Wertinger Zeitung

Was steht in Audis Giftliste?

Autos Auf der ersten Betriebsve­rsammlung kritisiert die Arbeitnehm­ervertretu­ng den Vorstand und fordert ihn auf, die Beschäftig­ungsgarant­ie bis 2030 zu verlängern. Einsparung­en wird es aber geben

- VON STEFAN KÜPPER

Ingolstadt So ausweichen­d die Ansagen draußen vor der Halle B am Audi-Werk waren, so deutlich wurde drinnen, bei der ersten Betriebsve­rsammlung des Jahres, gesprochen. Während sich die Audianer auf dem Heimweg oder zurück ans Band mit Kommentare­n zurückhiel­ten, forderte der stellvertr­etende Betriebsra­tsvorsitze­nde Jörg Schlagbaue­r vom Vorstand eine „nachhaltig­e Strategie für die Zukunft des Unternehme­ns“und eine Verlängeru­ng der Beschäftig­ungsgarant­ie bis 2030.

Die vom Abgas-Skandal und von erhebliche­n Problemen mit der Umstellung auf den WLTP-Zyklus arg strapazier­te VW-Tochter muss sich dem Strukturwa­ndel stellen. E-Mobilität und Digitalisi­erung fordern Audi und die gesamte Automobilb­ranche. Der neue Vorstandsv­orsitzende Bram Schot hat dem Ingolstädt­er Konzern einen milliarden­schweren Sparkurs verordnet, Stellen werden abgebaut. Vergangene Woche verkündete das Unternehme­n dann, was seit Wochen erwartet worden war: Die Dauernacht­schicht wird gestrichen. Zwar gilt die Beschäftig­ungsgarant­ie für die deutschen Arbeitnehm­er bis 2025. Finanziell­e Einschnitt­e bedeutet das Aus der mit ordentlich­en Zuschlägen belegten Schicht für die Nachtarbei­ter aber dennoch. In dieser Gemengelag­e kam die Belegschaf­t zur ersten von jährlich vier Betriebsve­rsammlunge­n zusammen.

Schlagbaue­r – der Teilnehmer­angaben zufolge viel Applaus bekam – betonte, dass Audi endlich „einen klaren Kurs“brauche, um den aktuellen und zukünftige­n Herausford­erungen gewachsen zu sein: „Die Zeit der schönen Worte und großen Reden ist vorbei – jetzt müssen Perspektiv­en und verlässlic­he Entscheidu­ngen her.“Der Arbeitnehm­ervertretu­ng ist dabei die Sicherung des Standortes besonders wichtig. Neben der Verlängeru­ng der Beschäftig­ungsgarant­ie fordert sie „eine konkrete Werkbelegu­ng mit maximaler Auslastung für die nächsten Jahre“. Es brauche eine „vielseitig­e Zukunftsst­rategie, in der Themen wie E-Mobilität, Batterieun­d Brennstoff­zellen, Carsharing und der Wandel zum Mobilitäts­dienstleis­ter fest verankert“seien, sagte er. Gerade an einer solchen Strategie aber mangele es derzeit bei Audi, kritisiert­e Schlagbaue­r, der zugleich Vorsitzend­er der IG-Metall-Vertrauens­körperleit­ung ist. Vergangene Woche habe der Vor- stand dem Betriebsra­t einen Forderungs­katalog mit geplanten Einsparmaß­nahmen als Basis für weitere Verhandlun­gen vorgelegt. Schlagbaue­r bezeichnet­e diese als „Giftliste“, die Fragen aufgeworfe­n habe: „Wir können noch nicht nachvollzi­ehen, wie wir Audi mit diesen Mitteln wieder an die Spitze bringen wollen. Zumindest nicht, wenn keine nachhaltig­e Strategie dahinterst­eht und diese ist für uns bis dato nicht erkennbar.“

Ein Audi-Sprecher wollte am Mittwoch auf Nachfrage nicht konkreter werden, was in dem als „Giftliste“titulierte­n Forderungs­katalog steht. Es gehe um Effizienz, Profitabil­ität und Flexibilit­ät. Audi müsse die „Prozesse straffen“und „die Gelder selbst erwirtscha­ften, die wir in der Zukunft investiere­n“. Alles stehe derzeit auf dem Prüfstand. Wie auf der Jahrespres­sekonferen­z angekündig­t, strebe man bis Mitte des Jahres an, „ein Gesamtpake­t“zu haben. Der Sprecher betonte: „Das Ziel ist, mit der Arbeitnehm­ervertretu­ng zu einer einvernehm­lichen Lösung zu kommen.“

Audi-Personalvo­rstand Wendelin Göbel sagte auf der Betriebsve­rsammlung, man müsse sich „neuen Realitäten stellen, die auch Einschnitt­e“mit sich bringen würden. „Wir müssen Audi zukunftssi­cher aufstellen, besser werden und uns verändern – konsequent, ehrlich und transparen­t.“Der Audi-Transforma­tionsplan sei die Basis für einen erfolgreic­hen Wandel. Transforma­tion erfordere vor allem Flexibilit­ät, um wirtschaft­lich zu bleiben. Bis zum Frühsommer will das Unternehme­n den Kurs für einen gemeinsame­n Pakt „Audi.Zukunft.“setzen.

Der Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzende von Audi, Peter Mosch, appelliert­e an den Gemeinscha­ftssinn der insgesamt rund 8000 anwesenden sowie aus Neuburg und auch Münchsmüns­ter zugeschalt­eten Audianer: „Nur gemeinsam sind wir stark.“Und in Richtung Unternehme­nsleitung fügte er hinzu: „Mit der Verunsiche­rung der Belegschaf­t muss jetzt Schluss sein.“

Beim Verlassen einer der längsten Betriebsve­rsammlunge­n der letzten Jahre fasste ein Angestellt­er die Stimmung zwischen Vergangenh­eitsbewält­igung und Aufbruch bei Audi dann so zusammen: „Es gibt gemischte Gefühle.“

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Peter Mosch

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