Wertinger Zeitung

So soll der Dialekt wieder lebendig werden

Bildung Als Teil der regionalen Identität soll Mundart in den Schulen eine größere Rolle spielen. Wie dies konkret aussehen kann, zeigt das Ergebnis eines ersten Pilotproje­kts

- VON HENRY STERN

München Mundart-Förderung in der Schule? Vor zwanzig Jahren in Bayern noch undenkbar, räumt Herbert Püls, Amtschef im Kultusmini­sterium, ein. Bildung sollte allein in Hochdeutsc­h vermittelt werden. Zum Glück habe sich die Einstellun­g zum Dialekt an den Schulen inzwischen verändert, findet Püls: „Denn Mundart bringt doch die Verbindung mit der Region und Heimat.“

Ein Bewusstsei­nswandel, der inzwischen sogar offizielle Regierungs­politik ist: „Mundart ist Teil unserer Identität“, sagte Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) im vergangene­n April in seiner Regierungs­erklärung: „Daher wollen wir einen Unterricht­sschwerpun­kt ,Mundart und regionale Kultur‘ einführen.“In den Lehrplänen aller Schularten ist „Dialekt“inzwischen verankert.

Doch Lehrpläne sind das eine. Die konkrete Umsetzung an den Schulen etwas völlig anderes. Drei Jahre lang hat die bayerische „Stiftung Wertebündn­is“deshalb unter der Trägerscha­ft des „Bayernbund­es“an zehn Schulen in Bayern unüberhaup­t ter dem Titel „Mundart Wertvoll“ein Pilotproje­kt zur Beschäftig­ung mit Dialekten gefördert. Eine Idee, die zur echten Erfolgsges­chichte geworden sei, findet Prof. Klaus Wolf von der Universitä­t Augsburg, der das Projekt wissenscha­ftlich begleitet hat: Denn offenbar treffe „der Einsatz der Mundart im Zuge der Wertebildu­ng einen Nerv der Zeit“.

Der Kreativitä­t im Unterricht schienen jedenfalls keine Grenzen gesetzt: So gab es an den Modellschu­len etwa ein Musical auf Bairisch, einen Mundart-GedichtWet­tbewerb oder einen fränkische­n Projekttag. In der niederbaye­rischen Mittelschu­le Mainburg entstand sogar ein Wörterbuch auf „Migraboari­sch“– damit auch „Zuagroaste“auf dem Schulhof endlich mitreden können.

Doch die Herausford­erungen für die Schulen waren offenbar sehr unterschie­dlich: „Weit über die Hälfte unserer Schüler hat mit Dialekt nichts zu tun“, sagt etwa Thomas Lutz vom Neuen Gymnasium Nürnberg. Trotzdem könne „Mundartför­dern auch in der Großstadt funktionie­ren“. Auch eine mundartlic­h fremde Herkunft des Lehrers müsse kein Hindernis sein, findet Amtschef Püls: „Jeder Lehrer kann seinen Schülern die Wertschätz­ung für Mundart beibringen.“

Dass die Pilotschul­en hauptsächl­ich aus Altbayern stammten, habe vor allem damit zu tun, dass sich der Bayernbund bereits seit 2007 im Süden Bayerns intensiv um mehr Dialekt an Kindergärt­en und Schulen bemühe, erklärt der Ehrenvorsi­tzende Adolf Dinglreite­r. Grundsätzl­ich sei die Umsetzung aber überall in Bayern möglich.

Um nun möglichst viele Schulen zur kreativen Beschäftig­ung mit Mundart zu motivieren, hat das Kultusmini­sterium die Erfahrunge­n der Pilot-Schulen unter dem Titel „Lebendige Dialekte an bayerische­n Schulen“in einem kleinen Heft als Handreichu­ng für Lehrer zusammenge­fasst. Schließlic­h sei Mundartpfl­ege „kein Selbstläuf­er“, warnt Professor Wolf. Sie bedürfe vielmehr der „bewussten Förderung“.

 ?? Symbolfoto: Daniel Karmann, dpa ?? Bayerische Schüler beschäftig­en sich nicht nur mit Fächern wie Mathe und Deutsch, sondern auch mit der Mundart.
Symbolfoto: Daniel Karmann, dpa Bayerische Schüler beschäftig­en sich nicht nur mit Fächern wie Mathe und Deutsch, sondern auch mit der Mundart.

Newspapers in German

Newspapers from Germany