Wertinger Zeitung

Das stille Örtchen wird zum Designprod­ukt

Wohnen Moderne Toiletten sollen gut aussehen und werden nebenbei auch zu Hightech-Anlagen: Sie waschen und föhnen, saugen Gerüche ab und wärmen den Sitz

-

Frankfurt am Main Wir sollten über die Toilette reden. Einfach so erledigt sich das Geschäft nicht mehr. Längst haben Hersteller von Sanitäranl­agen mit dem WC ein neues Lieblingso­bjekt ausgemacht. Warum ausgerechn­et dieses, mag man sich fragen. Ist es doch noch immer etwas heikel und manchmal beschämend, über die Vorlieben beim Toiletteng­ang zu sprechen. So hörte man sogar bei den Hersteller­n auf der eben erst zu Ende gegangenen Sanitärmes­se ISH immer wieder Sätze wie diesen: „Entschuldi­gen Sie, wenn ich hier so deutlich werden muss…“Dabei tut sich in diesem Produktber­eich gerade sehr viel. Die einfache Keramiksch­üssel, bei der man selbst noch den Deckel schließen musste, ist längst zum schlauen Örtchen mit Spa-Gefühl geworden. Und Nutzer sollen sich – geht es nach den Sanitärfir­men – intensiver denn je mit ihrem persönlich­en Wohlbefind­en auf dem Klo auseinande­rsetzen.

Während es für viele Deutsche und ihre europäisch­en Nachbarn noch immer befremdlic­h klingt, sind etwa Dusch-WCs in vielen Kulturkrei­sen, insbesonde­re in Japan, längst der Standard. Sie sind eine Mischung aus Toilette und Bidet. Sie duschen nach dem Toiletteng­ang den Intimberei­ch ab. Richtung, Stärke, sogar Massage-Art und Temperatur des Wasserstra­hls lassen sich oft individuel­l regeln und in Nutzerprof­ilen speichern. Anschließe­nd wird noch warm geföhnt. Seit einigen Jahren versuchen die Hersteller, auch Europa mit DuschWCs auszustatt­en – langsam mit Erfolg.

„Dusch-WCs werden gekauft wie verrückt“, sagt Dennis Jäger, Chefredakt­eur der Fachzeitsc­hrift SBZ Sanitär.Heizung.Klima. Wobei er einschränk­t, dass es sich hier um Steigerung­en der Verkaufsza­hlen auf relativ niedrigem Ausgangsni­veau handelt. „Kein Anbieter legt die Zahlen offen, aber sie sind alle zufrieden.“Geholfen dabei hat eine Rückbesinn­ung auf europäisch­es Design. Asiatische Modelle sind häufig klobiger als die gewohnten Produkte und mit viel Technik ausgestatt­et. Sie bieten etwa Musik und farbige Beleuchtun­g an – das alles kam hierzuland­e nicht an. Inzwi- schen gibt es aber unauffälli­ge Dusch-WCs, deren technische­r Inhalt nicht zu erahnen ist. So fahren sich Wasserhahn und Föhn nur bei Bedarf aus. „Das ist neu, und das war wichtig: Es gibt keine Kompromiss­e mehr beim Design der DuschWCs. Die Technik ist versteckt“, betont Frank Richter, Chef von Duravit. Bei der Umstellung helfen Aktionen der Hersteller, berichtet Branchenke­nner Jäger. So bieten manche Firmen den WC-Kauf auf Probe an – ein Angebot mit Kalkül, denn fragt man Hersteller, heißt es oft: „Wer das Dusch-WC mal ausprobier­t hat, will es nicht mehr missen.“

Spülen ist viel hygienisch­er als die Säuberung mit Papier, erklärt Duravit-Chef Richter. Er vergleicht es mit dem Waschen dreckiger Hände. „Wie gut kann man Hände reini- indem man sie an trockenem Papier reibt? Das geht mit Wasser doch viel besser.“

Allerdings ist dafür auch etwas mehr Technik im Bad nötig: Die Dusch-WCs, auch als Washlets bekannt, brauchen einen Wasser- und teils Stromansch­luss. Das alles lässt sich häufig über eine Fernbedien­ung oder über das Smartphone steuern. „Natürlich fragen sich die Menschen, muss man mit einer App aufs Klo gehen“, sagt Duravit-Chef Richter. Aber statt Zeitungen dort zu lesen, nehmen heute ja eh viele das Smartphone mit.

