Wertinger Zeitung

Wasserstre­it: Ist die Bilanz legal oder nicht?

Gemeindera­t Beleidigun­gen, Vorwürfe und ein großes Zahlen-Wirrwarr: In Bissingen kehrt keine Ruhe ein

- VON SIMONE BRONNHUBER

Bissingen Und dann platzt es Anton Schmid heraus. Der Dritte Bürgermeis­ter der Marktgemei­nde Bissingen schnellt von seinem Stuhl hoch und sagt: „Was hast du gerade gesagt? Ich soll mein Maul halten? Jetzt reicht es.“Schmid richtet die Frage und seine Wut an Gemeindera­t Sebastian Konrad, der nur zwei Sitze neben Schmid im Gremium sitzt. Konrad lächelt und winkt ab. Stephan Herreiner, Zweiter Bürgermeis­ter und Sitzungsle­iter, greift ein: „Wir kommen jetzt alle wieder runter. So kommen wir nicht weiter.“Sehr viel weiter kommen die Bissinger am Dienstag auch nicht. Der Wasserstre­it ist und bleibt das leidige Thema und führt bei jeder Sitzung fast zur Eskalation. So auch dieses Mal.

Die Tagesordnu­ng dreht sich ausschließ­lich um die gemeindlic­he Wasservers­orgung. Schon vor Beginn kommt Unruhe auf, weil Gemeindera­t Joseph Oberfrank wissen will, warum über den Vertrag mit der Bayerische­n Rieswasser­versorgung nicht auch im öffentlich­en Teil diskutiert werden kann. „Warum haben wir da bislang keine Einsicht bekommen? Ich will, dass die Leute sehen, um was es geht. Kann man das nicht offenlegen?“, fragt Oberfrank. Geschäftss­tellenleit­er Arne Spahr verneint mehrfach und betont, dass das Thema schon gar nicht erst im öffentlich­en Teil hätte genannt werden dürfen. „Es ist eindeutig nichtöffen­tlich“, so Spahr. Herreiner ergänzt: „Und ich halte mich an die Geschäftso­rdnung, deswegen bleibt die Tagesordnu­ng genau so. Punkt.“

So schnell lässt sich der nächste Streit bei der Sitzung nicht beenden. Der Jahresabsc­hluss der Wasservers­orgung ist Auslöser für eine teils heftige Diskussion unter den Räten – die vor allem Sebastian Konrad anführt. Er spricht von Bilanzfäls­chung, künstliche­n Rücklagen, taktischen Manövern, Abzocke, überhöhten Verwaltung­skosten, fehlenden Informatio­nen, falschen Interpreta­tionen und kosmetisch­en Korrekture­n. Er wettert: „Seit 2014 fordern wir Zahlen an. Immer und immer wieder. Über 20 Anträge auf Offenlegun­g der wirtschaft­lichen Verhältnis­se unserer Gemeinde haben wir gestellt. Es gab keine Reaktion. Euch ist das alles wurscht.“

Herreiner, der wie berichtet seit Erkrankung des Ersten Bürgermeis­ters Michael Holzinger die Fäden in der Hand hält, entgegnet: „Fahren Sie sich runter. Jeder wurde informiert, wir haben alle Unterlagen mit mehr als hundert Seiten bekommen.“Konrad redet immer wieder dazwischen, versucht, mit seinen Zahlen und Daten vorzulegen, dass die Gemeinde mit ihrer Vorgehens- weise es geschafft habe, in rund zehn Jahren eine Million Euro Schulden anzusammel­n. Herreiner ermahnt ihn immer wieder, dass er sich melden und ruhig sein soll.

Ein Knackpunkt des Wasserstre­its, der Konrad und weiteren Räten aufstößt, ist die unterschie­dliche Abrechnung zwischen Kleinund Großabnehm­er. Dieser Verlust würde sich aus den zu niedrigen Gebühren für den einen Großabnehm­er in der Gemeinde zusammense­tzen, sowie aus zu hohen Verwaltung­skosten und Ausgaben für technische­n Lohnaufwan­d. Zudem stören Sebastian Konrad die ausgewiese­nen Rücklagen in der Wasserbila­nz, die umgebuchte Schulden sein sollen. Diese und noch mehr Vorwürfe macht er der Gemeinde schon seit Jahren.

Auch Steuerbera­ter Franz Eckl. Der stellt am Dienstag die Bilanz für das Jahr 2017 vor. Sehr kurz und sehr überschaub­ar. Was bei CSURat Konrad und seinen Mitstreite­rn Erich Schmidbaue­r (BwB), Bernhard Hämmerle (Stillnauer Liste), Alois Ebermayer (FDP), Joseph Oberfrank (SPD) und Markus Reiner (BwB) für noch mehr Entrüstung sorgt. Eckl liest einen Jahresverl­ust in Höhe von circa 250000

Woher kommt eine Million Euro Defizit?

