Den Kitas fehlt das Personal
Betreuung Sind die Kindertagesstätten nur noch „bessere Verwahranstalten“? Der Verband Bildung und Erziehung spricht von Alarmstufe Rot. Was gefordert wird
Augsburg Was fehlt, ist vor allem gut qualifiziertes Personal – „doch der Markt ist leer“, sagt Barbara Helbig. Sie leitet den Kindergarten St. Felizitas in Bobingen im Landkreis Augsburg. Personalnot ist längst Alltag. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Befragung von über 2600 Kita-Leitern in Deutschland, die auf dem Deutschen KitaLeitungskongress in Düsseldorf vorgestellt wurde. Demnach können nur fünf Prozent aller Kitas mit der wissenschaftlich empfohlenen Personalausstattung arbeiten.
„Es ist knapp auf Kante genäht“, sagt Heinz Münzenrieder, Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Schwaben und ergänzt: „In den größeren Orten Schwabens wird es schon eng.“Doch so angespannt die Situation in der Kinderbetreuung auch sei – in der Altenpflege habe man noch größere Probleme. In Schwaben ist die AWO Trägerin von 38 Kitas. 550 Erzieherinnen und Erzieher kümmern sich dort um 2600 Kinder. Es sei schon vorgekommen, dass man eine Stelle wochenlang nicht besetzen konnte, sagt Münzenrieder, „aber in so einem Fall sind wir in der Lage, zu rangieren“. Um die Jobs attraktiv zu machen, hat sich die AWO einiges einfallen lassen, etwa Dienstwohnungen für die Erzieherinnen oder Zuschüsse für die Betreuung der eigenen Kinder.
Neben der angespannten Personalsituation gebe es aber noch ein anderes Problem: Immer wieder müssten Kinder abgewiesen werden. „Wir bräuchten viel mehr Plätze“, sagt Münzenrieder. Deswegen wäre er dankbar, wenn der Staat das Geld aus dem neuen Kita-Gesetz nicht zur Finanzierung des Beitragszuschusses hernehmen würde, sondern für eine Verbesserung der Betreuungsqualität.
Auch Kindergartenleiterin Barbara Helbig muss öfter Kinder abweisen, weil kein Platz frei ist. 150 Plätze hat sie in Bobingen. Mit ihr zusammen betreuen 25 Pädagogen die Kleinen. Wer der 57-Jährigen zuhört, spürt, wie sehr sie ihren Beruf liebt. Was aber auch deutlich wird: wie extrem die Belastungen steigen. Denn die Aufgaben werden umfangreicher: So finden sich in St. Felizitas alle sozialen Schichten, auch viele Kinder mit Migrationshintergrund sind dabei. Grammati- kalisch perfekt Deutsch sprechende Pädagogen sind Helbigs Erfahrung nach vor diesem Hintergrund ein Muss, wenn die Sprachförderung klappen soll. Es steigt aber auch der Förderbedarf: „Die Kinder werden schwieriger“, viele bräuchten eine individuellere Zuwendung. Daher wären kleinere Gruppen ihrer Ansicht nach so wichtig. Dafür bräuchte es aber wiederum mehr Personal.
Barbara Helbig weiß, dass nicht nur der enge Kontakt zum Kind entscheidend für eine optimale Betreuung ist, sondern auch der enge Kontakt zu den Eltern. Dafür benötigen die Erzieherinnen vor allem Zeit. Doch gerade sie fehlt. Schließlich hätten auch Verwaltungs- und Dokumentationsaufwand massiv zugenommen. Ganz problematisch wird es, wenn eine Erzieherin ausfällt: „Wir haben keine Krankheitsvertretung“, sagt Helbig. Was ihr und ihrem Team helfen würde: eine dauerhafte Springerin. Denn mit der aktuellen Personalstärke seien Überstunden an der Tagesordnung. Diese Überbelastung spricht sich aber herum und schreckt viele junge Leute von dem Beruf Erzieher ab. Daher fordert Helbig dringend eine Aufwertung ihres Berufes: „Die Rahmenbedingungen müssen besser werden.“Und die Bezahlung.
Zu diesem Schluss kommt auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE). Er spricht von der „Alarmstufe Rot!“und sieht das Betreuungsangebot von Kitas massiv beeinträchtigt. Hoch engagierte und teils über ihrer Leistungsgrenze arbeitende Pädagogen müssen nach Ansicht von VBE-Vorsitzenden Udo Beckmann „die eklatanten Missstände in Kitas auffangen, die sie nicht zu verantworten haben“. Denn es sei die Politik, „die ihre Verantwortung sehenden Auges auf dem Rücken dieser Menschen ablädt, indem sie viel zu lange dringend notwendige Investitionen verweigert oder in der Regel nur in vergleichsweise homöopathischen Dosen verabreicht“. Daher fordert der VBE die Politik auf, der „massiven strukturellen Unterfinanzierung im frühpädagogischen Bereich“endlich langfristige und flächendeckende Investitionen entgegenzusetzen. „Es braucht eine angemessene Bezahlung in Form substanzieller Lohnsteigerungen auf allen Ebenen“, sagt Beckmann. „Auch, um die Attraktivität des Berufes zu erhöhen“. Was einmal weltweit unter dem Begriff „Kindergarten“als Vorbild fungiert habe, werde zunehmend zu „besseren Verwahranstalten, die ihrem Bildungsauftrag trotz aller Anstrengungen nicht gerecht werden können“.
Oft müssen Kinder abgewiesen werden