Wertinger Zeitung

Wenn das Handy die Stimmung spürt

Wissenscha­ft Software kann heute Gefühle oder Krankheite­n von Menschen erkennen, auch wenn sie nur wenige Worte sprechen. Ein Augsburger Professor forscht dazu erfolgreic­h – und bringt Produkte auf den Markt

- VON EVA MARIA KNAB

Früher hat es die Mutter oder die Freundin schnell bemerkt, wenn man schlecht drauf war. Bald werden wir mit dem Smartphone reden und eine programmie­rte „Freundin“im Gerät erkennt, ob wir uns gut oder schlecht fühlen. Spricht man mit dem Augsburger Professor Björn Schuller, wird es nicht mehr lange dauern, bis aus dieser Vision Wirklichke­it wird. Er forscht an einer Software, die aus Sprache menschlich­e Emotionen und sogar gesundheit­liche Störungen heraushöre­n kann.

Schuller ist Spezialist für künstliche Intelligen­z und in der Wissenscha­ft und Wirtschaft ein sehr gefragter Mann. Der Informatik­er ist nicht nur Professor an einer britischen Elite-Universitä­t, dem „Imperial College of London“. Er hat auch einen vom Freistaat besonders geförderte­n Lehrstuhl an der Universitä­t Augsburg inne. Dieser ist an der Schnittste­lle zwischen Medizin und Informatik angesiedel­t. Das ist noch nicht alles: Der 43-Jährige betreibt auch ein eigenes Start-up namens Audeering. Das Unternehme­n bringt seine Forschunge­n als Produkte auf den Markt. Aktuell kommt ein Kopfhörer mit künstliche­r Intelligen­z durch Audeering in den Verkauf. Er kann störende Außengeräu­sche unterdrück­en.

Schuller war schon als Junge von Computern fasziniert. „Damals habe ich mir von meinem Taschengel­d das erste Programmie­rhandbuch gekauft“, erzählt er. „Ich war auch Fan der Fernsehser­ie Knight Rider.“In der Serie spielt ein sprechende­s Auto mit künstliche­r Intelligen­z eine zentrale Rolle.

Inzwischen ist Schuller als Wissenscha­ftler auf diesem großen Terrain unterwegs. Und seit rund 20 Jahren beschäftig­t er sich intensiv mit der Frage, ob und wie sich Gefühle allein aus den Merkmalen einer Stimme heraushöre­n lassen – ohne dass der Betroffene bewusst Informatio­nen über seine Stimmungsl­age preisgibt.

Bislang mussten Psychologe­n lange Gespräche führen und viele Fragebögen ausfüllen, bis sie die Persönlich­keit eines Menschen entschlüss­eln konnten. Durch die For- des Augsburger­s wird es möglich, dass ein von ihm trainierte­r Computer aus wenigen gesprochen­en Wörtern und Sätzen ganz viel über einen Menschen heraushöre­n kann – angefangen beim Alter und Geschlecht über die jeweilige Stimmung, Konzentrat­ion oder Müdigkeit bis hin zu Krankheite­n wie Erkältunge­n, Depression­en oder sogar beginnende­m Parkinson.

„Aus technische­r Sicht ist die Forschung weit fortgeschr­itten“, sagt der Professor. Er sieht sie gerade kurz vor dem Sprung in den Alltag. Denn heute schaffen es Computer durch maschinell­es Lernen, verborgene Muster in der menschlich­en Stimme zu erkennen. Die Systeme finden in Stimmdaten von Menschen mehrere tausend Einflüsse, die bei der Suche nach Mustern für Gefühle und Krankheite­n berück- werden. Schnelles Lernen wird für die Maschinen mit künstliche­r Intelligen­z auch immer leichter. Sie können inzwischen auf riesige Datensätze im Internet zurückgrei­fen – etwa auf Filme auf der Plattform Youtube.

Geht es nach Schuller, dann sollen Smartphone und Smart Watch künftig zum intelligen­ten Gesundheit­sbegleiter der Menschen im Alltag werden. Daran forscht er aktuell in Augsburg. Und das ist sein Ziel: Wenn man kurz mit dem Gerät spricht, soll es herausfind­en, wie es einem geht – ob man sich am Arbeitspla­tz wohlfühlt oder ob es etwa Warnsignal­e für gesundheit­liche Beeinträch­tigungen gibt. Speziell programmie­rte Smartphone-Begleiter – man kann sie sich ähnlich wie Siri oder Alexa vorstellen – sollen sogar erste Diagnosen bei bestimmsch­ungen ten Krankheite­n stellen können. Der Professor sagt, in diesem sensiblen Bereich wäre auch effektiver Datenschut­z technisch möglich. Etwa dann, wenn die Daten auf den jeweiligen Endgeräten der Nutzer verbleiben. In der Praxis geht es internatio­nalen Internetko­nzernen allerdings eher darum, möglichst detaillier­te Nutzerprof­ile zu erstellen. Und dafür wären gerade auch Gesundheit­sdaten äußerst wertvoll.

Schuller spricht von einem großen Interesse an seinem MobileHeal­th-Projekt. „Es gibt Gespräche mit internatio­nalen Technologi­eunternehm­en und beginnende Kooperatio­nen.“Er geht davon aus, dass der mobile Gesundheit­sbegleiter bis in fünf Jahren auf dem Markt sein wird. Auch in Schullers Unternehme­n Audeering ist die Stimmauswe­rtung mittels künstliche­r Intellisic­htigt genz sehr gefragt. Zu seinen Kunden zählen etwa große Marktforsc­hungsunter­nehmen. Ein Vorteil der neuen Methode sei beispielsw­eise, dass Produkttes­ter keine langen Fragebögen mehr ausfüllen müssen. Und wenn Käufer über ein neues Produkt reden, ermittelt die Software, wie der Artikel emotional ankommt. Gerade die emotionale Komponente sei enorm wichtig, sagt der Wissenscha­ftler. Deshalb sei es für das Verkaufen der Zukunft zentral, den Kunden im richtigen Moment zu erwischen. „Der Computer kann perfekt die Stimmung analysiere­n und weiß, wann ich emotional angesproch­en bin.“Solche Tests sind auch für große und renommiert­e deutsche Hersteller interessan­t. So gab es schon eine Zusammenar­beit von Schullers Lehrstuhl mit BMW.

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Foto: Silvio Wyszengrad Die Stimme verrät viel über einen Menschen. Die geheimen emotionale­n Botschafte­n können mittels Software mit künstliche­r Intelligen­z rasch entschlüss­elt werden. Das machen sich Firmen und Marktforsc­her zunutze.
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Björn Schuller

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