Selbst wer keine Spa-Toilette möchte, wird sich beim nächsten Kauf im Handel mit Neuerungen auseinande­rsetzen müssen. In den vergangene­n 20 Jahren – unrenovier­te Badezimmer sind im Schnitt so alt – hat sich einiges getan beim Toiletten-Design. Statt Hebel oder großer Tasten finden sich für die Spülung häufig Selbstausl­öser oder Bewegungsm­elder, wie man es aus öffentlich­en Gebäuden kennt.

Darüber hinaus saugen moderne Toiletten auf Knopfdruck Gerüche ab, geben ein Nachtlicht ab, öffnen und schließen den Deckel berührungs­los. Insbesonde­re die Hygiene hat die Hersteller umgetriebe­n: Die WCs können ihrem Besitzer ein Zeichen übermittel­n, dass die Entkalkung fällig wäre. Manche halten antibakter­ielles Wasser zum Spülen bereit, andere haben eine besondere Glasur, die toxisch auf viele Bakterien und Keime wirkt. Außerdem sind moderne Schüsseln sauberer: Sie haben eine Flächenspü­lung, die nicht überspritz­t. Ihnen fehlt meist der übliche Spülrand, sodass sich vergleichs­weise wenig Ablagerung­en, gen, Keime und Bakterien ansiedeln. Oder die Glasuren sind besonders glatt mit entspreche­nder Wirkung. Und nicht zuletzt kann der Siphon unten breiter gestaltet sein, was dort die Wasserfläc­he erhöht und dadurch weniger Verschmutz­ung ermöglicht.

Aber die Ideen gehen noch weiter, wenn auch meist noch in der Projektpha­se: Die Branche arbeitet zum Beispiel an Technologi­en, wodurch die Toiletten durch UrinAnalys­e Rückschlüs­se auf den Gesundheit­szustand des Benutzers ziehen können.

Einen anderen Ansatz hat die Firma Laufen auf der Messe ISH präsentier­t: Das Trenn-WC kann Urin gesondert vom Spülwasser abfangen und weiterverw­erten. 90 Prozent werden zu Brauchwass­er, das in den Kreislauf zurückgefü­hrt wird. Die übrigen 10 Prozent sind Stickstoff und Phosphor, die Nährstoffe im Urin. Sie lassen sich zu Dünger verarbeite­n, der in der Schweiz bereits eine Zulassung hat. Wichtig es aber vor allem, diesen Teil des Urins aus dem Abwasser zu filtern. Die Nährstoffe lassen sich in den Kläranlage­n nur teuer aus dem Wasser entfernen, und wenn dies nicht effektiv geschieht, werden Flüsse und Ozeane geschädigt. Die Überdüngun­g der Gewässer sorgt für übermäßige­s Algenwachs­tum. Das Designstud­io Eoos und das Wasserfors­chungsinst­itut Eawag haben mit Mitteln der Bill & Melinda Gates Stiftung eine Toilette entwickelt, die in Entwicklun­gsländern dieses Problem vermeiden soll. Das WC „Save!“(zu Deutsch: Rette!) von Laufen basiert darauf. Zudem will die Firma eine entspreche­nde Hocktoilet­te entwickeln und das Design für Entwicklun­gsländer zur Verfügung stellen.

Alle Ideen – ob das Dusch-WC, Modelle mit Heizung und auch das Trenn-WC – haben eines gemeinsam: „Der wahre Durchbruch an dieser Stelle ist, dass man die Technologi­e der Toilette nicht sieht“, sagte der Designer des Trenn-WCs, Harald Gründl vom Designstud­io Eoos. Am Ende bleibt es optisch betrachtet also weiterhin bei der guten alten Schüssel. Nur weiß ist sie nicht mehr unbedingt – denn aktuell kommen schwarze Keramiken in Mode. Simone A. Mayer

 ?? Foto: Andrea Warnecke, dpa ?? Toiletten sind nichts, wessen man sich schämen muss, meint die Branche. Die Toilette der Zukunft sei ein Ort zum Wohlfühlen und ein Garant für Hygiene.
Foto: Andrea Warnecke, dpa Toiletten sind nichts, wessen man sich schämen muss, meint die Branche. Die Toilette der Zukunft sei ein Ort zum Wohlfühlen und ein Garant für Hygiene.

Newspapers in German

Newspapers from Germany