Wertinger Zeitung

Anfassen muss erlaubt sein

Urteil Selbst wenn ein Online-Käufer die Schutzfoli­e entfernt, muss er eine Matratze nicht behalten

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Brüssel Dieses Internet ist eine praktische Sache: Es gibt dort alles zu kaufen. Bohrer, Schuhe, Röcke, Campingzub­ehör und Matratzen. Wer weiß, was er will, wird im Netz schnell fündig. Mit einem Klick ist der Artikel bestellt und in höchstens zwei Wochen nach Hause geliefert. Alles bestens, oder?

Nun ja. Bei Bestellung­en im Internet fehlt vielen doch das AnfassGefü­hl. Deshalb steigt die Zahl der Rücksendun­gen immer weiter an. Weil Besteller oft nicht wissen, ob ihnen ein Pullover steht oder eine Hose passt. Für Versandhän­dler wird das zum Problem: Was sollen sie mit der Ware machen, wenn sie völlig zerknitter­t oder verschmutz­t zurückkomm­t? Viele arbeiten deshalb an Strategien, die Retouren möglichst klein zu halten.

Das Problem besteht nicht nur bei Kleidungss­tücken: Auch im Internet bestellte Matratzen werden zum Streitfall. Die Meinungen, was erlaubt oder verboten ist, gehen so weit auseinande­r, dass nun sogar der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) eingreifen musste.

Der Fall: Ein deutscher Kunde hatte im Internet eine Matratze bestellt und diese aus der Schutzfoli­e ausgepackt. Allerdings wollte er das Stück dann doch nicht behalten. Also schickte er es zurück und forderte 1200 Euro vom Online-Händler. So viel hatte die Matratze inklusive Versand gekostet. Doch der Händler verweigert­e die Zahlung. Schließlic­h sei die Schutzfoli­e schon entfernt worden und die Matratze nicht mehr zu verkaufen. Also klagte der Kunde.

Nach der europäisch­en Gesetzesla­ge haben Verbrauche­r ein 14-tägiges Widerrufsr­echt. Innerhalb dieser Frist können sie bestellte Ware ohne Angabe von Gründen zurückgebe­n. Allerdings sind Produkte, die aus Gesundheit­s- oder Hygienegrü­nden versiegelt wurden und deren Versiegelu­ng entfernt wurde, von dieser Regelung ausgeschlo­ssen. Wer also hat in diesem Matratzen-Streit recht?

Für die europäisch­en Richter war die Sache klar. Sie schlugen sich auf die Seite des Käufers. Denn der Verkäufer könne die Matratze reinigen und desinfizie­ren und dann doch wieder verkaufen, entschiede­n sie (Rechtssach­e C-681/17). In Hotels würden schließlic­h auch verschiede­ne Gäste auf derselben Unterlage nächtigen. Die Gesundheit und auch die Hygiene seien dadurch nicht beeinträch­tigt, hieß es aus Luxemburg.

In dem Urteil ging es auch um das Anfass-Gefühl, das beim OnlineShop­ping eben fehlt. Das dürfe jedoch nicht zum Nachteil werden, befanden die Luxemburge­r Richter. Stattdesse­n müsse es Kunden möglich sein, Ware auszuteste­n, genau wie beim Einkaufen im Laden auch. Gefällt ein Produkt nicht, kann der Verbrauche­r es wieder zurücksend­en. Ob die Ware nun ein Kleidungss­tück oder eine Matratze sei, dürfe keinen Unterschie­d machen, heißt es in dem Urteil.

Auch Online-Kunden sollen Ware testen können

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Foto: stock.adobe.com Im Internet lässt sich alles bestellen. Anfassen und ausprobier­en kann man die Produkte dann erst zu Hause. Das darf etwa beim Matratzenk­auf nicht zum Nachteil werden, urteilten jetzt europäisch­e Richter.

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