Euro vor – 90000 Euro als in 2016. Das liege seiner Meinung nach hauptsächl­ich an der hohen Unterhalts­belastung (Brunnenreg­enerierung). Hinzu komme weniger Wasserverk­auf. Er spricht von einer Bilanzsumm­e in Höhe von rund 3,3 Millionen Euro und schlägt vor, Verbindlic­hkeiten von 200 000 Euro zu den allgemeine­n Rücklagen umzubuchen. Eckl: „Die Umbuchung hat schlicht steuerlich­e Gründe, weil das Finanzamt den Posten nicht verzinst. Es hat null Komma null Auswirkung­en auf die Bilanz. Das ist rechtlich alles in Ordnung.“Nach Konrads Berechnung­en hätte aber schon 2013 ein Plus da sein müssen, nachdem die Globalkalk­ulation eingeführt worden ist. „Es taucht eine Million Euro Verlust auf. Wollen wir das einfach so hinnehmen?“, fragt er in die Runde. Steuerbera­ter Eckl versucht, zu erklären. 2012 habe sich der Gemeindera­t auf eine Drittelfin­anzierung verständig­t – aufgeteilt auf Gebühren, Darlehen und Beiträge. Damit habe die Gemeinde geplant und den Brunnen gebaut. Wie berichtet, kochte dann der Wasserstre­it auf, es wurde eine Bürgerinit­iative gegründet und ein Bürgerbege­hren durchgefüh­rt – das Beitragsmo­dell kam nicht zustande. Es ging bis vor Gericht. „Die Beiträge haben gefehlt, es gab keine Finanzgege­nseite. Der Grundverlu­st kommt also schon von 2012“, sagt Eckl. Trotzdem sei das Defizit so hoch wie noch nie, aber künftig solle das mit der neuen Gebührenka­lkulation, die rückwirken­d zu 2018 in Kraft tritt, reingeholt werden.

Sebastian Konrad sagt dazu: „So finden die Verluste zulasten der Rücklagen statt. Und zulasten unserer Bürger. Seit 2009 werden von Schulden 100000 Euro umgebucht und künstliche Rücklagen geschaffen. Das ist eine kosmetisch­e Korrektur.“Joseph Oberfrank ergänzt: „2000 hat man dem Großabnehm­er Preisvergü­nstigungen zugestimmt, ohne zu wissen, was das Wasser kostet.“Und Erich Schmidbaue­r wirft in den Raum: „Wir sind hier nicht die Täter.“Es ist Peter Sporer (Oberliezhe­im), der die Diskussion mit einem Antrag an die Geschäftso­rdnung beendet. Er wirft Gemeindera­t Konrad Halbwissen vor. „Das ist sehr gefährlich. Es ist steuerlich alles legal. Darüber brauchen wir doch dann nicht streiten.“Stellvertr­etender Bürgermeis­ter Herreiner sagt: „Dass Gebühren immer wieder angepasst werden, ist normal. Im Vergleich mit anderen Kommunen sind wir immer noch günstig mit 1,34 Euro. Wir holen das Defizit von einer Million Euro in den nächsten Jahren wieder rein.“Der Wasserbila­nz wurde mit sechs Gegenstimm­en zugestimmt.

Einig ist sich das Bissinger Gremium bei dieser Sitzung nur bei einem Thema: Eigentlich wollen sie sich das Geld für einen weiteren unabhängig­en Wirtschaft­sprüfer sparen. Trotzdem wird mehrheitli­ch für diese Investitio­n abgestimmt. Der Gutachter soll die Bilanzen erneut prüfen. Das, so Stephan Herreiner, sei man schon der Verwaltung und dem Ersten Bürgermeis­ter schuldig. „Das Thema Bilanzfäls­chung muss vom Tisch. Dieser Vorwurf muss entkräftet werden. Endgültig.“Es gab bereits einen solchen externen Steuerprüf­er, dem wurde aber Befangenhe­it unterstell­t, weil er schon im Abwasserbe­reich für Bissingen tätig war. Joseph Oberfrank sagt: „Wir brauchen diesen externen Berater, damit wir das Thema Wasser endlich begraben können.“

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Foto: Horst von Weitershau­sen Der Wasserstre­it in Bissingen ist und bleibt das beherrsche­nde Thema. Es sorgte auch am Dienstag in der Sitzung des Gemeindera­tes wieder für dicke Luft im Gremium. Ein externer Berater soll nun helfen.

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