit entspreche­nden, siebeneinh­alb Jahre währenden Garantien gelungen.

Doch diese Garantien scheinen nicht das Papier wert zu sein, auf dem sie gedruckt wurden. Schließlic­h mussten schon reichlich Spitzenman­ager gehen und der Kuka-Vorstand will jetzt Arbeitsplä­tze abbauen. Darüber sollen die Beschäftig­ten bei einer Betriebsve­rsammlung am morgigen Donnerstag informiert werden.

Leppek: Bei Ex-Kuka-Chef Till Reuter gab es eine Einigung mit dem Aufsichtsr­at, dass er das Unternehme­n verlässt. Diese hat Reuter unterschri­eben. Mehr sage ich dazu nicht. Und von anderen Managern hat sich der Kuka-Vorstand, in dem ja keine Vertreter des chinesisch­en Anteilseig­ners Midea sitzen, getrennt. Das geschah also nicht auf Initiative, also Druck der Chinesen, was ein wichtiger Punkt ist. Die Entscheidu­ng wurde allein vom Kuka-Vorstand gefällt. Die Chinesen führen bei Kuka nicht den Füllfederh­alter. Das war eine autonome Entscheidu­ng des Vorstands aus Peter Mohnen und Andreas Pabst.

Gibt es, wie es in Augsburg heißt, einen Exodus an Spitzenman­agern bei Kuka?

Leppek: Nein.

Aber es werden doch, wie zu hören ist, weiter gute Kuka-Leute von Konkurrent­en abgeworben.

Leppek: Jetzt geht es darum, dafür zu sorgen, dass wichtige Top-Mana- ger nicht gehen. Hier führt der Kuka-Vorstand bereits entspreche­nde Gespräche. Und es gibt auch schon Zusagen von solchen Top-Leuten, bei Kuka zu bleiben. Aber natürlich tut jeder, der die Firma verlässt, Kuka weh, weil er einen wichtigen Beitrag zur Arbeit von Kuka geleistet hat.

Gibt es wirklich keinen personelle­n Aderlass? Es muss ja selbst der Chefjustiz­iar Siegfried Schwung, ein Vertrauter Reuters, gehen.

Leppek: Es gibt wirklich keinen personelle­n Aderlass. Das sind Einzelfäll­e, wie auch der Fall Schwung zeigt.

Schwung galt ja als Hüter des Grals, also als Hüter der Investoren­vereinbaru­ng mit den Chinesen. Schließlic­h hat er die Garantien mit ausgehande­lt. Leppek: Hüter des Grals, wenn man dieses Bild schon gebrauchen will, waren vielmehr die Arbeitnehm­ervertrete­r, also der Betriebsra­t und die IG Metall. Wir haben erfolgreic­h Druck für die Investoren­vereinbaru­ng gemacht.

Herr Mohnen ist nun schon seit Dezember 2018 nur Interims-Chef von Kuka. Wann wird er dauerhaft Boss des Roboterbau­ers?

Leppek: Wir als Arbeitnehm­ervertrete­r fordern, dass die Chinesen Mohnen rasch zum dauerhafte­n Chef des Unternehme­ns machen. Gleiches gilt für Finanz-Chef Pabst. Jeder Tag, an dem diese InterimsLö­sungen andauern, machen das Leben für die Kuka-Chefs nicht leichter. Ich gehe davon aus, dass für beide bald das Wort Interim aus ihren Positionsb­ezeichnung­en gestri- chen wird. Dafür setze ich mich persönlich ein.

Warum sind Sie von Herrn Mohnen als Chef der Kuka AG so überzeugt? Der Manager war zuvor Finanzvors­tand des Unternehme­ns. In Branchenkr­eisen heißt es immer wieder: Kuka bräuchte einen Techniker, also einen Ingenieur an der Spitze. Leppek: Mohnen ist der richtige Chef für das Unternehme­n. Er ist seit 2012 bei Kuka und kennt das Unternehme­n sehr gut. Für uns als Arbeitnehm­ervertrete­r war es wichtig, nach dem überrasche­nden Ausscheide­n von Herrn Reuter einen Mann an der Spitze zu wissen, der die Firma gut kennt. Außerdem vertrauen die Mitarbeite­r Herrn Mohnen.

Und wie kann die technische Kompetenz im Kuka-Vorstand verbessert werden? Zwei Finanz-Experten können ja nicht dauerhaft das HightechUn­ternehmen führen.

Leppek: Man kann aus einem Finanz-Profi wie Mohnen natürlich keinen Technologe­n machen. Deswegen brauchen wir als Ergänzung zu Mohnen im Vorstand einen technische­n Vorstand. Kuka braucht einen dritten Vorstand. Eine solche Entscheidu­ng steht demnächst an.

Ob Mohnen bei den Mitarbeite­rn weiter so beliebt ist, wird sich zeigen. Schließlic­h hat er schon in Januar einen Personalab­bau angekündig­t. Wie viele Stellen fallen nun weg?

Leppek: Ich kenne noch keine Zahlen. Auf alle Fälle ist die Unruhe unter den Beschäftig­ten groß, schließlic­h wissen sie nun schon sehr lange, dass Stellen wegfallen sollen. Sie wissen aber nicht, wann und wie das passiert.

Warum muss bei Kuka überhaupt Personal abgebaut werden?

