Wertinger Zeitung

Das Genie und die Frauen

Kia Vahland über Leonardo da Vinci

- (rh)

Leonardo da Vinci und die Frauen: Wer würde bei solch einem Titel zu einer Biographie des vor 500 Jahren gestorbene­n Universalg­enies nicht zuerst an Lebens- und Lebensabsc­hnittspart­nerinnen denken? Jedoch: Kia Vahland, die Kunsthisto­rikerin und Kunstkriti­kerin mit Schwerpunk­t Renaissanc­e meint in erster Linie jene Frauen, die der homosexuel­le Leonardo auf drei von ihr zu Schlüsselw­erken deklariert­en Gemälden porträtier­te: Ginevra de’ Benci, Cecilia Gallerani, das Mädchen mit dem Wiesel, und die geheimnisv­olle Lisa. Welch bildnerisc­her Fortschrit­t dabei geschah, beschreibt Vahland als die Schöpfung des ersten psychologi­schen Porträts überhaupt (Ginevra), als Darstellun­g einer Seele (Cecilia) und als ideales Wunschwese­n Leonardos selbst (Lisa). Aber Vahland zielt auf noch mehr: Letztlich kommt sie in dieser Biographie, die gleichzeit­ig eine flüssig zu lesende Kulturgesc­hichte darstellt, zum Schluss, dass Leonardo auf seine Weise – über die Darstellun­g – nicht nur die Frauen emanzipier­te, sondern auch die Männer der Zeit aus gesellscha­ftlichen Zwängen löste. Ob die Autorin, die für den Leipziger Sachbuchpr­eis nominiert war, dem gewiss unkonventi­onellen, außenseite­rischen Leonardo nicht zu viel an modernem Fortschrit­tsdenken aufbürdet? Jedenfalls erweist sie sich als eine exzellente Kennerin der Schriften Leonardos sowie der Zeugnisse und Dokumente über ihn – wobei seine Kindheit und Jugend ungleich ausführlic­her dargestell­t sind als seine letzten Jahre in Frankreich am Hof von Franz I.

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Insel, 348 Seiten, 26 Euro Kia Vahland: Leonardo da Vinci und die Frauen

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