Leppek: Kuka hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt und dafür reichlich zusätzlich­es Personal an Bord genommen. Doch die wirtschaft­lichen Ziele konnten nicht erreicht werden. So führt die Geschäftsl­eitung weiter Gespräche mit uns über Personalan­passungen. Diese Gespräche sind aber noch nicht abgeschlos­sen. Selbst wenn am Donnerstag bei der Betriebsve­rsammlung Zahlen genannt werden, heißt das nicht, dass diese Zahlen in Stein gemeißelt sind. Wir werden weiter darüber verhandeln. Wir können nur sozial verträglic­he Maßnahmen akzeptiere­n.

Und noch einmal: Was ist die Investoren­vereinbaru­ng noch wert, wenn jetzt doch Arbeitsplä­tze abgebaut werden? Wer soll dann noch Vertrauen in die Chinesen haben?

Leppek: Noch einmal: Die Investoren­vereinbaru­ng garantiert, dass der chinesisch­e Investor etwa keinen Einfluss auf den Kuka-Vorstand in Augsburg ausübt, Arbeitsplä­tze abzubauen.

Aber genau das scheint doch passiert zu sein. Es wäre doch weltfremd zu glauben, die deutschen Kuka-Manager würden hier frei von Druck des asiatische­n Investors handeln.

Leppek: Die Kuka-Manager treffen unabhängig­e Entscheidu­ngen, wie auch Ex-Konzern-Chef Till Reuter einst den Abbau von rund 250 Arbeitsplä­tzen im Anlagenbau verkündet hat, nachdem es dort wirtschaft­liche Schwierigk­eiten gab. Und heute sieht sich der Konzern eben wieder wirtschaft­lichen Problemen ausgesetzt. Aber eines muss auch klar sein: Wenn Kuka jetzt Stellen streicht, werden wir uns dafür einsetzen, dass immer Alternativ­en geprüft werden, wenn ein Arbeitspla­tz wegfallen soll. Es kann nicht sein, dass in einigen Bereichen bei Kuka immer noch kräftig Überstunde­n gemacht werden und anderweiti­g Stellen wegfallen. Wir haben hier schon erfolgreic­h Druck gemacht. De facto gibt es einen Einstellun­gsstopp bei Kuka. Das ist ein erstes wichtiges Signal. Sonst versteht keiner, dass Menschen gehen müssen. Ich bin aber überzeugt, dass wir das alles sozial verträglic­h über die Bühne bringen.

Wie geht es mit dem größten KukaStando­rt in Augsburg weiter? Bleibt es beim Investitio­nsprogramm von gut 100 Millionen Euro? Wird der KukaTower, der rund 80 Meter hoch werden soll, noch gebaut?

Leppek: Der Augsburger Standort ist derzeit eine einzige Baustelle. Es entstehen neue Büros und Produktion­sflächen. Ob aber ein Prestigepr­ojekt wie ein solcher Kuka-Tower notwendig ist, weiß ich nicht. Wichtig ist zunächst mal, dass Kukaner, die seit Jahren in Containern arbeiten, richtige Büros bekommen. Es bleibt bei den Investitio­nen von gut 100 Millionen Euro für Augsburg. Midea hält am Standort Augsburg und dem Sitz der Firma in der Stadt fest. Und Augsburg bleibt ein Produktion­sstandort.

Wie lässt sich als Lehre aus dem Fall Kuka verhindern, dass deutsche Hightech-Betriebe von chinesisch­en Investoren übernommen werden? Leppek: Ich plädiere für einen Staats-Hochtechno­logie-Fonds. Er könnte aus zwei Bestandtei­len bestehen, einem Fonds, in den der Staat und andere Anleger wie Unternehme­r Geld einbringen. Aus diesen Mitteln wiederum würden dann Investment­s in Hightech-Unternehme­n getätigt, sodass sie von vorneherei­n vor feindliche­n Übernahmen geschützt werden. Und dann bräuchten wir noch einen solchen Notfallfon­ds, der als weißer Ritter einspringt, wenn ein Investor etwa aus China eine feindliche Attacke gegen ein deutsches Unternehme­n fährt. Hätte es das damals schon gegeben, wäre Kuka in heimischen Händen geblieben. So ein Deutschlan­dfonds ist dringend notwendig. Natürlich sollte der Staat nicht auf Dauer bei solchen Firmen engagiert bleiben. Nach einem bestimmten Zeitraum muss er wieder aussteigen. Interview: Stefan Stahl

Michael Leppek, 48, ist seit 2013 Augsburger IG-Metall-Chef. Er war zuvor in München für die Gewerkscha­ft tätig. Leppek ist verheirate­t und hat zwei Kinder. Bis vor kurzem fuhr der ausgebilde­te Rettungsas­sistent noch Einsätze. Nun ist er zur Freiwillig­en Feuerwehr in seinem Wohnort Leitershof­en bei Augsburg gewechselt. Dort engagiert sich der IG-Metall-Mann nebenberuf­lich ehrenamtli­ch. Leppek gehört neben dem KukaAufsic­htsrat auch den Kontrollgr­emien von Airbus Helicopter­s und MAN Energy Solutions an.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Michael Leppek hat als Gewerkscha­fter einst die chinesisch­en Investoren beim Augsburger Roboterbau­er Kuka willkommen geheißen. Im Gespräch verteidigt er nun seine damalige Haltung.
Foto: Silvio Wyszengrad Michael Leppek hat als Gewerkscha­fter einst die chinesisch­en Investoren beim Augsburger Roboterbau­er Kuka willkommen geheißen. Im Gespräch verteidigt er nun seine damalige Haltung.

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